Starkregen führte zuletzt zu massiven Überschwemmungen. Wie gut können Meteorolog*innen solche Wetterereignisse vorhersagen und wie können wir uns davor schützen? Ein Gespräch mit dem Extremwetterforscher Prof. Michael Kunz vom Karlsruher Institut für Technologie.
Professor Michael Kunz vom Karlsruher Institut für Technologie ist Experte für Naturgefahren, also auch für den Starkregen.
Haben Sie mit dieser Katastrophe durch Starkregen gerechnet?
Nein. Das Ereignis, das wir vergangene Woche in Nordrhein-Westfalen und in Rheinland-Pfalz hatten, war extrem. Ich glaube, das hat alle, die sich mit dem Thema Hochwasser und Starkregen beschäftigen, doch deutlich überrascht.
Wir haben schon immer mal wieder lokale Starkregenereignisse. Die hatten wir in diesem Jahr auch schon vereinzelt, beispielsweise in Bayern oder in Baden-Württemberg. Aber in dieser Intensität, so ein heftiges Ereignis, das hat uns alle sehr überrascht.
Welche Folgen hat dieser Starkregen?
Die Folgen haben wir natürlich gesehen. In dem Fall war das eine katastrophale Überschwemmung – über weite Teile stand das Wasser meterhoch. Die Schäden liegen nach aktuellen Schätzung vom GDV im Versichertenbereich bei vier bis fünf Milliarden Euro. Wir haben selber Überflutungsflächen berechnet und daraus den Schaden geschätzt. Wir kommen so ungefähr auf den Bereich zwischen elf und 25 Milliarden Euro an Gesamtschaden.
Hochwasser birgt gesundheitliche Risiken
Liegt das daran, dass die meisten Flüsse aus ihren Betten ausgetreten sind und diese Überflutungen ausgelöst haben?
Es sind zwei Dinge. Einerseits war das natürlich der sehr hohe Wasserstand, aber es sind auch unabhängig von den Flüssen einige Gemeinden von den riesengroßen Wassermengen mit hohen Fließgeschwindigkeiten getroffen worden.
Ist Starkregen oft mit Hagel verbunden?
Starkregen ist nicht dieser Landregen, den man gemeinhin kennt, wo es über Stunden oder gar Tage regnet. Starkregen ist in der Regel mit Gewittern verbunden. Und Gewitter sind im Extremfall natürlich wiederum auch mit Hagel verbunden.
Haben solche Extremwetterereignisse mit Starkregen weltweit zugenommen?
Das ist ganz schwierig zu sagen, weil solche Ereignisse extrem selten vorkommen. So einen Starkniederschlag mit 200 Millimetern in zehn Stunden, das haben wir ganz selten. Das heißt, da haben wir auch eine ziemliche Unsicherheit in der Statistik.
Was man beobachten kann: Die Feuchtigkeit hat in der Atmosphäre zugenommen. Das ist eigentlich weltweit zu beobachten. Wir sehen das auch in Deutschland. Feuchtigkeit heißt, Gewitter können häufiger und stärker werden. Und es kann auch mehr Niederschlag umgesetzt werden.
Es spricht also tatsächlich etwas dafür, dass die Extreme zugenommen haben. In den Beobachtungen sehen wir sehr unterschiedliches Verhalten. Das liegt aber daran, dass gerade im Sommer Starkniederschlags-Ereignisse hochvariabel sind im Raum und in der zeitlichen Charakteristik.
Das heißt, einzelne Punktmessungen sind schwierig zu analysieren und deren Repräsentanz ist eingeschränkt. Im Sommer sehen wir generell eher eine Abnahme des Niederschlags. Im Winter haben wir ja die Zunahme. Aber diese extremen Ereignisse, das können wir sagen, die haben zugenommen.
Kann man Starkregen immer gut vorhersagen?
