Die „Neue Sachlichkeit“ ist eine wichtige Kunstströmung der Moderne. Erfunden wurde der Begriff, als Titel der gleichnamigen Ausstellung, vom damaligen Direktor der Mannheimer Kunsthalle, Gustav Friedrich Hartlaub. „Neue Sachlichkeit“ ist eine präzise Kunst ohne Kitsch und Pathos. Die Reiss-Engelhorn-Museen zeigen in der Ausstellung „Sachlich neu“ Werke der Fotografen August Sander und Albert Renger-Patzsch, sowie von Robert Häusser, dem Mannheimer Fotografen des „Magischen Realismus'“.
Der Tenor Leonardo Aramesco wirft sich in Pose
Ende der 1920er Jahre posiert der Tenor Leonardo Aramesco im Studio des Fotografen August Sander. Theatralisch greift sich der Opernstar an die Pelzstola, furcht die Stirn und richtet einen dramatischen Blick in die Ferne - bis in die ondulierten Haarspitzen ein Inbild bürgerlicher Hochkultur, samt ihrer kitschigen Kulissen.
Premiere des lange verschollenen Fotos von Elvis Presley
Dieses heute unfreiwillig komisch wirkende Bild lässt die Mannheimer Ausstellung „Sachlich neu“ mit einem ganz anderen Sänger-Portrait kollidieren, das dreißig Jahre später entstand: Elvis Presley, wie man ihn kaum kennt - ganz nach innen gekehrt, auf einer dunklen Bühne am Klavier, 1958 in Mannheim fotografiert von Robert Häusser.
Das Bild war allerdings verschollen. Schließlich fand Robert Häussers Tochter Ina das Gesuchte unter den 60.000 Negativen des Häussers-Nachlasses. Die Premiere des Porträts ist die erste und vordergründige Sensation dieser Ausstellung, die aber noch viel mehr zu bieten hat. Ihre drei Protagonisten August Sander, Albert Renger-Patzsch und Robert Häusser stehen für eine zentrale Kunst-Strömung der Moderne, die „Neue Sachlichkeit“.
Die Genauigkeit der Fotografie wird zum Qualitätsmerkmal
Nach dem Ersten Weltkrieg stellten die Künstler die Hehre Ideale des Bildungsbürgertum infrage und rückten das „Reale“ in den Fokus, so Kurator Claude Sui.
Die Genauigkeit der Fotografie, bis dato als mechanisch-seelenloses Verfahren geschmäht, wird jetzt zum Qualitätsmerkmal. Die Gründungsurkunde dieser Betrachtungsweise ist ein Buch von Albert Renger-Patzsch. Gegen den Willen des Fotografen wählte der Verleger den allzu naiven Titel „Die Welt ist schön“.
Claude Sui: „Dieses Buch wurde über Nacht zum Manifest der neuen Sachlichkeit, weil hier zum allerersten Mal gezeigt wurde, wie man das Medium Fotografie mit einer gebauten Ordnung, mit klaren Formen einsetzt.“
Die Ausstellung zeigt das anhand von Industrie-Wahrzeichen wie Zechentürmen unter grauem Himmel: unverdächtig selbst in den Augen der Nazis, die Renger-Patzsch wohl weitgehend gewähren ließen - was für seinen Kollegen August Sander nicht galt.
Dessen unterkühlte Porträts verweigern jedes nationale Pathos. Deswegen zerstörten die Machthaber die Druckstöcke von Sanders Büchern, sein Sohn Erich starb als Regimegegner in Haft. Traumata wie diese sind in August Sanders Werk allenfalls zu ahnen, in Gestalt düsterer Landschaften.
Memento Mori wird zum Leitmotiv im Spätwerk von Häusser
Der 1924 geborene Robert Häusser dagegen drückt seine Befindlichkeit ganz direkt aus. Kurz nach dem Krieg fotografiert er tote Baumstümpfe wie verkrüppelte Stellvertreter seiner von Krieg und Gewalt lädierten Seele.
Das Memento Mori wird zum Leitmotiv im Spätwerk von Häusser. Er inszeniert ein Selbstporträt als halbnackter Gefangener, und sein wohl berühmtestes Bild eines verhüllten Rennwagen wird zur prophetischen Sarg-Metapher, als der damalige Formel-Eins-Champion Jochen Rindt kurz nach Häussers Aufnahme in eben jenem Wagen tödlich verunglückt.
Die Mannheimer Ausstellung läuft auf diese Ikone zu, aber sie erschöpft sich eben nicht darin. Sondern lässt ihren Lokal-Matador in seiner ganzen fotografischen Vielfalt hochleben – ein passendes Präsent zum 100. Geburtstag!
Fotokunst bei SWR Kultur
Gespräch Andy Reiner zeigt in seinen Fotos die dunklen Seiten des Lebens
Vor ungefähr 15 Jahren begann er professionell als Fotograf zu arbeiten. Früher seien seine Fäuste seine Waffe gewesen, heute sei es die Kamera, sagt Reiner.
Ausstellung Surrealismus - Welten im Dialog in Heilbronn
Die Kunsthalle Vogelmann Heilbronn zeigt, wie sich der Surrealismus in Werken von Künstlern der Avantgarde sowie in der zeitgenössischen Kunst widerspiegelt. Zu sehen sind 120 hochkarätige Exponate von knapp 60 Künstlerinnen und Künstlern: Grafiken, Objekte, Fotografien und Filme.