Wälder, Wiesen und Felder im Appenzellerland: Ueli Alders Landschaftsfotografien wirken zeitlos. Doch Details wie verlassene Höfe oder ein verfallenes Bauernhaus verweisen auf den tiefgreifenden Wandel in der Ostschweizer Kulturlandschaft. Nun wird der Fotograf mit dem Konstanzer Kunstpreis geehrt.
Blätterwälder im Chlorophyll-Filter
Scarlett light – das im Titel der Schau angekündigte „scharlachrote Licht“ ist tatsächlich das Erste, was einem auf den Landschaftsfotografien Ueli Alders ins Auge springt. Dichte Blätterwälder, Wiesen, langgezogene Felder erscheinen grell rötlich eingefärbt.
Ein digitaler Kunstgriff? Nein. Ueli Alder hat dafür lediglich einen Infrarot-Film in seine Kamera eingelegt: „Ich zeige die Welt in einem Spektrum, wie wir sie mit unseren Augen nicht sehen können – wie es nur die Maschine kann“. sagt Alder.
Das Ergebnis sind Falschfarben. „Überall da, wo Chlorophyll drin ist, wird das Grün zum Rot.“
Wie der Klimawandel die Landschaft verändert
So leuchtet etwa der Wald oberhalb eines 500 Jahre alten Bauernhauses ganz in Rot. Zwischen den Bäumen haben sich Mulden mit Geröll gebildet - das Resultat von Starkregen.
Auf den Wiesen liegen abgestorbene Äste herum. Hier lebt und arbeitet niemand mehr. „Auch die Kulturlandschaft von der Ostschweiz ist vom Klimawandel, also von Unwettern und zu viel Regen betroffen. Und davon, wie wir die Landschaft ausbeuten.“
Strukturwandel im Appenzell
Veränderung, das Appenzell früher, das Appenzell heute spielen, eine große Rolle im Werk von Alder. Sein 2003 verstorbener Vater, Ruedi Alder, war einer der bekanntesten Bauernmaler im Appenzell. Detailreich und filigran hielt er die Landschaft und das Brauchtum in einer Heile-Welt-Stimmung fest.
Sein Sohn gleicht nun seine Fotografien an diesen Gemälden ab. Die alten Bauernhäuser gebe es zum Teil nicht mehr. „Oder man lässt sie stehen und verkommen. Es gibt immer weniger Bauern, die immer mehr Land haben. All diese Häuser braucht es nicht mehr.“
Fotos erzählen Geschichten aus der Heimat
Ueli Alder ist 1979 im Appenzell geboren. Er macht zunächst eine Lehre als Kunststofftechnologe und studiert dann an der Hochschule der Künste in Zürich Fotografie.
Bereits in der Fotoserie seiner Abschlussarbeit zeigt er einen starken erzählerischen Stil. Er inszeniert seine Heimat zwischen Appenzeller Idylle und Wildem Westen – tritt dabei selbst mal als Lonesome Cowboy, mal als Älpler in Tracht auf, zieht mit Kühen auf die Alp, watet wie ein Bauer mit Pfeife durch tiefen Schnee.
Verlust der Heimat und Rückkehr
Arbeiten, die auch für eine Auseinandersetzung nach einem großen Verlust stehen: Nach dem frühen Tod beider Eltern kurz vor Studienbeginn habe der Künstler seine Heimat zurücklassen müssen. Erst für die Abschlussarbeit kehrte er zurück: "Da habe mich mit dem kulturellen Erbe meines Vaters und der Kultur meiner Heimat auseinandergesetzt."
Nach seinem Abschluss zieht es ihn mit einem Stipendium tatsächlich in die USA. Am „Art Institute“ in Chicago lernt er alte fotografische Techniken kennen. Bis heute prägen sie sein künstlerisches Schaffen.
„Ich betrachte mich als Handwerker“
Wie etwa Cyantopie, ein nachhaltiges und umweltverträgliches Druckverfahren, wofür er die Chemikalien selbst zusammenmischt. „Ich brauche Technik, um das sagen zu können, was ich möchte. Ich betrachte mich als Handwerker. Ich muss selbst Hand anlegen.“
Das sieht man in seinem Atelier, das sich im Erdgeschoss seines 300 Jahre alten Hauses in einem Ostschweizer Dorf befindet: alte Plattenkameras, Reagenzgläser. Aber auch Laptops und Drucker.
Analoge Fotografie schafft Unikate
Alder nutzt auch digitale Technik – und sei es nur, um eine Fotografie aussehen zu lassen, als sei sie uralt. Das Analoge, der aufwendige Abzug nur eines Fotos, ist für Alder jedoch viel entscheidender.
Dadurch kann er, wie ein Maler, Unikate schaffen. Im Konstanzer Kunstverein kann man sehen, wie authentisch dadurch die Arbeiten des neuen Konstanzer Kunstpreisträgers wirken.