Rednerpult beim Neujahrsempfang der IHK und HK Reutlingen in der Reutlinger Stadthalle

Bürokratieabbau und Willkommenskultur bei Neujahrsempfang gefordert

IHK und HK Reutlingen: "Den Unternehmen geht es nicht gut"

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Nikolaus Rhein
Nikolaus Rhein ist Reporter für Hörfunk, Online und Fernsehen beim SWR im Studio Tübingen.

Die Industrie- und Handelskammer und die Handwerkskammer Reutlingen fordern mehr Unterstützung für die regionale Wirtschaft. Die Unternehmen würden sich eingeengt fühlen.

Der gemeinsame Neujahrsempfang der Industrie- und Handelskammer (IHK) und Handwerkskammer (HK) Reutlingen am Dienstagabend startete mit Paukenschlägen und Posaunenklängen: Lautstark zog die Musikgruppe "Brass2Go" in die Reutlinger Stadthalle ein, in die rund 600 Gäste aus der regionalen Wirtschaft gekommen waren. Lautstark ging es dann auch am Rednerpult zu, als die Präsidenten der beiden Kammern der Politik den Marsch bliesen.

IHK und HK fordern Politik auf, Bürokratie abzubauen

Den Anfang machte Christian O. Erbe, Unternehmer und Präsident der IHK Reutlingen. Den regionalen Unternehmen geht es aktuell alles andere als gut, so Erbe. Es herrsche breite Unzufriedenheit. Diese habe ihre Ursache vor allem in einer überbordenden Bürokratie. Der IHK-Präsident forderte die Politik deshalb auf, die bürokratischen Hürden für die Unternehmen abzubauen. Die vielen Vorschriften bremsten die Betriebe aus, mahnte Erbe, der auch Präsident des Baden-Württembergischen IHK-Tags ist – und damit das Sprachrohr für rund 650.000 Mitgliedsbetriebe:

Die Unternehmen sind unheimlich eingeengt durch die Bürokratie. Sie können sich schlecht bewegen und sehen, dass Umsätze einbrechen, dass die Nachfrage speziell aus dem Ausland sinkt.

Es liege nun an der Politik, das Vertrauen der Unternehmen in den Standort Deutschland wieder zu stärken, fügte er hinzu.

Vielleicht hilft Entlastungsallianz

Der Präsident der Handwerkskammer Reutlingen, Harald Herrmann, schloss sich Erbes Kritik an: "Man hat das Gefühl, dass bei der Entbürokratisierung oftmals etwas wegfällt, aber im gleichen Zug wieder etwas dazukommt, so dass man sich ein Stück weit im Kreis bewegt." Die Politik müsse sich intensiver mit den Unternehmen austauschen, ihnen zuhören und ihre Anliegen ernst nehmen. "Dann macht das Arbeiten in den Betrieben nachher auch wieder mehr Spaß." Immerhin: Sowohl Herrmann als auch Erbe äußerten die Hoffnung, dass die im vergangenen November gegründete Entlastungsallianz Früchte trage. Die Arbeitsgruppe will die Entbürokratisierung in der regionalen Wirtschaft vorantreiben.

Christian O. Erbe bei seiner Rede beim Neujahrsempfang der IHK und HK Reutlingen
Christian O. Erbe, Präsident der IHK Reutlingen, forderte einen Bürokratieabbau und warb für eine Willkommenskultur, um Fachkräfte aus dem Ausland besser zu integrieren.

Politik soll den Betrieben gesunden Menschenverstand zutrauen

Die anwesende Vertreterin aus der Politik, Staatssekretärin Gisela Splett (Grüne) aus dem Landesfinanzministerium, nahm die Forderungen der Wirtschaft zur Kenntnis. Als Splett sagte, dass „die Politik den Betrieben mehr gesunden Menschenverstand zutrauen“ müsse, brandete Applaus im Saal auf. Splett legte auch beim Thema Fachkräftemangel den Finger in die Wunde: Um den Innovationsstandort Baden-Württemberg zu erhalten, müssten zugewanderte Fachkräfte besser integriert werden.

Dem Fachkräftemangel mit Willkommenskultur entgegenwirken

Erbe forderte dazu eine Willkommenskultur für eingewanderte Arbeitnehmer. „Im Moment ist die Zurückhaltung gegenüber Menschen aus anderen Teilen der Welt sehr groß. Das müssen wir beiseite schieben, denn wir brauchen die Fachkräfte aus dem Ausland.“ Diese würden aber nur Deutschland kommen, wenn sie sich hier wohl fühlten, schloss der IHK-Präsident sein Plädoyer gegen Hetze und Gewalt gegenüber zugewanderten Menschen.

Mich regt es auf, wenn Arbeitnehmer mit offensichtlichem Migrationshintergrund auf der Straße angefeindet und angepöbelt werden. Das kann ich nicht ausstehen.

Sowohl Erbe als auch sein Kollege Herrmann begrüßten die jüngsten Massen-Demonstrationen in Deutschland gegen Rechtsextremismus und für eine starke und lebendige Demokratie. HK-Präsident Herrmann sagte, es brauche wieder mehr Dankbarkeit dafür, dass man in einem Land mit einer freiheitlich demokratischen Grundordnung leben darf.

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