Wie treffen Straftäter ihre Entscheidungen und was geht in ihnen vor, während sie eine Straftat begehen? Das wollen Forschende aus Freiburg im Virtual-Reality-Labor herausfinden.
Im Jahr 2022 ist die Zahl der Wohnungseinbruchdiebstähle bundesweit wieder gestiegen – um 21,5 Prozent auf 65.908 Fälle (2021: 54.236 Fälle). Die Einbrecher verursachten dabei einen Schaden von mehr als 280 Millionen Euro. Die Aufklärungsquote ist mit nur 16,1 Prozent nach wie vor relativ niedrig.
Jeder kann zum Opfer werden. Dass in Wohnungen oder Häuser eingebrochen wird, geschieht in Deutschland statistisch 180-mal pro Tag. Die Erfolgsaussichten der Einbrecher sind hoch, die Aufklärungsquote ist niedrig. Das stellt ein großes Problem für Gesellschaft, Justiz und Polizei dar, das Forschende am Freiburger Max-Planck-Institut zur Erforschung von Kriminalität, Sicherheit und Recht lösen wollen.
In Virtual Reality Umgebungen wird untersucht, wie Einbrecher ihre Tatorte aussuchen
Das Team nutzt Techniken der Virtuellen Realität, um Straßen, Wohngebiete und Nachbarschaften im Computer nachzubauen und testet anschließend mit freiwilligen Probanden, ob ihr neuer Forschungsansatz zur Verbrechensbekämpfung funktioniert.
Die Kriminologen wollen herauszufinden, nach welchen Kriterien Einbrecher ihre Tatorte aussuchen, worauf sie vor der eigentlichen Straftat achten und wie sie die jeweilige Umgebung analysieren – und das weltweit.
Wie Patrick McClanahan, Kriminologe am Max-Plack-Institut (MPI) zur Erforschung von Kriminalität, Sicherheit und Recht erklärt, ist es sehr wichtig, dass die virtuellen Umgebungen so geschaffen werden, dass sie das jeweilige Land oder eine bestimmte Umgebung widerspiegeln können:
Gesetztestreue Bürger werden mit Straftätern verglichen
Das System erfasst die Kopf- und Augenbewegungen der Probanden – und liefert so Informationen darüber, wie gesetzestreue Bürger auf die virtuellen Wohngebiete schauen. Die Vergleichsgruppe bei diesem Projekt steht auf der anderen Seite des Gesetzes. In der Justizvollzugsanstalt Bruchsal haben sich über 60 Strafgefangene, die wegen Einbruchsdelikten verurteilt wurden, bereit erklärt, am Forschungsprojekt des Freiburger Max-Planck-Instituts teilzunehmen.
Die verurteilten Straftäter sollen nun die virtuellen Häuser und Wohngebiete so erkunden, als ob sie dort einen Einbruch planen würden. Durch den Vergleich mit Nicht-Straftätern will man dann das spezifische Verhalten von Einbrechern herausfiltern, so die zumindest die Idee.
Die Forschenden wollen letztlich auch herausfinden, ob das Eintauchen in die virtuelle Realität durch Hafterfahrungen beeinflusst wird, erklärt Kriminologe Dominik Gerstner:
Virtuelle Realitäten sind ein hilfreiches Werkzeug, um kriminelles Verhalten zu studieren
Die ersten Ergebnisse zeigen: Die virtuelle Welt funktioniert, die Einbrecher agieren tatsächlich ähnlich wie in echten Umgebungen. Ein Erfolg für die Idee von Jean-Louis van Gelder. Der Direktor am Freiburger Max-Planck-Institut setzt schon seit über 10 Jahren auf den Einsatz virtueller Techniken bei der Erforschung von Kriminalität und betont den Mehrwert der Methode:
So könne man sagen, dass es erstmals möglich sei, Verbrechen in Aktion zu sehen, sagt van Gelder. Das mache virtuelle Realitäten zu einem sehr guten Werkzeug, das in allen Bereichen der Sozialwissenschaften funktioniere, besonders für diese versteckten Verhaltensweisen, erklärt der Forscher weiter.
Verhaltensmuster der Einbrecher sollen Maßnahmen zur Verhinderung von Verbrechen aufzeigen
Die Beobachtung, wie Straftäter in einer Virtuellen Realität agieren, liefert offensichtlich bessere Erkenntnisse, als wenn man sie nur interviewt oder einen Fragebogen ausfüllen lässt. Die Max-Planck-Forscher wollen nun neue Ansätze zur Verhinderung von Einbrüchen entwickeln, indem sie bestimmte Muster im Verhalten von Einbrechern erkennen.
Beispielsweise achten Einbrecher darauf, ob es gute Fluchtmöglichkeiten gibt oder bestimmte Gegenstände, die sie verwenden können, um in Fenster einzusteigen, sagt Dominik Gerstner. Derartige Faktoren können mithilfe der virtuellen Umgebung identifiziert werden, in der die Forschenden unmittelbar dabei sein können und durch das Design der Umgebung direkt eingreifen können, erklärt Gerstner.
Das Labor des Freiburger Max-Planck-Instituts ist das weltweit erste, in dem Virtual-Reality-Technik eingesetzt wird, um kriminelles Verhalten zu erforschen. Und das scheint wichtiger denn je, denn die Zahl der Wohnungs- und Hauseinbrüche steigt weiter an – und vorher genau zu wissen, wie ein Einbrecher seinen Tatort auswählt, verhindert dann vielleicht, ihm später in die Augen schauen zu müssen.
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