Rein physikalisch bedingt äußern Experten Zweifel an Geschwindigkeit und Treffsicherheit der russischen Hyperschallrakete. Der erste Einsatz war möglicherweise nur ein Test unter Echtbedingungen.
Die angeblich nicht nachweisbare russische Präzisionswaffe "Kinschal" ist vor allem eine Propagandawaffe. Denn eine Rakete, die mit angeblich zehnfacher Schallgeschwindigkeit fliegt und auch mit nuklearen Sprengköpfen bestückt werden kann, soll zunächst Angst verbreiten.
Nicht nachprüfbare Daten
Bei der Kinschal – auf deutsch: Dolch – handelt sich um eine Luft-Boden-Rakete, die von einem selbst mit Überschallgeschwindigkeit fliegenden MIG 31 Kampfjet aus gestartet wird. Angeblich sei die Rakete vom Gegner nicht zu entdecken, weil sie ebenfalls angeblich mit etwa 14.600 Kilometer pro Stunde unterwegs ist.
Ein mit dieser Geschwindigkeit einschlagendes Geschoss hat eine enorme Zerstörungswirkung. Die Reichweite der Rakete könnte 2.000 Kilometer betragen, die Zielgenauigkeit soll sehr hoch sein. Glaubt man den Russen, hat sie über diese Distanz nur einen Meter Abweichung.
Physiker und Waffenexperten ziehen diese Angaben allerdings in Zweifel, auch weil die Lenkbarkeit bei dieser Geschwindigkeit enorm aufwendig ist – was bedeutet, dass eine, wie es immer so schön heißt, chirurgische Präzision eher unwahrscheinlich ist.
Dem Militärexperten Gustav Gressel zufolge hat Russland noch nie nachprüfbare Angaben gemacht, worauf gezielt und was dann letztendlich getroffen wurde. Auch die verbreiteten Bilder vom ersten Einsatz sollen wohl nicht das ukrainische Munitionsdepot zeigen, das angeblich vernichtet wurde. Zudem soll die Kinschal-Rakete anders als ballistische Langstreckenraketen nicht so hoch fliegen und weitgehend in der Atmosphäre unterwegs sein.
Problem: große Hitze
Wo jedoch Luft ist, entsteht Reibung und damit Hitze. Das haben bereits in den 1960er Jahren Tests am legendären US-Raketenflugzeug X15 gezeigt, das ebenfalls mit mehreren tausend Kilometern pro Stunde unterwegs war. Die Spitze einer Hyperschall-Rakete könnte Berechnungen zufolge bei derartigen Extrem-Werten bis zu 2.000 Grad heiß werden. Mal abgesehen von einem deswegen nötigen hochaufwendigen Hitzeschutz wäre ein Flugkörper mit so einer Hitzesignatur auch für die Infrarotsensoren von amerikanischen Satelliten sichtbar.
Daher geht beispielsweise der US-amerikanische Physiker David Wright in einem Gastbeitrag für die Zeitschrift Spektrum davon aus, dass eine Hyperschallwaffe nicht viel schneller als etwas mehr als 7400 Kilometer in der Stunde fliegen dürfte. Bei diesem Tempo würden Satelliten sie nicht erkennen, dafür wäre sie aber vermutlich für die Schutzsysteme erreichbar.
Patriot-Flugabwehrraketen sind nämlich genauso schnell – eine Abwehr der russischen Wunderwaffe wäre also wohl möglich. Klar ist aber trotzdem: Russland ist sicher ein Vorreiter in Sachen Hyperschall. Ein ähnliches Modell wurde bereits in China gezeigt, die Amerikaner forschen noch, jedoch sind ihre Entwicklungen noch nicht einsatzfähig.
Ein Blick zurück auf die deutsche Geschichte
Sogenannte "Wunderwaffen" hatte auch das Naziregime im zweiten Weltkrieg. Sie hießen V1 und V2. V steht für Vergeltungswaffe, und sie starteten von der französischen Küste aus Richtung London. Jedoch fehlte ihnen die Zielgenauigkeit und das machte die Raketen für militärische Zwecke eigentlich unbrauchbar. Der Ort, wo die Marschflugkörper einschlugen, war nämlich mehr oder weniger Zufall. Aber die psychologischen Effekte waren enorm auf allen Seiten. Die Deutschen glaubten ein bisschen länger an den Endsieg, die Briten waren umso mehr davon überzeugt, dass Hitler besiegt werden musste.
Auch Russlands Hyperschall-Dolch, der möglicherweise unter Echtbedingungen getestet werden könnte, hat wohl hauptsächlich diesen Zweck: Eindruck zu machen – in dem Fall auf die NATO. Einen Einfluss auf den Kriegsverlauf hat er wohl eher nicht. Was man auch daran erkennen kann, dass bisher keine weiteren Einsätze der russischen Hyperschallwaffe gemeldet wurden.