Die Ukrainerin Oksana (r) geht mit ihrem Mann Aiwaras und Sohn Leo nach ihrem Grenzübertritt von Schehyni in der Ukraine nach Medyka in Polen. Zahlreiche Ukrainer verlassen nach Militäraktionen Russlands auf Ukrainischem Staatsgebiet das Land.

FAQ Geflüchtete in Baden-Württemberg

Weltflüchtlingstag 2022: Fragen und Antworten zu Geflüchteten, Asyl und Abschiebung in BW

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Marc-Julien Heinsch
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Oliver Linsenmaier
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Durch die Kriege in der Ukraine und im Jemen, durch bewaffnete Konflikte und Naturkatastrophen sind 100 Millionen Menschen weltweit auf der Flucht. Fakten aus BW zum Weltflüchtlingstag 2022.

Am Montag (20. Juni) ist Weltflüchtlingstag. Weltweit sind mehr als 100 Millionen Menschen auf der Flucht - ein trauriger Rekord. Schon vor dem Ausbruch des Kriegs in der Ukraine lebten mindestens 3,3 Millionen geflüchtete oder vertriebene Menschen in Deutschland. Laut Statistischem Bundesamt wanderten alleine zwischen 2014 und 2021 rund 1,2 Millionen Menschen zu. Mit dem Krieg in der Ukraine sind nun bereits mehr als 800.000 Menschen nach Deutschland gekommen. Viele von ihnen suchen auch Schutz in Baden-Württemberg.

Wie viele geflüchtete Menschen leben aktuell in Baden-Württemberg?

Aktuell sind knapp 121.000 Geflüchtete mit Aufenthaltstitel in Baden-Württemberg registriert. Das hat das Justizministerium auf SWR-Anfrage mitgeteilt. Grundlage dieser Zahl ist die Statistik des Ausländerzentralregisters. Dort werden alle Menschen gezählt, die einen Aufenthaltstitel aufgrund von völkerrechtlichen, humanitären oder politischen Gründen haben.

Zudem meldeten die baden-württembergischen Ausländerbehörden zum Stichtag 19. Juni 111.000 Geflüchtete aus der Ukraine in Baden-Württemberg. Ein sehr kleiner Teil von ihnen - etwa 9.000 - hat bereits einen Aufenthaltstitel und ist somit in die 121.000 miteingerechnet, teilt das Ministerium mit. Die Gesamtzahl der Geflüchteten, die sich aktuell in Baden-Württemberg aufhalten, liegt damit bei 223.000 Menschen.

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Viele sind in Kommunen untergebracht Krieg in der Ukraine: Mehr Flüchtlinge in BW als 2015

Seit Beginn des russischen Angriffskriegs sind mehr als 100.000 Geflüchtete aus der Ukraine in Baden-Württemberg registriert worden. Das übersteigt den Höchststand der vorigen Flüchtlingskrise.

Wer gilt als Geflüchteter oder Flüchtling?

Als Flüchtlinge bezeichnet man umgangssprachlich alle Menschen, die vor Verfolgung, Krieg, Hunger, Naturkatastrophen oder aus anderen Gründen aus ihrem Heimatland fliehen. Die Begriffe Geflüchtete oder auch Schutzsuchende nutzen vor allem Hilfsorganisationen, um dem politisch aufgeladenen Flüchtlings-Begriff etwas entgegenzusetzen, der - so etwa das International Rescue Committee - "nicht die Komplexität von Fluchterfahrungen widerspiegelt". Im Detail ist es etwas komplizierter.

Wer politisch verfolgt wird, hat in Deutschland nach Paragraph 16a Grundgesetz das Recht auf Asyl. Wer nach Deutschland kommt und Asyl beantragt, wird registriert und erhält den Status eines Asylbewerbers. Dann läuft das Asylverfahren, in dessen Verlauf die politische Verfolgung nachgewiesen werden muss.

1951 hat die Bundesrepublik Deutschland außerdem die Genfer Flüchtlingskonvention unterzeichnet und damit Menschen Schutz zugesichert, die aus einem Kriegsgebiet fliehen. In der Flüchtlingskonvention ist definiert, wer ein Flüchtling ist und welche Rechte er oder sie hat. Kurz gesagt: Die Kriterien für den Flüchtlingsstatus sind etwas weniger streng als die für den Asylstatus.

SWR-Redakteurin Martina Meissner über die Entstehungsgeschichte der Genfer Flüchtlingskonvention:

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Wessen Asylverfahren erfolgreich ist, gilt als Asylberechtigter oder Asylberechtigte und erhält von der Ausländerbehörde eine auf drei Jahre befristete Aufenthaltserlaubnis. Sie kann im Anschluss verlängert werden. Dasselbe gilt beim Flüchtlingsstatus. Frühestens nach drei Jahren kann unter bestimmten Voraussetzungen (Lebensunterhalt, Sprachkenntnisse) eine unbefristete Niederlassungserlaubnis erteilt werden.

Daneben gibt es noch subsidiär Schutzberechtigte. Sie erhalten eine einjährige Aufenthaltserlaubnis, die jeweils für zwei weitere Jahre verlängert werden kann. Nach frühestens fünf Jahren kann ebenfalls eine unbefristete Niederlassungserlaubnis erteilt werden. Als subsidiär schutzberechtigt können Geflüchtete gelten, die weder politische Verfolgung (Asylberechtigte) noch Flucht vor Krieg (Flüchtlingsstatus) nachweisen können. Und zwar dann, wenn ihnen in ihrem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden (etwa Todesstrafe, Folter, willkürliche Gewalt) droht.

