Die Zahl der Todesfälle durch Hautkrebs ist in Deutschland binnen 20 Jahren um 55 Prozent gestiegen. Woran liegt das? Und was kann man tun, um sich zu schützen? Ein Gespräch mit dem Hautarzt Professor Rudolf Herbst.
Auch wenn es sich in diesem Jahr bisher noch nicht so angefühlt hat, der Sommer kommt und damit auch der Sonnenbrand. Wir alle wissen, zu viel Sonne ist gefährlich. Stichwort Hautkrebs.
Während im Jahr 2021 etwa 4.100 Menschen daran starben, waren es 2001 gut 2.600 solcher Todesfälle, wie das Statistische Bundesamt in Wiesbaden mitteilte. Das ist ein Anstieg um 55 Prozent. Im selben Zeitraum erhöhten sich die Todesfälle wegen Krebserkrankungen insgesamt nur um zehn Prozent. Betroffen sind vor allem ältere Menschen.
SWR2 Redakteur Stefan Troendle im Gespräch mit Professor Rudolf Herbst, Chefarzt der Klinik für Hautkrankheiten am Helios-Klinikum in Erfurt und Leiter des Hauttumorzentrums.
Stefan Troendle, SWR2: Inwiefern spielt beim Thema Hautkrebs das Alter eine Rolle? Ist das jetzt die späte Rache der frühen Sonnenbrände?
Professor Rudolf Herbst: Das ist sehr gut formuliert. Es ist aber nicht nur die späte Rache der frühen Sonnenbrände, sondern es ist auch die späte Rache der kontinuierlichen UV-Exposition. Und da geht es nicht nur um die Sonne, sondern auch um künstliches UV-Licht und über ein immer länger werdendes Leben.
Stefan Troendle, SWR2: Sind die UV-Strahlen aggressiver, also intensiver geworden?
Professor Rudolf Herbst: Das ist die Frage nach dem berühmten Ozonloch. Die UV-Strahlen sind an bestimmten Regionen der Erde möglicherweise marginal aggressiver geworden. Aber das hat für die Zunahme der Hautkrebsraten höchstens eine marginale Bedeutung, zumindest in unseren Breiten. Es hat vielmehr mit dem Freizeitverhalten und vor allem mit dem Schönheitsideal der Menschen aktuell zu tun.
Stefan Troendle, SWR2: Warum ist die Zahl der Hautkrebsfälle in den letzten 20 Jahren so stark gestiegen? Cremen sich die Leute nicht richtig an?
Professor Rudolf Herbst: Wir haben den Menschen viele Jahre die Sache falsch erklärt: Wir haben immer gesagt, geht nicht in die Sonne. Letztendlich müssen wir den Menschen beibringen, dass Braun sein nicht gesund ist. Die Bräune ist eine Abwehrreaktion der Haut, und zeigt bereits indirekten DNA-Schaden an. Und dieser DNA-Schaden führt, früher oder später, unweigerlich zu Hautkrebs.
Stefan Troendle, SWR2: Hat Hautkrebs immer mit Sonneneinstrahlung und mit mangelndem Schutz und vorhergegangenen Sonnenbränden zu tun?
Professor Rudolf Herbst: Da muss man ein bisschen unterscheiden. Letztendlich ist es so, dass der helle Hautkrebs häufig mit chronischer langandauernder UV-Belastung zu tun hat.
Während die intermittierende starke Sonnenbestrahlung, also zum Beispiel durch regelmäßige Sonnenurlaube, die sich die Menschen auch in den letzten Jahrzehnten viel mehr leisten konnten als in den Jahrzehnten davor, hat eher mit dem sogenannten schwarzen Hautkrebs, also dem malignen Melanom, zu tun.
Stefan Troendle, SWR2: Also im Zweifelsfall lieber in den Schatten gehen?
Professor Rudolf Herbst: Das reicht eben nicht aus. Ganz deutlich: man sollte nicht braun werden. Im Schatten kommen immer noch über 50 Prozent des UV-Lichts an. Sie können auch im Schatten Sonnenbrand kriegen. Es geht tatsächlich darum, nicht braun zu werden.
Stefan Troendle, SWR2: Wie kann man Hautkrebs erkennen? Ist es erst mal eine Verfärbung oder gibt es da schon eine Art Schorf oder Leberfleck?
Professor Rudolf Herbst: Vorsichtig sollte man werden, bei allen Stellen, die schnell auftreten, also sich schnell vergrößern, die vielleicht bluten, jucken oder anderweitig Beschwerden machen. Und dann ist es auch noch ein bisschen abhängig vom Alter. Bei einem Heranwachsenden ist es durchaus normal, dass da sogenannte Leberflecken dazu kommen. Wenn ein mittelalter Mann oder auch eine mittelalte Frau auf einmal neue Leberflecken entwickelt, dann sollte man hellhörig sein. Sinnvoll ist es, regelmäßig zum Hautkrebs-Screening gehen. Da wird man von Dermatologinnen und Dermatologen untersucht, die dafür eine fünfjährige Ausbildung gehabt haben.
