Schicht für Schicht hat das Unternehmen Relativity Space viele Bestandteile seiner Terran 1-Rakete gedruckt. Sie ist die erste größtenteils 3D-gedruckte Rakete. Am 23. März trat die Rakete des privaten Raumfahrtunternehmens Relaitivity ihren ersten - nicht ganz erfolgreichen - Testflug an.
Mit 3D-Druckern kann alles Mögliche hergestellt werden – sogar Raketen. Dafür hat das Unternehmen Relativity riesige Drucker entwickelt, die aus einer Aluminium-Legierung Raketen drucken können. Für kleinere Teile gibt es kleinere Drucker. So stammen ungefähr 85 Prozent der Terran 1 Rakete aus dem 3D-Drucker. Relativity behauptet, so innerhalb von 60 Tagen eine Rakete bauen zu können. Im Vergleich zu den eher trägen staatlichen Raumfahrtunternehmen, wie der Nasa, wäre das enorm schnell.
Erdumlaufbahn hat Terran 1 Rakete nicht erreicht
Ihr Ziel, eine Erdumlaufbahn zu erreichen, hat Terran 1 nicht erreicht. 20 Minuten nach ihrem Start vom historischen Cape Canaveral in Florida stürzte die Rakete in den Atlantischen Ozean. Zwar war dieser Fehlschlag enttäuschend, doch bisher ist es auch keinem anderen Unternehmen gelungen, mit dem allerersten Start eine Erdumlaufbahn zu erreichen. Einige Unternehmen scheitern bereits, bevor sie überhaupt eine Rakete zur Startrampe bringen.
Die primären Missionsziele hatte Relativity ohnehin nicht ganz so hoch gesteckt: Die Rakete sollte es bis zur Trennung der ersten und zweiten Stufe schaffen und das hat sie auch. Was genau dann passiert ist, hat das Raumfahrtunternehmen noch nicht bekanntgegeben, aber es sah so aus als hätte das Triebwerk der zweiten Stufe nicht richtig gezündet. Die Triebwerkszündung ist einer der komplexesten Prozesse bei einem Raketenstart.
Ein kompletter Fehlstart war der Start der Terran 1 demnach nicht, dennoch steht das Unternehmen Relativity in dieser Phase unter dem Druck, beweisen zu müssen, dass es eine zuverlässige Rakete hat. Geld verdient Relativity ansonsten nicht und jeder Fehlstart ist teuer. Oft darf das womöglich nicht passieren, bis ihnen das Geld ausgeht.
Frühere Startversuche scheiterten vor dem Abheben der Rakete
Am 8. März 2023 fand der erste Startversuch von Terran 1 statt, den der für den Start zuständige Clay Walker mit den Worten, "Wir brechen für heute ab, danke fürs Mitspielen", abbrechen musste. Das Problem: Der Treibstoff in der zweiten Stufe wurde zu warm. Für einen Jungfernflug war ein solcher Abbruch aber nichts besonders. Die Entwickler wollten sichergehen, dass alles auch wirklich ganz sicher funktioniert.
Am Samstag, den 11. März 2023, dann der nächste Startversuch: Die Triebwerke wurden bereits gezündet, ehe technische Störungen erneut den Start verhinderten. Erst trat ein Problem mit der „Automatisierung“ auf, dann mit dem Treibstoffdruck.
"Try and Error" - Entwicklung nach Vorbild des Silicon Valley
Bis zu diesen Startversuchen von Terran 1 lag eine etwa 5-jährige Entwicklung. Das ist nicht viel für eine hochkomplexe Maschine, die in Zukunft knapp eineinhalb Tonnen Fracht in den Erdorbit schießen soll. Ein Vorteil in der Entwicklung war sicherlich, dass einzelne Teile schnell gedruckt, getestet, weiterentwickelt und wieder gedruckt werden konnten.
Dieses ständige Ausprobieren und Verbessern wird auch als der Geist des Silicon Valley bezeichnet. Dort wird in der Softwareentwicklung ständig eine neue Version getestet. Für einen solchen prototypenbasierten Entwicklungsansatz eignet sich auch der 3D-Drucker ideal: Neue Teile mit kleinsten Veränderungen können schnell hergestellt werden.
Rakete wird zunächst "falsch" gedruckt
Doch der Druck ist nicht immer präzise: Wer schon einmal mit einem 3D-Drucker gearbeitet hat weiß, dass das Ergebnis oft nicht die gewünschten Maße hat. Durch die Hitze des frisch aufgeschmolzenen Materials können sich darunter liegende, bereits ausgehärtete Schichten wieder verziehen.
Was im Hobbybereich lediglich frustriert, könnte in der Raumfahrt zu einem Scheitern der Mission führen. Relativity Space löst dieses Problem mit aufwändigen Computersimulationen des Druckprozesses. Die Rakete wird dabei erstmal „falsch“ gedruckt. Durch die Hitze am Druckkopf ziehen sich die unteren Schichten dann in die richtige Form. Trotzdem ist das ein Grund mehr beim ersten Start von Terran 1 möglichst vorsichtig zu sein.
US Flugaufsichtsbehörde gibt Okay zum Start
Grundsätzlich sollte die Terran 1 flugfähig sein, das befand zumindest die US-amerikanische Flugaufsichtsbehörde FAA. Sie hat der Rakete die Lizenz zum Flug ins All erteilt. Allein das ist schon ein Meilenstein für das Unternehmen, egal wie der Start verlaufen ist.
Zukunft des 3D-Druck: Raketenherstellung auf Mond und Mars?
Welche Zukunft 3D-gedruckte Raketen haben, lässt sich noch nicht absehen. In einem zugegebenermaßen noch sehr fantasievollen Zukunftsszenario aber könnten sie einen Platz finden: Anstatt irgendwann ständig Raketen zu bauen, die von der Erde zum Mars fliegen, landen und wieder zurückfliegen können, könnte es effizienter sein auf dem Mars Raketen zu drucken. So könnte bereits eine kleine Mars-Kolonie eine größtenteils automatisierte Raketenfabrik betreiben.
Deswegen setzt Relativity schon jetzt auf Methan als Treibstoff – eine neue Technologie, aber Methan kann auf dem Mars einfacher hergestellt und vor allem leichter gelagert werden als Wasserstoff, was aus heutiger Sicht eigentlich der bessere Treibstoff ist.
Bis solche Visionen Realität werden können ist es aber noch ein weiter Weg. Erst einmal muss die Terran 1 zeigen, dass sie es bis in den Erdorbit schafft. Nächstes Jahr soll dann die deutlich größere Terran R starten. Mit der will Relativity Space zum Mond und auch schon zum Mars fliegen.
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Tatsächlich kommen diese Häuser mit einem Öko-Versprechen. Gegenüber einem herkömmlichen Massivbauhaus verbrauchen sie zum einen weniger Material. Das liegt daran, dass das Druckmaterial direkt vor Ort angemischt wird, und zwar nur so viel, wie benötigt wird. Im konventionellen Bau fahren Lastwagen den Beton zur Baustelle, der wird verarbeitet, und dabei bleibt immer sogenannter Restbeton übrig. Es wird also beim klassischen Massivbau mehr Material verbraucht, in dem Punkt schneiden 3D-gedruckte Häuser besser ab. Ein zweiter Pluspunkt gedruckter Häuser ist, dass das Material recycelt und zum Beispiel als Füllmaterial im Straßenbau verwendet werden kann. Von Johannes Postler | Text und Audio dieses Beitrags stehen unter der Creative-Commons-Lizenz CC BY-NC-ND 4.0.