Das ist eine gute Frage. In dem Fall war dieses Ereignis vor einer Woche sehr gut vorhergesagt. Wir hatten vor drei Wochen in Baden-Württemberg bei Reutlingen beispielsweise eine Superzelle. Die war hervorragend vorhergesagt. Aber in den Modellen findet man immer mal wieder richtig schwere Gewitterereignisse, die tatsächlich nicht vorhergesagt oder nur unzureichend vorhergesagt sind.
Hat die Vorhersage bei dieser Katastrophe geklappt?
Die Vorhersage war sehr gut. Also, ich hatte mir die Vorhersage noch mal angeguckt. Im Video der Vorhersage wurde tatsächlich gewarnt vor 200 Millimeter großflächigem Niederschlag und es wurde auch das Ahrtal spezifisch genannt. Das war schon sehr gut.
Was hier noch hinzukam, war, dass der Niederschlag nicht innerhalb von 24 Stunden fiel, also nicht über den Tag verteilt, sondern eigentlich in einem Zeitfenster von zehn Stunden. Und da waren noch einmal so drei, vier Stunden richtig maximal. Das sorgt dann für diesen schnellen Abfluss.
Wenn es so gut vorhergesagt wurde, hat man dann einfach nicht auf die Warnung gehört?
Das müssen wir tatsächlich noch einmal analysieren. Wir sehen es bei vielen Ereignissen: Die Warnungen müssen natürlich erst einmal gehört werden, sie müssen ernst genommen werden, und – das ist auch wiederum ein gewisses Problem – man muss dann tatsächlich auch wissen, was zu tun ist.
Es wurde häufig davon berichtet, dass Menschen in ihren Kellern eingeschlossen waren. Das ist natürlich genau das falsche, was man machen kann: in den Keller laufen, um dann noch irgendwelche Wertgegenstände zu sichern. Da reichen wenige Zentimeter, zwanzig, dreißig Zentimeter Wassermengen, die gegen die Türe drücken, die kriegt man nicht mehr auf. Und dann ist man im Keller eingeschlossen.
Was müsste man machen?
Das kommt darauf an: Das Haus zu verlassen bei schnell fließenden Wassermengen ist keine gute Idee. Man sollte sich dann in die höheren Stockwerke begeben und darauf hoffen, dass man von dort aus gerettet wird. Aber das hängt natürlich immer von der Charakteristik des Ereignisses ab. Wenn draußen noch nicht allzu viel Wasser ist, dann ist es erst mal nicht so dramatisch. Aber falsch wäre es, wie gesagt, in den Keller zu gehen.
Was kann und muss man präventiv aus ihrer Sicht tun? Es wird jetzt dafür plädiert, Schwammstädte zu errichten, die Wasser aufsaugen. Ist das der richtige Weg?
Das ist sicherlich ein sehr guter Weg, die sogenannte Schwammstadt. Das heißt mehr Freiflächen schaffen, Versickerungsflächen, Dachbegrünung – damit das Wasser erst einmal gebunden ist und mit einem gewissen zeitlichen Versatz abgegeben wird. Das ist sicherlich sehr gut.
Bei solchen extrem schnellen Hochwasserereignissen hilft es nicht allzu viel. Wenn wir uns das mal auf mehreren Zeitschienen betrachten: langfristig Vorbereitungen treffen, Kellerräume abdichten, Wasserschutz-Barrieren zum Beispiel im Hof oder im Garten. Oftmals reichen da nur wenige Zentimeter – natürlich nicht, wenn das Wasser zwei, drei Meter steht. Dann hat man letztlich keine Möglichkeit, irgendetwas zu tun.
Rückstauklappen, Sandsäcke bereit stellen. Das geht natürlich nur in bestimmten Grenzen und nicht bei Sturzfluten. Vorsorge planen. Vor dem Ereignis: informieren über die Lage, die Warnungen hören, Warn-Apps installieren.
Beim Ereignis, das ist wirklich ganz wichtig: Gefahrengebiete und Gefahrenbereiche meiden. Im Keller gibt es übrigens auch noch die Gefahr des Stromschlags. Und wenn Evakuierungen laufen, sich dann evakuieren lassen.