Das Alexander-Stift gehört zur "Diakonie Stetten" und hat in Baden-Württemberg an über 20 Standorten Einrichtungen für ältere Menschen. Es erwirtschaftet mit über 1.000 Mitarbeiter:innen einen Umsatz von über 50 Millionen Euro. "Motivierte Mitarbeiter, die Wissen, Herz und ganz viele Tugenden mit in die Arbeit einbringen", sagt Geschäftsführerin Gaby Schröder. Mitarbeiter:innen, die 800 Pflegeplätze betreuen – "ich spreche da lieber von über 800 Menschen, die bei uns versorgt werden".
Sie sieht die negative Entwicklung in der Pflege Tag für Tag und ist sich sicher, dass die Einstiegshürde "Mittlere Reife" mit dafür verantwortlich ist. Das könne sich eine alternde Gesellschaft nicht mehr leisten. Schröder hält es für grundlegend falsch, engagierte junge Menschen ohne Realschulabschluss von der Ausbildung auszuschließen.
Pflege ist nicht nur "Altenpflege"
Pflege beschränkt sich für Gaby Schröder – auch durch ihre langjährige Erfahrung in der Jugendhilfe – nicht nur auf die Pflege alter Menschen:
Da gefällt ihr, sagt sie, das Motto der Diakonie Stetten: "Für eine Welt, in der niemand ausgegrenzt wird". Ein Beispiel, bei der ihr regelrecht das Herz aufgehe: Eine junge Frau mit Handicap, die an einem sogenannten "Außenarbeitsplatz" arbeitet und sagt, sie freue sich jeden Tag darauf, die Spülmaschine im Pflegeheim ein- und auszuräumen.
Das sei eine Chance, Menschen in Beschäftigung zu bekommen, die im "ersten Arbeitsmarkt" keinen Fuß fassen könnten, aber deren "zwei helfende Hände mehr" für das Pflegeheim eine wichtige Unterstützung sind.
Was ist dran am Satz "Pflege kann jeder"?
Diesen Satz hört Gaby Schröder immer wieder, aber er stimme nicht, sagt sie ganz deutlich.
Pflegepersonal brauche gute Nerven und eine Spur an Humor. Dazu hohe kommunikative Fähigkeiten, hohes fachliches Wissen – wenn Wunden behandelt oder Medikamente gegeben werden – und eine "ganz hohe, extreme Flexibilität".
Kommt der richtige Pflegenotstand erst noch?
Bis zu 280 Tage dauert es, bis Gaby Schröder eine frei gewordene Stelle neu besetzen kann, bedingt auch durch die ländlichen Standort der Alexander-Pflege. In der Stadt sei das nicht ganz so problematisch.
Neben dem aktuellen Pflegenotstand identifiziert Gaby Schröder aber noch ein weiteres Problem: die demographische Entwicklung. Den steigenden Bedarf an Pflegeplätzen könne man gut vorausberechnen, aber nicht vergessen dürfe man, dass 60 Prozent der Menschen, die in der Pflege arbeiten, über 50 Jahre alt sind. Das bedeutet, dass die "Babyboomer" bald in Rente gehen und damit eine große Anzahl an Pflegekräften wegfallen.
Personalmangel in den Pflegeberufen
Der Personalmangel hat auch schon dazu geführt, dass ein Haus des Alexander-Stifts geschlossen werden muss. "Da reißt es einem den Boden unter den Füßen weg", sagt Gaby Schröder.
Im Umkehrschluss bedeute das: Wenn eine Pflegekraft ausfällt, dann muss jemand aus der Freizeit oder dem Urlaub einspringen. "Dass die Pflegekräfte das mitmachen", davor hat Gaby Schröder den größten Respekt.
Fachkräftemangel und Nachwuchs in der Pflege
Die Einstiegsvoraussetzungen im Pflegeberuf sind in den vergangenen Jahren schwieriger geworden. Deshalb ist es Gaby Schröder wichtig, sie herunterzusetzen. Aktuell benötigt man für die Ausbildung zur "Pflegefachfrau/Pflegefachmann" die Mittlere Reife, vor 2019 genügte der damalige Hauptschulabschluss. Für Menschen aus dem Ausland kommt noch der Nachweis des "B2" Sprachlevels dazu.
Pläne, den Pflegenotstand in den Griff zu bekommen, gibt es genug. Anwerbung ausländischer Fachkräfte, eine zentrale Anlaufstelle für Bewerber:innen oder die Senkung von Bearbeitungszeiten der Anträge von 12-18 auf fünf Monate. "Alles, was schneller geht" befürworte sie, sagt Schröder.
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Vorstellen kann Gaby Schröder sich auch, an die Schule fest verpflichtend ein weiteres Jahr als "Gesellschaftsjahr" anzuhängen. Kritikern, die sagen "dann stehen die Menschen uns erst ein Jahr später für den Arbeitsmarkt zur Verfügung" entgegnet sie, dass in diesem Jahr Fähigkeiten erworben werden, die der Berufswelt später zu Nutze kommen.
Können wir uns die Pflege bald nicht mehr leisten?
In Baden-Württemberg zahlen Bewohner:innen in einem Pflegeheim durchschnittlich einen Eigenanteil von 2.900 Euro pro Monat. Fünf Jahre zuvor lagen diese Kosten bei lediglich der Hälfte. Das System der Altenpflege sei von der Finanzierung her ein krankes System, meint Gaby Schröder. Man müsse überlegen: Wie ändert man die Finanzierung?
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