Die Studienplätze für Medizin und Pharmazie werden das erste Mal nach neuen und faireren Wettbewerbskriterien verteilt. Wie funktioniert das in der Praxis?
Das Bundesverfassungsgericht hatte im vergangenen Jahr das bisherige Verteilungsverfahren für Medizinstudienplätze in mehreren Punkten kritisiert und Veränderungen angemahnt. Neben dem Fach Humanmedizin haben die Bundesländer nun auch die Platzvergabe in der Tier- und Zahnmedizin und der Pharmazie reformiert.
Bewerben konnte man sich jetzt auch zum ersten Mal an allen Wunschuniversitäten und dazuhin gleichzeitig für mehrere Numerus-Clausus-Fächer – insgesamt 12 Bewerbungen waren pro Nase möglich. Die Bewerbungsfrist für das Sommersemester 2020 ist jetzt abgelaufen. So werden die Studienplätze jetzt nach dem neuen Verfahren verteilt:
Wartezeit soll bei Vergabe von Medizin-Studienplätzen keine Rolle mehr spielen
Abiturnote, Numerus-Clausus-Länderquoten, Sozialdienst, Berufsausbildung, Eignungstest - all das kann jetzt in das Ranking für einen Medizinstudienplatz eingerechnet werden. Was in Zukunft nicht mehr zählt, ist die Wartezeit. Hier gibt es nur noch eine Übergangsfrist für Alt- Bewerber, die bereits länger in der Warteschleife sind. Erstmals laufen Bewerbung und Vergabe komplett über das Online-Portal namens Hochschulstart der Stiftung für Hochschulzulassung.
In der nun laufenden Woche gleicht das Vergabeportal die Bewerbungen mit den Anforderungen der Universitäten ab. Dabei gelten neue Bedingungen:
- 30 Prozent der Studienplätze werden über die Abiturbestenquote verteilt – bisher waren das nur 20 Prozent. Das Bundesverfassungsgericht hatte das Gefälle der Abinoten und ihre fehlende Vergleichbarkeit von Bundesland zu Bundesland kritisiert. Deshalb kommt jetzt ein komplizierter Algorithmus zum Einsatz, der die Abiturienten zuerst mit den Abiturienten im eigenen Bundesland vergleicht. Dafür gibt es Punkte, mit denen sie dann auf eine bundesweite Rangliste einsortiert werden.
- Zum ersten Mal wird auch die zusätzliche Eignungsquote angewandt, in der die Abinote keine Rolle spielen darf. 10 Prozent der beliebten Studienplätze gehen über diese Quote raus. Hier kann jede Uni eigene Schwerpunkte setzen- also zum Beispiel festlegen, wieviele Punkte sie für eine Berufsausbildung als Hebamme oder als Physiotherapeut gibt oder wie hoch sie einen freiwilligen oder sozialen Dienst veranschlagt. Außerdem können zum Beispiel auch Erfolge bei Jugend forscht und anderen Wettbewerben eingerechnet werden.
- Außerdem fallen in die 10 % Quote auch noch die Altfälle mit Wartezeit.
- Der größte Batzen, nämlich 60% der Studienplätze, wird weiter über das Auswahlverfahren der Hochschulen vergeben. Da darf zwar immer noch die Abinote mit einbezogen werden, aber das BVG hat vorgeschrieben, dass zwingend auch notenunabhängige Kriterien dazu kommen müssen. Das sind in der Regel die, die auch bei der Eignungsquote mit einfliessen können.
Keine persönlichen Interviews und Auswahlgespräche
Wieviele Punkte es für die Erfüllung dieser Zusatzkriterien gibt, kann man auf den Onlineseiten von Hochschulstart einsehen. Übrigens haben alle Unis für das Sommersemester 2020 auf persönliche Interviews und Auswahlgespräche verzichtet.
Je nach Punkten werden jetzt die Studienplätze verteilt. Das bedeutet die Studieninteressierten bekommen in der laufenden Woche bis zum 24. Januar Studienangebote unterbreitet. Dabei können sie sich sofort für ein Angebot entscheiden oder auch noch warten, ob noch andere attraktivere Angebote eintrudeln.
Ab dem 24. Januar bekommen sie dann eine Zulassung für das beste Studienangebot. Das Beste ist das, welches mit der Rangliste der Studienbewerber am besten übereinstimmt. Wer kein Glück hatte, der bekommt einen Ablehnungsbescheid und kann dann noch am koordinierten Nachrückverfahren teilnehmen. Das läuft bis zum 31. März 2020.
