Anders als die meisten anderen Ameisenarten verlassen sich Wüstenameisen bei der Nahrungssuche nicht auf Duftspuren, sondern auf das Erdmagnetfeld. Das zeigt eine neue, internationale Studie.
Wüstenameisen setzen bei der Nahrungssuche ein erstaunliches Navigationssystem. Bei ihren ersten Erkundungsgängen nutzen junge Wüstenameisen das Erdmagnetfeld, um ihre Umgebung zu erforschen und Futterquellen zu finden. Das haben Wolfgang Rössler, Professor für Verhaltensphysiologie und Soziobiologie von der Universität Würzburg und sein internationales Forschungsteam in einer neuen Studie herausgefunden.
Wüstenameisen kalibrieren Gehirn durch einen Testlauf
In einer frühen Lebensphase müssen sich junge Wüstenameisen zunächst an das Erdmagnetfeld anpassen, um sicher zu stellen, dass sie wieder zum Nest zurückfinden. Sie kalibrieren dabei ihr Gehirn mit dem Erdmagnetfeld, um dann mithilfe ihres Sonnenkompasses nach erfolgreicher Futtersuche in das Nest zurückkehren zu können.
Das funktioniert, indem die Cataglyphis nodus, wie die Wüstenameisen eigentlich heißen, zu Beginn ihrer Expedition in Schleifen laufen und immer wieder zum Nest zurückblicken. Dabei werden die visuellen Impulse, also die Bilder, die sie wahrnehmen, mit der Position innerhalb des Erdmagnetfelds verknüpft.
Genau wie bei Menschen, die sich beim Stadtbummel immer wieder umdrehen, fällt der Heimweg dadurch leichter. Die Forschenden bezeichnen das als "Wegintegration" der Ameisen.
Einfluss des Magnetfelds auf das Ameisenhirn
Bei den meisten anderen Ameisenarten geschieht diese Wegintegration mithilfe sogenannter Spur-Pheromone. Sie merken sich den Weg also anhand von Düften. In wärmeren Regionen funktioniert das allerdings nicht, weshalb die Cataglyphis-Ameise, die unter anderem in Südgriechenland vorkommt, andere Wege finden musste, sich zu orientieren.
Das Erdmagnetfeld, das als konstanter Orientierungspunkt dient, verändert sogar die Hirnstruktur der Ameisen. Bei den Ameisen, die sich an dem durch das Forschungsteam manipulierten Magnetfeld orientierten, konnten keine neuronalen Veränderungen gefunden werden.
Die Analysen der ungefähr einen Millimeter großen Ameisenhirne ergaben, dass sie ein kleineres Volumen und weniger synaptische Komplexe in dem Bereich hatten, der für die Integration visueller Informationen und das Lernen zuständig ist. Das Erdmagnetfeld wird also nicht nur zur Navigation benötigt, sondern ist auch enorm wichtig für das räumliche Gedächtnis der Wüstenameisen.
Magnetische Orientierung im Tierreich bereits bekannt
Die Orientierung anhand des Magnetfelds der Erde nutzen neben den Wüstenameisen auch andere Tiere. Zugvögel orientieren sich bei ihren langen Flügen ebenfalls an der Magnetfeldlinien der Erde, wobei sie zur Erfassung des Magnetfeldes dieselbe Hirnregion nutzen, die auch bei der visuellen Wahrnehmung aktiv ist.
Auch fliegende Insekten, wie Honigbienen oder Wespen können keine Duftspuren legen und greifen daher sehr wahrscheinlich ebenfalls auf das Erdmagnetfeld zurück.
Rätsel um sensorische Organe
Das Forschungsteam um Rössler will in künftigen Studien herausfinden, welche sensorischen Organe der Ameisen bei der Erfassung der magnetischen Information eine Rolle spielen. Der große Vorteil bei der Untersuchung von kleinen Tieren wie Ameisen sind ihre überschaubaren – weil relativ kleinen – Nervensysteme.
Mit circa einer Million Nervenzellen im Ameisenhirn sind sie weit entfernt vom Menschen, dessen Gehirn aus ungefähr 86 Milliarden Nervenzellen besteht. Die Frage, wie Ameisen das Magnetfeld wahrnehmen und wie die Information innerhalb ihres Nervensystems verarbeitet wird, können Forschende also vielleicht bald beantworten.
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