Beim Computerspielen oder der Nutzung sozialer Netzwerke kennen viele Nutzer*innen keine Grenzen. Ein neues Online-Angebot verschiedener Fachkliniken soll Betroffenen helfen, von ihrer Internetsucht loszukommen.
Sie sitzen oft stunden-, tage- oder nächtelang lang ohne Pause vor dem Bildschirm. Sie halten sich mitunter wach mit aufputschenden Getränken und vernachlässigen ihre alltäglichen Aufgaben: Wenn Online-Spiele, soziale Netzwerke, Porno-Filme, Youtube-Videos oder virtuelle Spielcasinos das ganze Leben bestimmen, kann zweifellos von Sucht gesprochen werden.
Internet-Süchtige nehmen nur selten professionelle Hilfe in Anspruch
Mittlerweile ist Internetsucht als psychische Störung anerkannt. Doch: Die Hemmschwelle für Betroffene, Suchtberatungsstellen oder andere Hilfen aufzusuchen, ist groß. Nicht selten fehlt es auch am Bewusstsein, dass sich hinter dem Online-Zeitvertreib überhaupt eine Sucht verbirgt. OMPRIS nennt sich ein neues und bundesweit bislang einmaliges und kostenloses Angebot verschiedener Fachkliniken, das Betroffenen online helfen will.
OMPRIS steht für: Onlinebasiertes Motivationsprogramm zur Reduktion des problematischen Medienkonsums und Förderung der Behandlungsmotivation bei Menschen mit Computerspielabhängigkeit und Internetsucht.
Entwickelt wurde das Projekt OMPRIS an der LWL-Klinik für psychosomatische Medizin und Psychotherapie am Universitätsklinikum Bochum. Dr. Jan Dieris-Hirche leitet dort die Mediensuchtambulanz. Dieris-Hirche versucht, sich in die Gedankenwelt eines Onlinesüchtigen hineinzuversetzen:
Äußere Faktoren bringen zum Nachdenken
Oft sind es äußere Faktoren, die Betroffene zum Nachdenken über ihr Verhalten zwingen:
- Die schlechten Schulnoten.
- Das abgebrochene Studium.
- Die gescheiterte Ausbildung.
- Die vermurkste Beziehung.
- Oder ständig dicke Luft im Elternhaus.
Gerade bei Onlinesucht oder Computerspielsucht seien es, so Dieris-Hirche, oft die Eltern, die an ihren KIndern zerren, weil der Sohn oder die Tochter zu viel online ist: "Junge, du musst was verändern, hör' auf zu spielen, mach mal aus."
Dieses Problem spüren Jan Dieris-Hirche und seine Mitarbeiter*innen auch in der Klinik. Bei der stationären aber auch der ambulanten Behandlung, geht es, so Dieris-Hirche, vor allem darum, Motivation zu fördern. Das gilt auch für die Onlineberatung von Onlinesüchtigen:
Freundlich, niederschwellig und sehr motivierend treten die Mitarbeiter von OMPRIS auf. Angesprochen werden dabei zwei verschiedene Zielgruppen von Teilnehmern:
- Betroffene, die vorbeugend beraten werden, das heißt, die noch keine Sucht ausgebildet haben aber erste Symptome zeigen.
- Sowie die harten User mit starkem Suchtverlangen.
Computerspielsüchtige haben oft soziale Ängste
Schaffung von Strukturen soll Internetsüchtigen helfen
Bislang sind bundesweit vier Kliniken an diesem Projekt beteiligt, darunter die psychosomatische Abteilung der Universitätsmedizin Mainz, , Teams aus Ärzten, Psychologen und Sozialarbeitern erarbeiten individuelle Beratungs- und Betreuungsangebote.
Wenn nötig, gibt es auch Beratung bei Fragen rund um staatliche Hilfeleistungen, Schulden oder andere soziale Probleme. Die Betroffenen nehmen an zwei Online-Sitzungen in der Woche teil. Laura Bottel ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Universitätsklinikum Bochum und hilft Online- oder Computersüchtigen, ihr Leben wieder in den Griff zu bekommen.
Niederschwelliger Einstieg in eine therapeutische Behandlung
Ziel sei es, innerhalb von vier Wochen intensiv mit dem oder der Spielsüchtigen in Kontakt zu kommen, zu fragen, warum es hilfreich sein kann, das Problem anzugehen. Betroffene sollen sich wieder an echte Beziehungen herantrauen, mit allen möglichen Risiken und Konflikten und Chancen, um so nach und nach wieder ins normale Leben zurückzufinden.
Dabei versteht sich OMPRIS nicht als eigenständige Therapie sondern mehr als Lern- und Lebenshilfe, Motivationsinstrument und für Menschen mit ausgeprägtem Suchtverhalten als niederschwelliger Einstieg in eine therapeutische Behandlung.
Eltern sollen klare Regeln für den Medienkonsum geben
Aber auch die Familie hat schon vor oder zu Beginn einer möglichen Sucht eine besondere Verantwortung, betont Psychotherapeut Jan Dieris-Hirche. Nur die Hälfte der Eltern haben einer aktuellen Studie zufolge Regeln zum Medienkonsum ihrer Kinder aufgestellt.