Einsatz von KI im Bildungssystem

Chatbot ChatGPT an Universitäten: So bewertet ein Experte den Einsatz

Stand
Autor/in
Arne Wiechern
Onlinefassung
Andreas Böhnisch

Ist der Chatbot ChatGPT nützlich oder gefährlich an Schulen und Unis? Diese Frage stellt sich für den Stuttgarter Forscher Jürgen Seitz nicht mehr. Denn KI werde längst genutzt.

Die auf künstlicher Intelligenz basierende Software ChatGPT breitet sich an den Schulen und Universitäten immer weiter aus. Für den Stuttgarter Forscher Professor Jürgen Seitz vom Institut für Angewandte Künstliche Intelligenz an der Hochschule der Medien in Stuttgart kann dieser Trend nicht mehr gestoppt werden. SWR Aktuell-Moderator Arne Wiechern hat mit ihm gesprochen.

SWR Aktuell: Kommen wir in der heutigen Zeit an Künstlicher Intelligenz im Bildungsbereich vorbei?

Jürgen Seitz: Ich denke nicht. Wir müssen in der Bildung abbilden, was im realen Leben passiert. Dort hat Künstliche Intelligenz schon lange Einzug erhalten. Mit ChatGPT erreichen wir das nächste Level. Es wird viel vom iPhone-Moment für Künstliche Intelligenz gesprochen. Deshalb muss die Bildung dem gerecht werden. Das gilt gleichermaßen für die Ausbildung der jungen Leute, als auch in der Anwendung in der Lehre.

SWR Aktuell: ChatGPT greift auf Informationen aus dem Internet zurück und kann daraus komplette und durchaus sinnvolle Hausarbeiten erstellen. Wie kann Künstliche Intelligenz noch im Bildungsbereich eingesetzt werden?

Seitz: ChatGPT kann nicht nur einigermaßen schlaue Texte generieren, sondern eben auch eine Art des Verstehens liefern. Wenn ich also etwas sage, wenn ich Input gebe, wird ein ziemlich gutes Verständnis von diesen Künstlichen Intelligenzen geschaffen. Jetzt ist es spannend zu fragen, wie ich das entsprechend in der Bildung einsetzen kann. Wie also eine KI den Input versteht, den 30 Schüler gerade geliefert haben und daraus ein sogenanntes adaptives Lernen ableiten kann. Dabei handelt es sich um Lehre, die wirklich auf die Individuen in der Schule eingeht.

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SWR Aktuell: Wie ist so etwas messbar?

Seitz: Die Systeme sind sehr neu. Deshalb haben wir gerade ein Forschungsprojekt, in dem wir mit einem System die Schüler Matheaufgaben einmal mit und einmal ohne Künstliche Intelligenz lösen lassen. Wir messen, ob diese Schüler aus diesen Lösungshilfen, die sie von der Künstlichen Intelligenz erhalten haben, etwas gelernt haben oder ob wir diesen Effekt nicht erzielen.

SWR Aktuell: Kritiker werden fragen, warum man in einer Schule überhaupt Künstliche Intelligenz braucht. Es komme schließlich darauf an, dass der Mensch etwas entwickle und eigene Ideen habe. Was können Sie dem entgegenhalten?

Seitz: Die Kritiker haben durchaus Recht, wenn man annimmt, dass man die Hausarbeit von ChatGPT schreiben lässt. Aber drehen Sie es mal um: Sie haben einen Schüler, der wenig Feedback bekommt und Lehrer, die 30 Schüler betreuen müssen und die haben alle eine unterschiedliche Ausgangslage. Künstliche Intelligenz kann in so einer Situation helfen zu verstehen, in welcher Ausgangslage der jeweilige Schüler ist und was er noch nicht verstanden hat. Künstliche Intelligenz kann dann Lerninhalte bereitstellen, die genau auf die Probleme eingehen, die der Schüler gerade hat. Dieses adaptive Lernen ist die große Vision hinter der Künstlichen Intelligenz in der Lehre. Gerade bei sehr großen Klassen und diversen Hintergründen kann das ein sehr guter Beitrag dazu sein, dass die Schüler besser lernen und dass sie auch mehr Spaß am Lernen haben.

SWR Aktuell: Das Bildungssystem in Deutschland hat sich in der Vergangenheit oft schleppend modernisiert. Wie groß sehen Sie die Chancen, dass dieser digitale Schritt in Sachen Künstlicher Intelligenz schnell zum Laufen kommt?

Seitz: Ich will diesen iPhone-Moment von der Künstlichen Intelligenz noch einmal aufgreifen. Wenn ich an der Hochschule meine Studierenden frage, wer ChatGPT nutzt - dann ist das jeder. Es ist in der Realität in Nullkommanichts angekommen. Nie ist ein Produkt in dieser digitalen Welt schneller gewachsen als ChatGPT. Die Leute sehen also den Mehrwert. Deshalb bin ich zuversichtlich, dass Druck ausgeübt wird, diese Systeme zu integrieren. Das bedeutet: wir müssen Lehrformate und Prüfungen umstellen und den Schülern diesen Mehrwert geben. Wenn wir mit unserer Forschung an die Schulen gehen, sehe ich eine große Bereitschaft bei Lehrern und Schülern, das auszuprobieren.

Die große Herausforderung ist jetzt das Beschaffungswesen. Wir müssen die Produkte kaufen, die für Schüler interessant sind - also nicht nur Bücher, wo leider nicht mehr viel Konsum stattfindet, sondern zum Beispiel ein videobasiertes System. Wir erforschen gerade ein System, das Mathevideos von einem bekannten Mathetutor entsprechend integriert. So etwas ist attraktiv. Da muss mehr Offenheit erfolgen, dass die Schüler sagen: Das hilft mir. Das macht Spaß. Da bin ich dabei.

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