Insektenforschung

Bienen schützen sich mit sozialer Distanz vor Viren und Bakterien

Stand
Autor/in
Joachim Budde
Onlinefassung
Franziska Ehrenfeld
Ralf Kölbel
Ralf Kölbel, Online-Redakteur bei SWR Wissen aktuell sowie Redakteur bei Redakteur bei SWR Kultur DAS Wissen.

Bienen haben einen Mechanismus entwickelt, um Ihren Bienenstock vor der Ausbreitung von Viren oder Bakterien zu schützen: Sie setzen auf soziale Distanz, zeigt eine neue Studie.

40.000 Arbeiterinnen – auf diese Zahl bringt es ein ganz gewöhnliches Honigbienenvolk ganz leicht. In so einem Bienenstock von der Größe eines Umzugskartons herrschen also ideale Bedingungen auch für Krankheitserreger.

Bienen verändern ihr soziales Verhalten, wenn sie Krankheiserreger bemerken

Man sollte meinen, wenn ein Bakterium oder ein Virus einmal ins Volk hineingelangt, kann es sich ungehindert ausbreiten. US-amerikanische Forscher beschreiben in der aktuellen Ausgabe des Fachmagazins PNAS einen Mechanismus, mit dem die Bienen diese Gefahr reduzieren.

Bienen praktizieren Social Distancing schon seit Millionen von Jahren. Wenn sie Krankheitserreger bemerken, verändern sie ihr Verhalten und verringern so die Wahrscheinlichkeit, dass die Bakterien und Viren sich im Stock ausbreiten.

BIenen, die nach Krankheit riechen, dürfen normalerweise nicht in den BIenenstock, werden so gar buchstäblich vor die Tür gesetzt.
BIenen, die nach Krankheit riechen, dürfen normalerweise nicht in den BIenenstock, werden so gar buchstäblich vor die Tür gesetzt.

Kranke Bienenschwestern werden vor die Tür gesetzt

Es ist zum Beispiel schon länger bekannt, dass kranke Bienen den Stock verlassen oder das Arbeiterinnen kranke Schwestern kurzerhand vor die Tür setzen. Dolezal und seine Kollegen haben jetzt eine subtilere Variante beobachtet. Und dazu eine ganz neue Technik verwendet.

"Ein ausgeklügeltes Computerprogramm macht Fotos in einem speziell ausgerüsteten Bienenstock. Alle Arbeiterinnen tragen einen QR-Code auf dem Rücken. Die Kamera macht jede Sekunde ein Bild. Computeralgorithmen können den Aufenthaltsort und die Aktivität jeder einzelnen Biene auseinanderhalten. Sie können Kontakte von Mund zu Mund zum Austausch von Nahrung erkennen. Das ist wirklich ein spitzenmäßiges Werkzeug, das uns tiefe Einblicke liefert, wie Bienen sich im Stock verhalten."

Viren schwächen BIenen im Kampf gegen Varroa-Milbe

Das besondere an diesem Bienenvolk: Die Forscher hatten einige Arbeiterinnen mit dem Israelischen akuten Paralysevirus, kurz IPV, infiziert. Wenn die Belastung mit dem Erreger zu groß wird, lähmt er die Bienen und tötet sie nach wenigen Tagen. Schon länger vermuten Forscher, dass IPV Bienenvölker töten kann – vor allem wenn es sich mit der Varroa-Milbe zusammentut. Ist die Virusmenge hingegen klein, können Honigbienen damit umgehen, sagt Adam Dolezal.

Vor allem im Verbund mit Viren können Varroa-Milben für Bienen gefährlich werden.
Vor allem im Verbund mit Viren können Varroa-Milben für Bienen gefährlich werden.

Infizierte Bienen liefen in seinen Experimenten genauso viel herum wie gesunde Bienen. Aber: Ihre Schwestern waren den kranken Bienen gegenüber eher zurückhaltend. Sie hielten Abstand. Zwar beschnupperten die gesunden Bienen ihre kranken Schwestern weiterhin. Aber:

"Wir glauben, sie erkennen die kranken Bienen. Die riechen krank, wenn Sie so wollen. Die Gesunden berühren die Kranken weniger. Sie teilen keine Nahrung mehr mit ihnen und meiden sie auch bei anderen Aktivitäten. Und das verringert die Ausbreitung der Erreger in der Kolonie, denken wir."

Bienen gehen auf soziale Distanz, wenn sie mit Erregern infizierte Artgenossen am Geruch erkennen.
Bienen gehen auf soziale Distanz, wenn sie mit Erregern infizierte Artgenossen am Geruch erkennen.

Kranke Bienen riechen anders

Honigbienen einer Kolonie haben einen gemeinsamen Geruch, eine einzigartige Mischung aus Kohlenwasserstoffen. Das Virus verändert die Mixtur, haben die Forscher festgestellt. Darum meiden Bienen ihre kranke Schwester im eigenen Volk. Sie riechen zu fremd. Verirren sich die kranken Bienen aber in ein fremdes Volk, sieht die Reaktion anders aus.

"Infizierte Bienen werden doppelt so häufig in fremde Kolonien eingelassen wie gesunde. Die Wächterbienen aus den fremden Kolonien sind ihnen gegenüber weniger aggressiv, sie beschnüffeln sie sehr intensiv und lassen sie schließlich leichter passieren als sonst. Wir denken, das ist ein mächtiger Mechanismus, mit dem sich das Virus von einer Kolonie in die nächste tragen lässt."

Zu viele Bienenvölker auf engem Raum

Für die fremden Wächterinnen riechen die kranken Bienen nicht mehr fremd genug. Auf diese Weise könnten die Viren eine Schutzmaßnahme der Bienen aushebeln, sagt Claudia Garrido. Die Biologin ist Expertin für Bienengesundheit. Das kann für Imker zum Problem werden. Denn in ihrer natürlichen Umgebung liegen große Entfernungen zwischen einzelnen Bienenvölkern.

Bienenstöcke müssen ausreichenden Abstand voneinander haben. Nur so ist gewährleistet, dass der Schutz des Bienenstockes vor dem Eindringen von Viren und Bakterien auch funktioniert.
Bienenstöcke müssen ausreichenden Abstand voneinander haben. Nur so ist gewährleistet, dass der Schutz des Bienenstockes vor dem Eindringen von Viren und Bakterien auch funktioniert.

"Unter natürlichen Verhältnissen haben wir ungefähr ein Bienenvolk pro Quadratkilometer, während Imker natürlich Völker zu 20, 30, 40 oder Hunderten zusammenfassen, auf einem Bienenstand, und das erleichtert natürlich die Übertragung zwischen Bienenvölkern. Das ist etwas, worüber man nachdenken könnte: Inwiefern man da vielleicht Lösungen findet, Bienenstände anders aufzubauen, um Krankheitsübertragung zu minimieren."

Also nicht nur zwischen den Bienen, sondern auch zwischen den Stöcken muss der Abstand stimmen.

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Joachim Budde
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Ralf Kölbel
Ralf Kölbel, Online-Redakteur bei SWR Wissen aktuell sowie Redakteur bei Redakteur bei SWR Kultur DAS Wissen.