Das Termin-Bekommen ist ein sehr, sehr großes Problem. Im Zweifel empfiehlt es sich, direkt zum Hausarzt zu gehen, der kann dann vielleicht dafür sorgen, dass man schneller einen Termin beim Haut Facharzt kriegt.
Stefan Troendle, SWR2: Krebs klingt ja erstmal sehr gefährlich. Wie gefährlich ist Hautkrebs denn überhaupt?
Professor Rudolf Herbst: Das kommt auf die Art von Hautkrebs an. Grob unterschieden wird immer zwischen hellem Hautkrebs und dem sogenannten schwarzen Hautkrebs. Wobei wir die Bezeichnung gar nicht so gerne mögen. Also da geht es ums maligne Melanom. Das ist ein Tumor der Pigmentzellen. Ganz grundsätzlich ist das maligne Melanom, wenn es fortgeschritten ist, deutlich gefährlicher als die hellen Hautkrebsarten, also das Basalzellkarzinom und das Plattenephithelkarzinom. Deswegen ist beim malignen Melanom die frühe Erkennung und frühe Operation viel wichtiger als beim hellen Hautkrebs.
Und dann gibt es noch eine Reihe seltenerer Hautkrebserkrankungen, wie zum Beispiel das Merkelzellkarzinom, was aber auch stark zunimmt, insbesondere in der älteren Bevölkerung. Diese Hautkrebsart wächst sehr schnell und sollte deswegen auch möglichst sehr schnell behandelt werden.
Stefan Troendle, SWR2: Wie kann man Hautkrebs therapieren? Nur mit einem Skalpell?
Professor Rudolf Herbst: Nein, sehr frühen hellen Hautkrebs kann man zum Beispiel auch mit einer Cremetherapie behandeln oder auch vereisen. Wenn es größere Tumore sind, dann ist die Therapie der ersten Wahl tatsächlich die chirurgische Exzision, heißt Operation. In den allermeisten Fällen ist es auch in örtlicher Betäubung möglich. Und sollte der Tumor bereits gestreut haben, gibt es heutzutage deutlich bessere Behandlungsmöglichkeiten als noch vor zehn Jahren, insbesondere beim schwarzen Hautkrebs, also beim malignen Melanom.
Stefan Troendle, SWR2: Was kann man tun, um sich vor Hautkrebs zu schützen? Gibt es da klassische Fehler, die die Menschen machen?
Professor Rudolf Herbst: Ja, da gibt es einen ganz großen klassischen Fehler: Die meisten Menschen nehmen zu wenig von den Sonnenschutz Präparaten.
Aber wir sollten vielleicht erst anders anfangen: Es geht eigentlich schon mit einer Verhaltensänderung los, und das ist ja oft das schwierigste. Wenn ich beispielsweise einen großen Garten habe oder gerne irgendwelchen Sport draußen treibe, empfiehlt es sich, wenn es sich vermeiden lässt, das nicht zwischen elf und 15 Uhr am Tag zu machen, weil da ein Großteil der UV-Belastung auf uns einwirkt.
Außerdem sollte man auf textilen UV-Schutz achten, das heißt eben langärmelige Kleidung, möglicherweise Handschuhe und ähnliche Dinge.
Und erst danach kommen die Sonnencremes, die möglichst einen hohen Lichtschutzfaktor haben sollten, ich empfehle eigentlich nichts mehr unter Lichtschutzfaktor 50, und die vor allem in ausreichender Menge angewendet werden müssen. Mittlerweile steht fast auf allen Hautschutz Präparaten hinten drauf, wie viel man nehmen muss. Ein erwachsener Mensch braucht für einen Körper mindestens drei Esslöffel.
Stefan Troendle, SWR2: Was halten Sie bei Kindern von Sonnenschutzkleidung?
Professor Rudolf Herbst: Es muss nicht unbedingt möglicherweise recht teure Sonnenschutzkleidung sein. Kleidung an sich ist wichtig: Eine eng gewebte Kleidung schützt besser als eine locker gewebte, das kann man sich ganz einfach merken. Da kommt weniger durch und dunkle Kleidung schützt besser als helle Kleidung. Wenn man sich zertifizierte Lichtschutz Kleidung zulegen will, kann man das auch tun. Aber ganz grundsätzlich ist die Idee das textilen UV-Schutzes sehr gut.
Erfolge, Chancen und Risiken Die Krebsfrüherkennung rettet Leben
Krebs trifft jeden Zweiten, im Mittel im Alter um die 70. Wichtig also, regelmäßig zur Krebsfrüherkennungsuntersuchung gehen.