Mit dem neuen Vergabevefahren gibt es noch einige Probleme
Die Stiftung für Hochschulzulassung ist vor knapp zehn Jahren an den Start gegangen und hatte damals versprochen, wir machen dieses Studienplatzverteilverfahren transparenter und durch die Digitalisierung nutzerfreundlicher.
Eine Einschätzung des Bildungsexperten Armin Himmelrath:
Leider ist das eine Hängepartie geworden bis heute. Das Bewerbungsverfahren für einen Medizin- Studienplatz ist kompliziert. Man muss sich da sehr intensiv einlesen. Jemand, der gerade frisch sein Abitur hat und sich für ein Studium interessiert, der kann daran schon verzweifeln.
Kompliziertes Bewerbungsvefahren
Die Plattform Hochschulstart soll eigentlich den Bewerbungsprozess um einen Studienplatz vereinfachen. So ist die Bewerbung heute zwar sehr kompliziert in der Umsetzung, doch das ist immer noch eine Vereinfachung gegenüber einer Einzelbewerbung an jeder Hochschule.
Wenn wir uns zum Beispiel das Fach Medizin anschauen, da gibt es rund 10.000 Studienplätze in Deutschland pro Jahr, die belegt werden und fünf bis siebenmal so viele Bewerberinnen und Bewerber. Die könnten jetzt alle an jede einzelne medizinische Hochschule einen Brief schreiben und müssten dann überall eine beglaubigte Zeugniskopie dazulegen. Außerdem müssten sie einzelne Motivationsschreiben formulieren und dazuhin alles beilegen, was möglicherweise wichtig ist.
Verschiedene Auswahlkriterien für verschiedene Bundesländer
Der Vorteil dieser zentralen Vergabe ist nun, dass die Studienbewerber das Ganze eben nur einmal abschicken. Das große Ziel der Stiftung Hochschulstart ist, dass letztlich jeder, der sich für ein bestimmtes Fach interessiert, das zunächst einmal dort zentral eingeben kann, sich zentral bewirbt und dann eben ein möglichst zentrales, schnelles, transparentes Auswahlverfahren entsteht.
Das ist natürlich kompliziert, weil die Hochschulen da ganz schön viel mitzureden haben. Die Bundesländer übrigens auch. Das heißt, wir haben irgendwie 300 bis 400 Hochschulen in Deutschland. Wir haben 16 Bundesländer und deren ganze Interessen müssen erst mal unter einen Hut gebracht werden. Das ist natürlich auch eine wahnsinnige Herausforderung.
Das Portal verteilt also die Bewerbungen an die Unis und meldet die Zusagen wieder an die Studienbewerber zurück. Das ist die Grundidee. Im Fach Medizin müssen nun aber auch Vorgaben vom Bundesverfassungsgericht berücksichtigt werden. Jetzt kann eine Uni sagen, für uns ist zum Beispiel ein Biologie Leistungskurs wichtig. Den würden wir als Pluspunkt werten. Eine andere Uni sagt, wir machen Auswahlgespräche, das ist für uns wichtig. Eine dritte sagt vielleicht wir nehmen Motivationsschreiben und das alles muss jetzt in dieser zentralen Vergabestelle in Dortmund dann zusammengeführt werden bei der Stiftung.
Software zur Studienplatzvergabe noch nicht ausgereift
Das wird natürlich nicht händisch gemacht, sondern man muss Algorithmen dafür entwickeln. Ein weiteres Problem ist, dass die Unis eigene Computerprogramme haben, die zum großen Teil unterschiedlich aufgebaut sind. Sie müssen aber Schnittstellen haben zu dem Programm der Stiftung. Da kommen unglaublich viele Probleme zusammen.
Mittlerweile sagt die Stiftung für Hochschulzulassung, wir brauchen bis 2025 um alle Numerus Clausus Studiengänge in das System zu integrieren. Dafür muss eben eine zentrale Softwarelösung entwickelt werden. Das kostet ordentlich Geld und da müssen wieder alle Bundesländer zustimmen. Also das ist tatsächlich ein Riesenpaket. Da sieht man letztlich, wie schwierig es ist, im Bildungsföderalismus eine zentrale Entscheidungsinstanz aufzubauen.