Viele gefährliche Kopfverletzungen können durch einen Fahrradhelm vermieden werden. Aber er hat auch seine Schwächen. Deshalb hat ein schwedisches Forschungsteam einen Fahrrad-Airbag entwickelt, der noch besser schützen soll. Doch wie gut sind diese Airbags wirklich?
In einer Halskrause versteckt soll ein Airbag-System bei größeren Fahrradunfällen vor gefährlichen Verletzungen schützen. Der schwedische Hersteller Hövding will den Helmersatz etablieren. Denn herkömmliche Fahrradhelme können beispielsweise Verletzungen der Nackenpartie nicht ganz so gut verhindern.
Sensoren lösen Airbag bei Sturz aus
Das Herzstück des Fahrrad-Airbags sind Sensoren in der Halskrause, die den Fahrenden überwachen. Pro Sekunde checken die Sensoren 200 Mal, wie sicher der Fahrradfahrer oder die Fahrerin gerade unterwegs ist. Kommen die Fahrenden aus dem Gleichgewicht und fallen, soll der Airbag innerhalb von 80 Millisekunden auslösen. Das ist so schnell, dass der Airbag bei vielen Unfällen tatsächlich rechtzeitig reagieren kann, behauptet der Hersteller auf seiner Webseite. Aber auch der ADAC hat den Airbag schon in Tests mit Stuntmännern geprüft und hier hat der Helm wie versprochen schnell ausgelöst, begleitet durch einen kurzen Knall.
Airbag bläst millisekundenschnell Schutzkissen auf
Wie bei einem Autoairbag wird eine unter Druck stehenden Gaskartusche ausgelöst. Ausströmendes Heliumgas füllt den Airbag, der sich über den Nacken, den ganzen Kopf stülpt. Nur das Gesichtsfeld bleibt frei, umhüllt von einem großen weißen Schutzkissen. Das sieht erstmal komisch aus, könnte aber sicherer sein, sagen die Schwedinnen Anna Haupt und Terese Alstin. Als Wissenschaftlerinnen haben sie nach einer Masterarbeit an dem Helmersatz getüftelt, vor zehn Jahren war dann das erste marktreife Airbag-System fertig und wird seitdem immer wieder verbessert.
Airbag könnte bei Zusammenstößen zu spät auslösen
Der Hersteller hofft, mit der Technik vor allem gefährlich Halswirbelverletzungen häufiger vermeiden zu können. Bisher gibt es dazu aber nur Daten der Herstellerfirma. Doch eine im Juni erschienen Studie über Fahrradunfälle und Halswirbelverletzungen findet das Airbag-System interessant. Die Autoren betonen aber auch, dass noch unklar ist, ob das Airbag-System überhaupt wirklich eine sichere Helm-Alternative sein kann. Denn es gibt auch Schwächen – vor allem bei plötzlichen Zusammenstößen, bei dem Fahrradfahrende direkt auf einen LKW treffen – ohne groß zu fallen.
Das Airbag-System braucht immer 80 Millisekunden, um sich aufzublasen. Bis dahin ist der Kopf und der Nacken gar nicht geschützt. Ein konventioneller Helm schützt von der ersten Millisekunde an den Kopf, wenn zum Beispiel eine Autotür aufgeht und jemand direkt mit dem Fahrrad hereinrast. Hier könnte der Airbag zu spät kommen.
Fehlerhafte Auslösung kann teuer werden
Offen bleibt die Frage, ob der Airbag unter Umständen auch fehlerhaft – also ganz ohne Unfall – auslösen kann. Tatsächlich gibt es nur wenige Berichte über falsche Airbag-Auslösungen. Aber klar ist auch: Schon ein harmloser Sturz zum Beispiel auf eine Grasfläche kann den Airbag im ungünstigsten Fall auslösen und dann muss das Airbag-System ausgetauscht werden. Der Hersteller gewährt immerhin einen Rabatt von 100 Euro, wenn der alte Airbag zurückgesendet wird. Allerdings kostet das Airbag-System ohne Rabatt über 300 Euro.
Interessant ist aber auch, dass viele Testnutzer und Testnutzerinnen beobachtet haben, dass sie mit dem Airbag-System vorsichtiger fahren, um keinen Fehlalarm zu riskieren. Wie gut die Helmalternative wirklich schützt, muss die Praxis in den nächsten Jahren aber erst noch zeigen.
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