Die Kommunen in Baden-Württemberg warnen vor einer Überlastung der Verwaltung aufgrund anhaltend hoher Flüchtlingszahlen. Der Chef des Gemeindetags, Steffen Jäger, forderte deshalb in einem Gespräch mit dem SWR eine Begrenzung der Flüchtlingszugänge durch den Bund.
"Wenn wir jetzt nicht tatsächlich klare Signale von der Bundespolitik bekommen, die darauf ausgerichtet sind, wirksam auch eine Begrenzungsstrategie umzusetzen, dann müssen wir leider eine Stärkung des rechten politischen Randes befürchten", sagte Jäger.
Städtetags-Chef fordert bessere Zusammenarbeit
Frank Mentrup (SPD), Präsident des Städtetags Baden-Württemberg, forderte im Gespräch mit dem SWR ebenfalls ein starkes Signal von Bund, Ländern und Kommunen, um eine gemeinsame Offensive zu starten und enger zusammenzuarbeiten. Man müsse gemeinsam ein Gesamtkonzept entwickeln, wie man Integration erleichtern, aber auch das Asylrecht umsetzen kann.
Die Debatte um eine Obergrenze für Geflüchtete bezeichnete Mentrup aber als obsolet. "Wir haben einen grundgesetzlich verbrieften Anspruch auf Asyl, wir haben einen Anspruch auf Menschenwürde und Menschenrechte", so der Politiker, der auch Oberbürgermeister von Karlsruhe ist. "Ich kann diese Grundrechte nicht davon abhängig machen, ob die Flüchtlingszahl über oder unter einer gewissen Obergrenze liegt." Grundrechte grundsätzlich zur Disposition zu stellen, halte er für eine "ganz gefährliche" Entwicklung.
So ist derzeit die Situation in Öhringen im Hohenlohekreis:
Schon ab Montag kein Sportunterricht mehr Sporthalle in Öhringen wird zur Unterkunft für Geflüchtete
An der Gewerblichen Schule Öhringen soll die Sporthalle wieder mit Geflüchteten belegt werden. Der Landrat bedauert den Zustand, die Kommunen hätten den Bund immer wieder gewarnt.
Laut Mentrup müssten auch ganz praktische Prozesse dringend beschleunigt werden. Dabei nannte er einen schnelleren Einstieg in den Arbeitsmarkt oder das Bildungssystem für Asylbewerber und -suchende.
Gemeindetags-Chef: Große Widerstände in Bevölkerung
Gemeindetags-Chef Jäger zeigte sich besorgt: Gegen neue Flüchtlingsunterkünfte gebe es große Widerstände und Zweifel in der Bevölkerung. Dies drücke sich auch in Anfeindungen gegen Verantwortliche in der Verwaltung aus. Es sei kaum mehr möglich, in einem Konsens neue Flüchtlingsunterbringungen zu realisieren. Dies sei angesichts der weiter zunehmenden Migrationszahlen allerdings dringend notwendig, so Jäger.
Zuletzt hatten im Burladinger Ortsteil Killer (Zollernalbkreis) Einwohnerinnen und Einwohner gegen eine neue Asylunterkunft im Ort protestiert. Bei zwei Infoveranstaltungen war Landrat Günther-Martin Pauli (CDU) mehrfach ausgebuht worden. Der dortige Gemeinderat hat am Donnerstagabend wegen des Protests über eine alternative Unterbringung beraten.
Protest gegen geplante Asylbewerber-Unterkunft Landrat bei Infoveranstaltung in Killer niedergebrüllt
Im Burladinger Ortsteil Killer gibt es Protest gegen eine neue Asylbewerber-Unterkunft. Wie Medien berichten, ist die Stimmung auf gleich zwei Infoveranstaltungen hochgekocht.
Kritik auch vom Chef des Städtetags
Laut Frank Mentrup sind zunehmende Verunsicherung und Unzufriedenheit mit der Politik Gründe für die immer kritischere Stimmung in der Bevölkerung gegenüber Geflüchteten. "Ich merke, dass die Akzeptanz vor Ort deutlich sinkt", so der Städtetagschef. Es gelte, ein stärkeres Verständnis für politische Abläufe und Entscheidungen und auch die Grenzen politischer Steuerung zu erreichen.
Zu den steigenden Zahlen der Geflüchteten geselle sich ein allgemeines Akzeptanzproblem von Politik, das nicht aus dieser Thematik alleine herrühre. Die Politik dürfe allerdings nicht den Fehler machen, mit Drohungen zu arbeiten oder mit Ankündigungen, die wie Drohungen wirken, sagte Mentrup. Es brauche klare, unmissverständliche Ansagen, an die man sich dann auch halte. "Wir brauchen einen Schulterschluss auf Augenhöhe", so der Präsident des Städtetags.
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Rund 4.000 neue Geflüchtete in BW im August
Das Migrationsministerium in Stuttgart teilte auf Nachfrage des SWR mit: Im August dieses Jahres habe es 3.941 neue Asylzugänge in Baden-Württemberg gegeben - ein Monatswert, der deutlich über den Vergleichswerten der vergangenen Jahre liegt.
Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) sieht die Forderungen, die Migration nach Deutschland zu begrenzen, allerdings kritisch. Faeser hatte einen ähnlichen Vorschlag von CSU-Chef Markus Söder zurückgewiesen. Zugleich betonte sie im ZDF heute journal, dass es ihrer Ansicht nach vor allem darauf ankomme, die Migranten in Europa solidarisch zu verteilen.