Tropfen stecken voller wissenschaftlicher Geheimnisse, vor allem, wenn sie auf Oberflächen treffen. Vieles ist noch unerforscht. Die Tropfenforscherin Anne Geppert will das ändern.
„Ein Tropfen ist ein flüssiger Körper, der durch eine Phasengrenzfläche von der Umgebung getrennt und dessen Form wesentlich durch die Grenzflächenspannung bestimmt ist.“ – so definiert die Wissenschaft die zarten, flüssigen Gebilde unterschiedlicher Größe, die wir in unserem Alltag zwar ständig erleben, aber meist wenig beachten:
Etwa, wenn dicke Regentropfen den Biergartenbesuch verkürzen oder wir per Sprühflasche mit kleinen Wassertropfen unsere Grünpflanzen vor der Austrocknung bewahren wollen.
Für die Physikerin Anne Geppert ist die fachliche Auseinandersetzung mit „Tropfen“ jedoch etwas, das der Bezeichnung „Leidenschaft“ sehr nahekommt. Zum Thema „Tropfenforschung“ ist die Forscherin per Zufall gekommen: "Ich wusste vorher auch überhaupt nicht was Tropfendynamik ist, und war dann nach ein, zwei Monaten Arbeit so begeistert, dass ich sag, ja, Tropfendynamik ist mein Thema."
Anne Geppert erforscht mit ihrem Team, was „Tropfen“ in der Welt der Physik so einzigartig macht.
Filmsequenzen in Super-Zeitlupe zeigen Verformung der Tropfen
Für die Tropfenforschung nutzt Anne Geppert am Institut für Thermodynamik der Luft- und Raumfahrt der Uni Stuttgart modernste Kamera-Technik. Bei ihren aktuellen Versuchen lässt sie Tropfen von 1 bis 3 Millimeter Größe aus 50 Zentimeter Höhe auf eine feste Oberfläche fallen.
Das Ganze wird mit bis zu 20.000 Bildern pro Sekunde aus verschiedenen Richtungen aufgenommen. So entstehen kurze Videosequenzen, die in Super-Zeitlupe genau erkennen lassen, wie sich ein Tropfen bildet, wie er sich im Fall verformt und wie er sich verhält, wenn er auftrifft.
Wenn man mit der richtigen Optik drauf schaut, könne man, so Geppert, diesen Prozess, all diese Schritte visualisieren und ganz neue Dinge sehen, wie sich der Tropfen verformt, wie er plötzlich kleinere Tropfen bildet, wie er aufbricht. Für Geppert ist dies ein "WOW-Effekt", hinter die Kulissen schauen zu können und besser zu verstehen, was eigentlich der physikalische Prozess dahinter ist.
Verschiedene Oberflächen, verschiedene Tropfen
Das Labor, in dem Anne Geppert mit ihrem Team an Tropfen forscht, hat mehrere Versuchsstände und viele Monitore, auf denen langsam fallende Tropfen zu sehen sind. Sie treffen auf verschiedene Oberflächen wie beispielsweise feste, flüssige, glatte und strukturierte. Dabei ändert das Team immer wieder Größe und Fallhöhe der Forschungsobjekte. Jedes Mal laufen andere unbekannte Prozesse ab.
Doch nicht nur Wassertropfen filmt das Forschungsteam, um der Physik dahinter auf die Spur zu kommen, sondern auch viele andere Flüssigkeiten wie Silikonöl oder Ethanol.
Tropfen prägen unseren Alltag
Die Verbindung ihrer Tropfenforschung mit unserem Alltag und zur konkreten Anwendung ist für Anne Geppert wichtig. Sie arbeitet daher bei ihren Projekten immer wieder auch mit Industriepartnern zusammen; etwa aus der Automobil-, der Raumfahrt- oder der Pharmaindustrie. Denn es gibt zahlreiche Gebiete, in denen die richtige Verteilung von Tropfen eine sehr wichtige Rolle spielt.
In der Grundlagenforschung könnten sich die Forschenden zum Beispiel den Tropfenaufprall auf eine Oberfläche anschauen und würden vermessen, wieweit der Tropfen sich gleichmäßig auf der Oberfläche verteilt. Wenn man das vorhersagen könnte, könnte man das zum Beispiel in einen Lackierprozess integrieren und könnten sagen: Wenn die Tröpfchen, die beim Lackieren aufgebracht werden, so und so groß sind, können wir diese Fläche damit gleichmäßig lackieren.
Was für das Lackieren von Oberflächen gilt, gilt beispielsweise auch für die Kraftstoff-Einspritzung in Verbrennungsmotoren, das Aufbringen von Pestiziden auf Ackerpflanzen oder das Einatmen von Wirkstoffen mit medizinischen Inhalatoren.
Damit alles optimal funktioniert, braucht man Tropfen in passender Größe und Geschwindigkeit, die in passendem Winkel mit passenden Oberflächen interagieren. Und man könnte, erklärt Anne Geppert, in speziellen Bereichen, Dank der Tropfenforschung, sogar ein wenig in die Zukunft schauen und, wenn nötig, rechtzeitig reagieren, etwa bei der Gefahr von Erdrutschen.
„Wenn man jetzt an Erosion denkt, da kann man den Tropfenaufprall untersuchen und könnte zum Beispiel feststellen, wie weit denn die umliegende Erde zum Beispiel bewegt wird und könnte das natürlich dann, wenn ich da für den Einzeltropfen ein Modell habe, im Großen simulieren und sagen: Wenn ich jetzt 100 Tropfen habe oder 1000 Tropfen habe, würden die theoretisch diese und diese Masse an Erde bewegen und könnte dann Erosionsprozesse auch vorhersagen.“
Zukunft der Tropfenforschung
Tropfenforschung ist wirklich ein ganz großes Feld und wenn man Anne Geppert nach ihren nächsten Forschungsthemen fragt, spricht sie von „fluiddynamischen Vorgängen“, von „theoretischen Modellen“ und „numerischen Simulationswerkzeugen“ – dem Nicht-Physiker und der Nicht-Physikerin klingeln da die Ohren. Eine Reaktion, die die Physikerin Anne Geppert kennt, und mit der sie umzugehen weiß, weil Tropfen ganz viel mit unserem täglichen Leben zu tun haben.