Algen gelten heute als Lebensmittel der Zukunft. Süßwasser-Mikroalgen sind vielfältig einsetzbar und reich an Nähstoffen. Doch wie werden Mikroalgen überhaupt angebaut? Ein Blick hinter die Kulissen.
Beim Stichwort Algen denken die meisten wohl eher an den glitschigen Belag auf Teichen und Seen. Aber Algen sind nicht gleich Algen, erklärt Uwe Wilms:
Erste Deutsche Algen Genossenschaft
Uwe Wilms ist Geschäftsführer der ersten Deutschen Algen Genossenschaft, die Mikroalgen wie Spirulina für die Weiterverarbeitung in Lebensmitteln produziert. Wir stehen vor der Herausforderung einer wachsenden Bevölkerung in den nächsten Jahren nährstoffreich zu ernähren und gleichzeitig den Anforderungen von Umwelt und Klima gerecht zu werden, so Ulrich Wilms. Neben ihm gehören der Genossenschaft 29 weitere Algenbauern an.
Algen sind vielseitig einsetzbar: getrocknet und zerbröselt auf dem Salat oder auf einer Quarkspeise. Außerdem empfehlen die Hersteller Spirulina-Algen, um Smoothies herzustellen. Denn diese Alge enthält Vitamine, Mineralstoffe und hat einen hohen Proteingehalt. Sie ist also bestens geeignet für einen Wellnessdrink.
Ulrich Averberg ist einer der Gründer der Genossenschaft. Die grünen Einzeller mit enormen Wachstumspotenzial sind für ihn "Superfood für den Teller". Er erzeugt sie unter einem Glasdach in Süßwasserbecken – und das mitten auf dem Maisacker in Ahlen, wo er das Futter für seine 800 Schweine anbaut. Daneben wächst auf einer rund 2.500 Quadratmeter großen Fläche Spirulina. Die Süßwasseralgen sind eine Gattung der Cyano-Bakterien, früher auch als "Blaualgen" bezeichnet.
So läuft die Spirulina-Produktion ab
Die Produktion läuft in zehn flachen Wasserbecken. Spirulina gehört zu den Mikro-Algen, die sich in zwei bis vier Wochen rasant vermehren, wenn die Voraussetzungen stimmen. Die Sonne sei Averberg zufolge entscheidend. So viel Licht wie die Sonne biete, könne man elektrisch nicht erzeugen. Also müsse man die Algen im Prinzip ernähren wie eine Hydrokultur, das heißt, man müsse den Algen alles geben wie Nitrat, Phosphor und alle Spurenelemente. Deshalb laufe die Produktion im Winter nicht. Es wäre ein zu hoher Energieaufwand wegen der Beleuchtung – und das wäre teuer und auch weniger nachhaltig.
Über das Wasserbecken, das so groß wie ein Schwimmbad ist, laufen ganz langsam große Rechen, an denen viele Schläuche hängen. Mithilfe eines Mikroprozessors wird Sauerstoff ins Wasser gepumpt. So blubbert es den ganz Tag über im Gewächshaus. Die Wasserqualität kontrolliert Ulrich Averberg regelmäßig.
Wenn die Algen geerntet werden, werde das Wasser aus dem Becken rausgepumpt auf ein Filterband. Die Algen darauf sehen aus wie Spinat. Die Masse falle dann in einen Behälter und aus diesem werde sie auf eine Backblech mit Backpapier gebracht, alles über eine Pumpe. Anschließend werden die langen Algenstreifen getrocknet.
Alle Betriebe der Algengenossenschaft sind zertifiziert und werden regelmäßig kontrolliert, damit keine unerwünschten Stoffe in die Wasserbecken gelangen und die Algen belasten. Das ist Uwe Wilms sehr wichtig. Die Betriebe produzierten eine Süßwasseralge, die sehr sortenrein sei, so Wilms. Denn das Milieu des Wassers durch den pH-Wert sei so, dass Fremdalgen gar nicht existieren könnten. Die deutsche Alge habe den Vorteil, dass sie ressourcenschonend produziert wird. Man spare sich die langen Transportwege, die man sonst bei Produkten aus Asien benötige.
Spirulina als vielfältiges Lebensmittel
Regionale und saubere Produktion ist für Fritz Tietgemeyer, Professor für Lebensmittelsicherheit an der Fachhochschule Münster, die Voraussetzung, um neue pflanzliche Rohstoffe für Lebensmittel zu produzieren. Er probiert gerade neue Rezepte mit Algen aus:
Spirulina im Tierfutter und in Power-Riegeln
Auch im Tierfutter sind Algen keine Seltenheit mehr, denn Spirulina-Algen enthalten auch viele Mikro-Nährstoffe. Aber die Bitterstoffe in den Algen können zu Geschmacksveränderungen führen und deshalb ist die Rezeptentwicklung nicht einfach. Die kräftige, grüne Farbe ist aber gefragt. Bei der Entwicklung von neuen Rezepten hat Fritz Tietgemeyer so seine Erfahrungen gemacht: "Im Wesentlichen nimmt man sie für die Blau- und Grünfärbung, beispielsweise bei Weingummis als natürlichen Farbstoff. Immer mehr nehmen sie aber auch für Power-Riegel und Fitnessprodukte oder eben auch bei Nudeln, um dort einen höheren Proteinanteil zu bekommen."
Bei Kapseln oder Tabletten, die Süßwasseralgen enthalten, raten die Verbraucherzentralen zur Vorsicht. Sie enthalten zwar Eiweiß. Doch sie können nicht den gesamten Eiweißbedarf decken, wie die Werbung häufig verspricht. Die Algen enthalten auch Vitamin B12. Den Mangel an B12 könne man aber nicht nur mit Algen ausgleichen, weil die Bioverfügbarkeit der Algen-Vitamine im Körper nicht so hoch sei wie oft versprochen werde, so Fritz Tietgemeyer.
Als Fleischersatz in Burgern
Trotzdem werden Süßwasseralgen mehr und mehr zu einem gefragten Rohstoff sowohl in der Tierernährung als auch auf dem Teller: "Wenn wir weniger Fleisch essen, was ja der Trend ist, brauchen wir andere Proteinquellen. Da sind die Spirulina-Algen wunderbar". Man müsse es aber technisch schaffen, die Aromen, die nicht so gut schmecken, zu entfernen. "Heutzutage versuchen es die Hersteller zum Beispiel mit Pasta oder sie haben Spirulina-Burger. Aber da bedarf es einiger Kniffs, um das auch geschmacklich hinzubekommen."
Die Kinder von Ulrich Averbeck waren vom Experiment Kartoffelpürree mit Algen anfangs nicht so begeistert, aber ein paar grüne Streusel davon sind heute kein Problem mehr. Ulrich Averberg ist überzeugt, dass sich dieses neue Standbein auf Bauernhöfen und im Gartenbau auszahlen wird: