Die Infektionszahlen steigen zurzeit. Aber verglichen mit der zweiten Welle im Dezember und Januar sind deutlich weniger Menschen auf den Intensivstationen, und auch die Zahl der Toten ist auf viel niedrigerem Niveau. Welche Bevölkerungsgruppen sind derzeit am meisten gefährdet?
Können wir die steigenden Zahlen jetzt gelassener sehen, weil von den besonders Vulnerablen schon einige einen Impfschutz haben?
Ein Stück weit schon. In den Pflegeheimen sind die meisten geimpft. Allerdings hat selbst bei den über 80-Jährigen bisher nur die Hälfte die zweite Impfung bekommen. Also selbst bei der am meisten gefährdeten Altersgruppe sind noch nicht alle geschützt. Was man aber schon sagen kann: Es gibt jetzt schon eine gewisse Entspannung bei den über 80-Jährigen, bei den Todesfällen, aber auch in den Krankenhäusern.
Lange Zeit waren die über 80-Jährigen die Gruppe, die dort am meisten wegen einer Covid-19-Erkrankung behandelt werden mussten. Mittlerweile sind es die 60- bis 80-Jährigen. Das verschiebt sich jetzt ein bisschen.
Wie sehen das Intensivmediziner? Intensivmediziner haben mittlerweile ein Prognosetool aufgestellt. Sie sagen, wenn wir jetzt relativ schnell lockern, dann sind wir auf einem Niveau, was wir im Winter hatten, nur mit jüngeren Menschen.
Das ist an sich noch nicht problematisch. Die Intensivstationen kriegen das hin. Aber es gibt mehr jüngere Menschen, die behandelt werden müssen. Das wäre ein Worst-Case-Szenario. Aber das ist durchaus möglich.
Was weiß man darüber, in welchen Altersgruppen sich die Ansteckungen abspielen?
Da schaut das RKI mittlerweile genauer hin. Gerade für die Politik ist ja auch die Diskussion wichtig, wie man jetzt mit Lockerungsmaßnahmen umgeht. Bei den über 80-Jährigen geht die Zahl der Neuinfektionen zurück. Das ist ein ganz klarer Effekt der Impfungen. Andererseits steigt in anderen Altersgruppen die 7-Tages-Inzidenz, die gemeldeten Neuinfektionen, vor allem die der 15- bis 44-Jährigen.
Der stärkste Anstieg ist bei den Null- bis 14-Jährigen. Das hängt auch mit den Kitas zusammen. Da war das Niveau während der Schließungsphase natürlich sehr gering. In den letzten vier Wochen hat sich das aber verdoppelt.
Wie hoch ist das Risiko für schwere Verläufe für unter 70-Jährige, von denen viele noch nicht geimpft sind?
Auch bei den Jüngeren gehören viele zur Risikogruppe. Das RKI spricht von immerhin 36 Millionen Menschen in Deutschland, die ein erhöhtes Risiko haben, schwer an Covid-19 zu erkranken. Von den 50- bis 60-Jährigen haben 40 bis 50 Prozent relevante Vorerkrankungen, die das Risiko erhöhen. Und durch die in Großbritannien entdeckte Coronavirus-Variante hat sich das Risiko erhöht, in Folge einer COVID-19-Erkrankung zu sterben. Bei den 55- bis 69-jährigen Patienten sind einen Monat nach der Diagnose 0,9 Prozent gestorben - laut einer Studie im Fachmagazin Nature. Bei den Risikopatienten ist das Risiko in der Altersgruppe entsprechend höher.
Gibt es zu den Langzeitfolgen von Covid-19 neue Erkenntnisse? Wen betrifft das besonders?
Wen das besonders trifft, das ist immer noch wirklich schwierig zu fassen. Man hat sich aber mal mit einer relativ neuen Analyse in Kalifornien die Menschen angeschaut, die nicht ins Krankenhaus müssen. Diese Menschen hatten einen positiven Test, aber weniger schwere Symptome. Und allein von dieser Gruppe hatten 27 Prozent nach zwei Monaten wirklich noch relevante Beschwerden.
Die meisten haben sich angeschlagen gefühlt, hatten das sogenannte Fatique-Syndrom. Das waren nur Menschen, die nicht ins Krankenhaus mussten. Das ist ein relevanter Anteil. Die Frage ist, wie lange dauert das, bis diese Menschen sich von der Erkrankung dann wieder ganz erholt haben. Da sind auch Menschen darunter, die hatten bei der eigentlichen Infektion gar keine Symptome. Und haben danach erst gemerkt: Oh, irgendetwas stimmt doch nicht.