Wie subsidiär Schutzbedürftige werden außerdem Geflüchtete behandelt, für deren Herkunftsland ein nationales Abschiebungsverbot festgestellt wurde. Das liegt vor, wenn dort deren Leben oder Freiheit aufgrund von Rasse, Religion, Nationalität, der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen der politischen Überzeugung bedroht ist.  

Bei Geflüchteten aus der Ukraine ist in der EU möglich, worüber in der sonstigen Flüchtlingspolitik erbittert gestritten wird. Freie Wahl des Fluchtlandes in der EU, keine Obergrenzen, Arbeitserlaubnis und Familiennachzug werden großzügig gewährt. Schafft die EU Geflüchtete erster und zweiter Klasse? Ein Kommentar von Max Bauer:

Wer verfügt in BW über welchen Schutzstatus?

Laut Justizministerium sind aktuell rund 1.000 Personen als Asylberechtigte erfasst, etwa 60.000 Personen wurde der Flüchtlingsstatus zuerkannt. Rund 21.400 Personen sind subsidiär Schutzberechtigte und bei rund 14.800 Personen bestehen Abschiebungsverbote. Etwa 27.100 Personen befinden sich derzeit in einem laufenden Asylverfahren und haben deshalb eine Aufenthaltsgestattung.

Woher stammen die meisten Geflüchteten in BW?

Neben Flüchtlingen aus der Ukraine stammen die meisten geflüchteten Menschen in Baden-Württemberg aus Syrien, Afghanistan, Irak und Eritrea, wie das Justizministerium mitteilt.

Haben Geflüchtete aus der Ukraine einen Sonderstatus?

Seit Beginn des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine am 24. Februar sind bereits mehr Menschen allein aus der Ukraine nach Baden-Württemberg geflohen, als im gesamten Jahr 2015 Flüchtlinge im Land ankamen.

Nicht alle angekommenen Geflüchteten aus der Ukraine werden auch in Baden-Württemberg bleiben. Sie werden nach dem "Königsteiner Schlüssel" auf die Bundesländer verteilt. Demnach entfallen rund 13 Prozent der nach Deutschland geflüchtete Ukrainerinnen und Ukrainer auf Baden-Württemberg. Bis Ende Mai wurden in Deutschland über 800.000 Geflüchtete aus der Ukraine registriert.

Die tatsächliche Zahl dürfte deutlich höher liegen. Denn das Bundesinnenministerium hat eine Ausnahmeregelung geschaffen. Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine benötigen vorerst keinen Aufenthaltstitel und brauchen für einen längeren Aufenthalt auch kein Visum mehr. Daher sind vermutlich viele Geflüchtete aus der Ukraine direkt zu Freunden und Verwandten gegangen, ohne sich zu registrieren oder einen Aufenthaltstitel zu beantragen. Aktuell ist diese Ausnahmeregelung bis zum 31. August befristet. Danach benötigen Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine einen Aufenthaltstitel.

Da sie aber keinen Einfluss darauf haben, wie lange die Bearbeitung eines Antrags dauert, reicht eine Antragstellung bis zum 31. August bei der örtlichen Ausländerbehörde. Bis eine Entscheidung gefällt wird, gilt der Zustand "erlaubter Aufenthalt" – auch über den 31. August hinaus.

Wie viele Menschen leben aktuell in Erstaufnahmeeinrichtungen?

Aktuell sind rund 5.700 Personen in den baden-württembergischen Erstaufnahmeeinrichtungen untergebracht, so das Justizministerium. Davon sind rund 2.280 Personen ukrainische Staatsangehörige.

Wann kamen die meisten Schutzsuchenden nach Baden-Württemberg?

Am 24. Februar hat Russland seinen Krieg gegen die Ukraine begonnen - seither sind bereits rund 111.000 Schutzsuchende aus der Ukraine in Baden-Württemberg erfasst worden. Damit wurden bereits mehr Geflüchtete aus der Ukraine innerhalb von knapp vier Monaten erfasst als im gesamten Jahr 2015.

Im Jahr der "Flüchtlingskrise" 2015 kamen rund 101.000 Asylsuchende nach Baden-Württemberg. Von September bis Dezember des Jahres 2015 waren insgesamt rund 60.000 Menschen in den baden-württembergischen Erstaufnahmeeinrichtungen untergebracht, bevor sie auf die Kommunen verteilt wurden. An einzelnen Tagen kamen 1.500 Personen. Den stärksten Zugang verzeichnete das baden-württembergische Justizministerium im Oktober 2015. Damals kamen innerhalb eines Monats 17.500 Asylsuchende nach Baden-Württemberg.

Wie viele Abschiebungen aus Baden-Württemberg gab es zuletzt?

Laut dem baden-württembergischen Justizministerium gab es 1.362 Abschiebungen im Jahr 2020. Im darauffolgenden Jahr 2021 waren es 1.328 und 706 zwischen Januar und April 2022. Die Hauptzielländer für Abschiebungen aus Baden-Württemberg waren demnach Nordmazedonien, Pakistan, Georgien, Kosovo, Türkei, Algerien, Rumänien, Tunesien, Albanien, Nigeria, Serbien und Sri Lanka.

In den Jahren davor lag die Zahl der Abschiebung jeweils deutlich höher. So wurden 2019 aus Baden-Württemberg 2.648 Menschen abgeschoben. 2018 waren es 3.018 und 2017 gab es 3.450 Abschiebungen. Der Verein Flüchtlingsrat Baden-Württemberg setzt sich für die Rechte von Flüchtlingen ein und macht auf Abschiebungen aufmerksam. Der Flüchtlingsrat kritisierte Baden-Württemberg in der Vergangenheit wiederholt für die Abschiebung von Menschen, die teilweise jahrzehntelang in Deutschland gelebt hatten.

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