Krebs bei Kindern ist besonders problematisch. Nicht nur, weil sie andere Tumore als Erwachsene haben, sondern vor allem auch wegen der dünnen Studienlage zu Krebsmedikamenten. Das Hopp-Kindertumorzentrum ist eine einzigartige Einrichtung in Heidelberg, die gemeinsam vom DKFZ, dem Uniklinikum und der Universität Heidelberg betrieben wird, welche die Lage grundlegend verbessern könnte.
Nur etwa zehn Wirkstoffe sind speziell gegen Krebserkrankungen bei Kindern zugelassen. Funktionieren die nicht, müssen andere Therapeutika auf Verdacht verabreicht werden.
Das Hopp-Kindertumorzentrum Heidelberg, eine Einrichtung des Deutschen Krebsforschungszentrums (DKFZ), des Universitätsklinikums Heidelberg und der Universität Heidelberg, könnte Abhilfe schaffen. Dass das dort entwickelte Verfahren zum Testen von Krebsmedikamenten an Mini-Tumoren im Labor funktionieren kann, zeigt der Fall vom kleinen Aykut.
Mehr als 2.000 Kinder in Deutschland erkranken jährlich an Krebs
Wer Aykut beim Spielen zusieht, ahnt nicht, dass er täglich gegen eine tödliche Krankheit kämpft. Ein Kampf, der vor einem Jahr begonnen hat. Die Familie fährt gerade in den Urlaub. Aykut schläft im Auto auf dem Bauch seiner Mutter als seinen Eltern eine Geschwulst an seinem Kopf auffällt.
Aykut leidet unter einer seltenen Form von Krebs. Sie trifft meist Kinder. Da sich sein Tumor nicht operieren lässt, beginnen die Ärzte sofort mit der ersten Chemotherapie.
Jedes Jahr erkranken in Deutschland mehr als 2.000 Kinder an Krebs. Am Hopp-Kindertumorzentrum in Heidelberg leitet Krebsforscher Olaf Witt ein Projekt, das die prekäre Situation der kleinen Patienten verbessern soll.
Test von Medikamenten gegen Kindertumore
So seien die Medikamente, die im Wesentlichen für Erwachsene entwickelt werden, nicht eins zu eins bei Kindern anwendbar. Genau deshalb haben die Heidelberger Onkologen einen Medikamententest für die Kindertumore entwickelt.
Bei Aykut versagt die erste Chemotherapie. Sein Zustand wird immer schlechter. Nachts bekommt er kaum noch Luft. Nida, Aykuts Vater, zeigt auf seinem Smartphone ein Kernspinbild von Aykuts Oberkörper. Der Tumor ist schon raumgreifend in die Lunge vorgedrungen.
Aykut braucht dringend ein Medikament, das den Tumor stoppt. Doch bisher gibt es für seinen Krebs keine Behandlung mit gesichertem Erfolg. Aber Aykuts Familie denkt nicht ans Aufgeben und sie erhält Unterstützung von einer engagierten Ärztin aus Mainz. Aykuts Vater erinnert sich:
Im Labor in Heidelberg werden aus den Gewebeproben Mini-Tumore gezüchtet
Im Heidelberger Kinderkrebs-Zentrum kommen Tumorproben aus ganz Europa zusammen. Hinter jeder Probe steckt ein krebskrankes Kind. Sie alle teilen ein Schicksal – und doch ist kein Krebs wie der andere.
Medikamente gegen Krebs gibt es auf dem Markt hunderte. Die meisten sind allerdings nur für Erwachsene zugelassen. Ob sie auch Kindern helfen können, wird mithilfe von Mini-Tumoren getestet, die aus den Gewebeproben der krebskranken Kinder gezüchtet werden.
Pro Kind stehen etwa 1.000 Mini-Tumore im Brutkasten bereit – 1.000 "Versuchskaninchen", die stellvertretend für die kleinen Patienten je ein Krebsmedikament erhalten.
Das passende Medikament lässt den Mini-Tumor absterben
Ein Pippetierautomat – genannt Mosquito – spritzt achtzig verschiedene Wirkstoffe in fünf Konzentrationen auf die Mini-Tumore. Nach drei Tagen zeigt sich die Wirkung. Unter dem passenden Medikament sind die Mini-Tumoren abgestorben.
Aus der Vielzahl kristallisiert sich eine Auswahl heraus, die für die Behandlung infrage kommt. Fehlbehandlungen mit wirkungslosen Stoffen werden ausgeschlossen. Prof. Witt ordnet die bisherigen Ergebnisse vorsichtig ein:
Bei Aykut setzt seine Mainzer Onkologin Dr. Russo auf ein Medikament, mit dem sonst schwarzer Hautkrebs behandelt wird. Mit Erfolg, denn es zeigt schon am ersten Tag Wirkung: Endlich kann Aykut wieder unbeschwert atmen.
Auch beim Test in Heidelberg hat dieser Wirkstoff an Minitumoren aus Aykuts Krebsgewebe eine sehr gute Wirkung gezeigt. Der Test mit den Minitumoren funktioniert also. Aykuts Tumor, der anfangs die Größe einer Apfelsine hatte, ist nach drei Monaten auf die Größe einer Rosine geschrumpft. Seine Eltern sind glücklich:
Aykut ist das erste Kind in Deutschland, das diese Art von Krebs überlebt hat. Seine Geschichte macht Hoffnung. Für Kinder mit Krebs, die möglicherweise durch die Medikamententestung in Heidelberg gerettet werden können.