Dass der heutige Mensch viele Konsonanten verwendet und dadurch eine viel komplexere Sprache bilden kann, könnte daran liegen, dass sich vor Millionen von Jahren die Umweltbedingungen auf der Erde drastisch verändert haben. Das haben Forschende aus England nun herausgefunden.
Vor mehr als fünf Millionen Jahren sah unsere Erde noch ganz anders aus: Wir schreiben das späte Miozän. Das Klima ändert sich. Es wird kühler und trockener. Der Meeresspiegel sinkt und an Land müssen sich unsere Vorfahren von einem Leben in dichten Wäldern auf das Überleben im offenen Grasland umstellen.
Sprachforschende nennen dieses Zeitalter eine „ökologische Blackbox“: Hinein ging ein wild rufender Menschenaffe und heraus kam – Millionen Jahre später – ein sprachfähiger Mensch. Was dazwischen passiert ist und welchen Einfluss der drastische Wandel des Lebensraums auf die Sprachentwicklung hatte, fanden nun Forschende aus England heraus.
Konsonanten sind in allen Sprachen in der Überzahl
Um herauszufinden, wie sich die Sprache unserer Vorfahren im Miozän änderte, konzentrierten sich der Primatologe Adriano Lameira von der Warwick University und sein Forschungsteam auf die Rolle von Konsonanten bei der Sprachentwicklung:
Sprachuntersuchungen am lebenden Objekt
Es ist nicht gerade einfach, die Sprachentwicklung von vor Millionen von Jahren zu rekonstruieren. Schließlich gibt es keine Aufzeichnungen aus diesen Zeiten und DNA und Knochenfunde geben kaum etwas über die Sprachfähigkeit unserer Vorfahren her. Doch wir haben auch heute noch nahe Verwandte in der Tierwelt – nämlich Affen. Aber nicht alle Affen haben eine vergleichbare Sprachfähigkeit zum frühen Menschen:
Mit Orang-Utans den Übergang vom Baum zum Boden rekonstruieren
Eine solche überlebende Art ist der Orang-Utan. Seine Sprachfähigkeit kommt der unserer Vorfahren am nächsten, vermuten die Forschenden. Anders als nichtmenschliche Primaten, können Orang-Utans aus einzelnen Lauten komplexere silbenartige Rufe zusammenbauen.
Orang-Utans erzeugen sowohl konsonantenartige Rufe als auch vokalartige Rufe. Zudem sind sie die einzigen Menschenaffe, die in Bäumen wohnen – ein guter Kandidat also, um den Übergang vom Baum zum Boden vor Millionen von Jahren zu rekonstruieren.
Mit einem Mikrofon nahmen die Forschenden die Töne dann in verschiedenen Abständen zum Lautsprecher wieder auf. So wollten sie feststellen, wie gut die insgesamt knapp 500 Aufnahmen der Orang-Utan-Rufe zu hören sind.
Konsonanten sind einfacher zu verstehen
Das Ergebnis: In der Ebene sind die konsonantenartigen Laute der Orang-Utans deutlich besser und über weitere Distanzen zu hören als vokalartige. Die Forschenden vermuten, dass diese bessere Hörbarkeit die Stimmentwicklung unserer Vorfahren deutlich ankurbelte – hin zu einer konsonantenhaltigeren Sprache.
Konsonanten ermöglichen komplexe Sprache
Das könnte den Weg zur Entwicklung unserer komplexen Sprache deutlich geebnet haben. Denn nur mit einem breiten Repertoire an Konsonanten lassen sich einfache Laute zu komplexeren Konstrukten wie Silben und Wörter zusammenbauen. So ergibt sich aus einer endlichen Anzahl von Sprachbausteinen eine unendliche Menge möglicher Aussagen.
Diese essenzielle Rolle der Konsonanten lässt sich auch heute noch bei der Sprachverarbeitung von Kindern beobachten: Je mehr verschiedene Konsonanten ein Säugling in der Phase des Sprachenlernens hört, desto früher beginnt er in der Regel auch an, selbst zu plappern. Dass Konsonanten besser hörbar, also auffälliger sind, spielt dabei auch heute noch eine wesentliche Rolle:
Bisher wussten die Forschenden nicht, warum sich die Konsonanten anders als bei anderen Tieren in unserer heutigen Sprache fest etabliert haben. Mit den Erkenntnissen von Adriano Lameira und seinem Team gibt es nun erste Hinweis darauf, dass ein evolutionärer Vorteil in der Nutzung von Konsonanten die Sprachfähigkeit beeinflusste.
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