Verbraucher*innen wünschen sich nachhaltige, natürliche, kompostierbare Kleidung mit geringer Klimabelastung. Welche Textilfasern schaden der Umwelt nicht?
Ähnlich wie bei Lebensmitteln aus Bio-Anbau wächst auch der Anteil an Bekleidung aus natürlichen Fasern stetig. Einer aktuellen Umfrage des Gesamtverbands Textil und Mode zufolge erwirtschaftet ein Fünftel der Textilunternehmen bereits rund die Hälfte ihres Umsatzes mit nachhaltiger Kleidung, die sich durch Natürlichkeit, geringe Klimabelastung und Wiederverwertbarkeit bzw. Kompostierbarkeit auszeichnet.
Nachhaltige Mode liegt im Trend
Die Branche bringt dabei auch immer mehr neue oder wiederentdeckte Fasern auf den Markt. Polyester und Polyamidfasern aus Erdöl, Wolle oder Kaschmir aus mitunter tierquälerischer Produktion war gestern – heute können Verbraucher*innen Bekleidung aus Hanf, Obstschalen oder sogar aus Milch kaufen. Doch wie nachhaltig sind solche neuen Textilfasern überhaupt?
Elisabeth Viehweger ist Inhaberin eines Modeateliers in Köln. Die Designerin und Diplomingenieurin für Textil- und Bekleidungsgestaltung fertigt seit fast 25 Jahren in ihrer Schneiderei lägst nicht nur schicke Kleider aus pflanzengefärbter Baumwolle oder Leinen. Auch Alternativen wie Hemden, Jacken und Hosen aus Hanf liegen zum Beispiel in den Regalen. Daneben liegen Knöpfe und Schnallen aus pflanzlichen und mineralischen Materialien wie Holz oder Glas. Der neueste Trend: Textilfasern aus Obstschalen.
Kleidung aus Orangen, Bananen, Seerosen
Zu Kleidung verarbeiten ließen sich nicht nur Orangenschalen, sondern auch Bananen, Seerosen, Brennesseln, also wirklich eine große Bandbreite. Früher habe man, so Viehweger, viel mehr Materialien in dieser Richtung genutzt. Dann sei das alles in Vergessenheit geraten, weil man Baumwolle viel schneller verarbeiten konnte, und später seien die ganzen chemischen Fasern entstanden. Jetzt gebe es wieder eine Rückbesinnung, bei der man auch nach Regionalität schaue.
Viele Verbraucherinnen und Verbraucher wollen Textilfasern – so formuliert es die niederländische Trendforscherin Lidewij Edelkoort –, denen sie trauen können. Und sie wollen inzwischen genauer wissen, wie beispielsweise Baumwolle, aber auch besonders Schaf-, Merino-, Alpaka- oder Kaschmirwolle gewonnen wird. Von der Erzeugung bis hin zur Entsorgung, weiß auch Dominique Ellen van de Pol.
Schafe Scheren im Akkord
Die Kommunikationsberaterin für Mode und Nachhaltigkeit berät unterschiedlichste Modemarken und hat soeben das Buch „Achtsam Anziehen – Nachhaltigkeit im Kleiderschrank" veröffentlicht. Schafe in der konventionellen Tierhaltung würden, so van de Pol "ganz brutale Verletzungen erleiden, weil die Arbeiter, die da scheren, im Akkord arbeiten und keine Rücksicht nehmen können". Dadurch entstünden viele Verletzungen.
Wir hätten uns zwar daran gewöhnt, dass an jeder Jacke ein Pelzkragen dran sei, denken aber meist, es wäre Kunstfaser, weil es so billig ist. Häufig sei es dann aber echtes Fell von Hunden und Katzen, die in Asien auf der Straße eingefangen und zu Fellbesätzen verarbeitet werden.
Erzeugung von Baumwolle verbraucht viele Ressourcen
Im nachhaltigen Kleiderschrank von morgen müsste mehr hängen als Kleider aus tierischen Fasern, fordert Greenpeace. Aber auch herkömmlich produzierte Baumwolle verbraucht viel Wasser wie auch Fläche und wird auf den Feldern regelmäßig mit Pflanzengiften besprüht. Obwohl nur 2,4 Prozent der weltweiten Ackerfläche zum Anbau von Baumwolle genutzt werden, werden gleichzeitig dort jedoch ein Viertel der weltweit verkauften Insektizide und elf Prozent der weltweit verkauften Pestizide eingesetzt.
Tencel und Lyocell gelten als eher umweltfreundliche Alternativen
Die Produktion einer einzigen Jeans verbraucht etwa 1.000 Liter Wasser. Rund 80 Prozent davon gehen allein für den Anbau der Baumwolle drauf, so das Ergebnis des Wasserinstituts der Vereinten Nationen. Als pflanzliche Alternative zu Wolle, Baumwolle oder Leinen hat sich seit längerem vor allem Viskose am Markt etabliert, die aus Holzfasern produziert wird. Allerdings sollten die Verbraucher eher zu umweltfreundlicheren sogenannten Lyocell- oder Tenceltextilien greifen.
