Zum ersten Mal ist es Forschenden gelungen, Vorläufer menschlicher Embryonen ohne Befruchtung im Labor zu erzeugen. Wie bedenklich sind diese Experimente? Was sollen sie bringen?
Erstmal klingt es gruselig: Vorläufer menschlicher Embryonen aus der Petrischale – erzeugt aus umprogrammierten Zellen, ohne Befruchtung. Dazu sind jetzt im Fachblatt „Nature“ gleich zwei Studien erschienen: eine aus den USA und eine aus Australien. Beide Gruppen haben Zellstrukturen heranwachsen lassen, die menschlichen Blastozysten ähneln. Blastozysten sind eine frühe Etappe auf dem Weg zum Embryo.
Embyro-artige Strukturen könnten sich nicht zu lebensfähigem Baby entwickeln
Das amerikanische Forscherteam hat dafür Stammzellen genutzt, die Australier haben spezielle Bindegewebszellen verwendet. Daraus sind jeweils sogenannte Blastoide herangewachsen: also kugelförmige Gebilde aus etwa 200 embryonalen Zellen. Natürlich lassen solche Versuche gleich die Alarmglocken klingeln: Könnte sich aus diesen embryo-artigen Strukturen theoretisch ein richtiger Embryo, am Ende gar ein lebensfähiges Baby entwickeln? Die Antwort ist ein klares Nein.
Zellhaufen, keine Embryos
Die Forscherinnen und Forscher betonen, dass es entscheidende Unterschiede zu echten menschlichen Blastozysten gibt. „Es sind keine Embryos, es sind Zellhaufen“, das haben die Autoren der beiden aktuellen Nature-Studien in einem Pressegespräch immer wieder betont. Die Blastoide entwickeln sich dreimal langsamer als echte Embryonen, wichtige Elemente fehlen.
Experimente wurden nach vier Tagen gestoppt
Ob diese Zellstrukturen sich theoretisch in einer Gebärmutter einnisten könnten, ist offen – einige der künstlich erzeugten Blastoide konnten sich zwar an zellbesetzte Plastikschalen anheften. Das ist mit einer echten Einnistung aber nicht vergleichbar. Alle Experimente wurden vier Tage nach der Blastoiden-Entwicklung gestoppt.
Forschende erhoffen sich neue Erkenntnisse über Fehlgeburten und Störungen in der Frühphase menschlicher Entwicklung
Trotz der Einschränkungen sehen die beiden Forscherteams die Blastoiden als Meilenstein für die Wissenschaft: Sie wollen damit neue Erkenntnisse über Fehlgeburten, Unfruchtbarkeit und Störungen in der Frühphase menschlicher Entwicklung gewinnen. Allerdings sind einige Fachkollegen skeptisch, ob die Embryonen-Modelle aus der Petrischale wirklich so aussagekräftig sind wie gehofft.
Blastozysten könnten für Medikamententests genutzt werden
Für die Grundlagenforschung und auch zum Testen von Medikamenten und Giftstoffen aber gelten die Blastoide als wichtiger Fortschritt: Bisher konnten Wissenschaftler nur echte menschliche Blastozysten nutzen, die Paare nach künstlicher Befruchtung für die Forschung gespendet hatten. Davon gab es immer nur sehr wenige, außerdem sind die ethischen Vorbehalte erheblich. Die künstlichen Blastoiden könnten nun – zumindest für einige Fragestellungen – zur ethisch unproblematischen Alternative werden.
Forschung ist derzeit eine rechtliche Grauzone
Rechtlich ist die Forschung damit derzeit eine Grauzone: Die strengen Regeln des deutschen Embryonenschutzgesetzes gelten vermutlich nicht – eben weil es keine Embryonen sind. Die Internationale Gesellschaft für Stammzellforschung will aber in den nächsten Wochen aktualisierte Richtlinien veröffentlichen.
Die wichtigste geplante Regel: Künstliche Blastoide sollen nie in eine tierische oder menschliche Gebärmutter übertragen werden. Mit weiterem medizinischem Fortschritt kann nämlich niemand ausschließen, dass die geschaffenen Zellhaufen sich dem Original immer weiter annähern. Dann wäre die Weiterentwicklung zum Embryo vielleicht doch irgendwann möglich. Zumindest in näherer Zukunft ist das aber höchst unwahrscheinlich.