Es ist eine sogenannte Zellulose-Regeneratfaser, erklärt van de Pol, genau wie Viskose. Während Viskose in der Herstellung sehr schädlich seien, weil hochgiftige Stoffe bei der Färbung anfallen und sehr viel Strom verbraucht und damit wieder CO2 ausgestoßen wird, würden Tencel und Lyocell aus zertifiziertem, nachhaltig hergestelltem Eukalyptusholz produziert und kämen ohne giftige Lösungsmittel aus. Heraus komme ein Stoff, der sich geschmeidig anfühlt, schönen, seidenartigen Glanz hat, sehr hautfreundlich ist und gut zu tragen sei.
Soja als Alternative zu Seidenraupen
Die Produktion klassischer Seidenstoffe ist dagegen mit viel Tierqual verbunden. Denn um das begehrte Gespinst der Seidenraupen verarbeiten zu können, werden Kokon samt Raupe in siedend heißes Wasser getaucht. Ohne Tierleid kommt dagegen auch Sojaseide aus. Sojafasern sind ein Nebenprodukt der Sojabohnen-Verarbeitung. Weich und glänzend wie Seide, haltbar wie Baumwolle und warm wie Kaschmir, sind sie komplett biologisch abbaubar.
Im Gegensatz zu Wolle kann Sojaseide bedenkenlos in der Waschmaschine gewaschen werden, ohne dabei zu schrumpfen oder an Qualität zu verlieren. Ein weiterer Trend aus Asien: Fasern aus Bambus, die als hautfreundlich und umweltverträglich gelabelt werden – diese sind allerdings problematisch. Wie bei Viskose fallen auch für die Herstellung von textilen Bambusfasern tonnenweise Chemikalien an, die in der Herstellungsländern, meist in Südostasien, Wasser und Böden vergiften.
Schals aus Kokosfasern oder Milch
Nullarbor wiederum ist eine Wolle, die aus Kokosnüssen und Bio-Baumwolle erzeugt wird. Die bei der Herstellung von Kokosnusserzeugnissen als Abfallprodukte anfallenden Kokosfasern werden fermentiert und zu einem Garn gesponnen. Die Herstellung dieses Garns in nur 18 Tagen ist auch deutlich schneller als die Produktion tierischer Wolle. Apropos tierisch: Inzwischen kommen auch andere Fasern tierischen Ursprungs auf den Markt. Kleidung aus Milcheiweiß – oder aus Hundehaaren.
Besitzer*innen von Hunden können die geschorenen Haare ihrer Lieblinge einschicken und sich Schals oder auch Pullover anfertigen lassen. Und auch wer Alternativen zu Leder sucht wird fündig. Der Berliner Designer Bobby Kolade verwendet für seine Lederkollektionen Rinde einer Feigenbaumart. Diese wird so lange mit Hämmern bearbeitet, bis sie dünn ist wie ein Stoff und optisch an Leder erinnert. Aber auch bei pflanzlichen Lederimitaten gilt es, genauer hinzusehen, so Dominique Ellen van de Pol.
Vegane Fasern sind nicht unbedingt umweltfreundlich
So gebe es die verschiedensten Textilvarianten, die in den letzten Jahren "aufgeploppt" seien und am Ende so etwas wie Leder ergeben, beispielsweise aus Kork und Ananas. Aber oft seien diese Stoffe mit Polyurethan oder mit erdölbasierten Kunstfasern gemischt, damit das Material am Ende überhaupt zusammenhält.
Allerdings greifen gerade Verbraucher*innen gerne zu künstlichen Fasern, vor allem vegan lebende. Immer mehr Anbieter von Kleidung aus Kunstfasern labeln ihre Textilien als vegan. Fasern wie Polyamid oder Polyacryl sind zwar besonders hautverträglich, aber alles andere als umweltfreundlich in der Herstellung und Entsorgung, so Dominique Ellen van de Pol.
Vegane Alternativen würden oftmals aus erdölbasierten Kunstfasern gefertigt. Das liege aber daran, dass der Großteil aller Textilien aus erdölbasierten Kunstfasern gefertigt werde, weil es günstig und praktisch sei – wie Polyester, Polyamid, Polyacryl oder Elastan.
Mikroplastik aus Kleidung landet in den Ozeanen
Dass unsere Kleidung zu 60 Prozent aus Polyester besteht, entpuppe sich auch als echtes Desaster für unsere Ozeane. 35 Prozent des gesamten Mikroplastiks in unseren Ozeanen stammen aus der Wäsche unserer Kleidungsstücke, so van de Pol.
Seit kurzer Zeit gebe es allerdings Abhilfe, beispielsweise Waschbeutel, die wie ein Filtersystem funktionieren. Man müsse vorher schauen, bei welchen Kleidungsstücken Kunstfaser enthalten sei. Die könne man dann in den Waschbeutel geben und diesen nach der Wäsche in den Hausmüll geben. Außerdem hielten Kleidungsstücke länger, wenn sie in so einen Waschbeutel gegeben werden.