Es gibt kaum Zahlen darüber, wie verbreitet die Sucht ist, Pornos zu schauen. Aber der Trend geht nach oben, vor allem bei Jugendlichen. Das Seelen- und Sexualleben der Betroffenen leidet sehr. Eltern sollten deshalb offen mit ihren Kindern über Sexualität sprechen.
Porno-Portale sind sehr erfolgreich. Viele Eltern wissen gar nicht, was ihre Kinder so alles am Computer treiben. Homeschooling? Computer spielen oder gar auf Pornoseiten surfen? Andrea Kuhnert ist Allgemeinmedizinerin und behandelt in ihrer psychotherapeutischen Praxis auch Pornosüchtige.
Typische Patienten mit Pornosucht sind jung und männlich
Früher Kontakt mit Pornographie
Kuhnert geht davon aus, dass männliche Jugendliche zu einem Prozentsatz von 85 bis 90 Prozent, wenn nicht sogar 100 Prozent schon mal Pornos konsumiert hätten oder das sogar regelmäßig tun. Manche seien da zufällig darauf geraten oder von Freunden darauf aufmerksam gemacht worden. Andrea Kuhnert schätzt, dass Mädchen deutlich seltener Pornos schauen. Doch etwa zwei Drittel der erwachsene Frauen hätten schon mal Pornos gesehen.
Heute ist es oft so, dass Kinder und Jugendlichen bereits Pornos schauen, bevor sie das erste Mal einen realen Menschen küssen konnten.
Es gibt nach der Einschätzung von Andrea Kuhnert zwei große Sparten von Pornokonsumenten:
- Auch Menschen, die sich in festen Partnerschaften befinden, schauen Pornos. Darüber wird wenig geredet. Die kommen dann in die paartherapeutische Praxis, weil es deshalb Eheprobleme oder Probleme mit der Sexualität gibt.
- Es sind vor allem junge Männer, die seit ihrer Jugend Pornos konsumieren, bevor sie wirklich das erste Mal geküsst haben, bevor sie mit einer Partnerin angefangen haben, im ganz natürlichen Sinne Sexualität zu entdecken. Deren Zahl nimmt in den letzten Jahren stark zu.
Was sind Anzeichen einer Pornosucht?
Es gibt Männer, die schon morgens auf dem Laptop Pornos konsumieren und die dann auch spät nachts davor enden. Die haben, so Kuhnert, einen ganz großen Leidensdruck, weil sie denken, das Leben finde einfach nicht mehr statt. Andrea Kuhnert erklärt, dass es bereits eine Form von Sucht ist, wenn Betroffene sich ohnmächtig fühlen gegenüber solchen Handlungen. Sie entwickeln schon einen hohen Leidensdruck, selbst wenn sie nur einmal am Tag abends Pornos gucken:
Wichtig sei, so Kuhnert aber auch, wie das System darauf reagiert. Wenn die Beziehung oder die Ehe durch den Pornokonsum des Mannes gefährdet ist, gibt es auch einen hohen Leidensdruck im System.
Woran erkennt man Pornosucht bei Kindern und welche Folgen hat das?
Mit Kindern sollte man darüber sprechen. Kinder kriegen, so die Einschätzung von Andrea Kuhnert, in der Regel in der Schule heute ziemlich viel Aufklärung. Auch Eltern bekämen eine gute Aufklärung an den Schulen darüber, wo sie nachgucken sollen, was sie blocken sollen. Doch in der Regel können viele Kinder das auch wieder ausschalten. Der beste Weg sei es, mit den Kindern darüber zu reden, das Thema Pornos zu thematisieren.
Der Pornografiekonsum hat, so Kuhnert, aus wissenschaftlicher Perspektive nicht für jedes Kind, für jeden Jugendlichen, für jeden Erwachsenen die gleichen Auswirkungen. Ein Stück weit eine Bedeutung hat, wie ein Kind Bindungen eingeht. Ist es ein zurückgezogenes Kind? Vermeidet es Beziehungen? Kann es darüber sprechen? Hat es überhaupt Erfahrungen im körperlichen Umgang?
Kinder, die Beziehungen vermeiden, die ohne Körperberührung aufgewachsen sind, stellen, so Kuhnert, erstmal über die eigene Berührung, das Masturbieren, das Onanieren eine Beziehung zu sich selbst her. Sie seien nachher auch tatsächlich wesentlich gefährdeter in ihrem Sozialverhalten durch exzessiven Pornokonsum. Diese Jugendlichen trauen sich nämlich häufig echte Beziehungen nicht zu. Wie geht ein normaler Zungenkuss? So etwas lernen wir ja nicht im Internet. Man muss es halt einfach ausprobieren.
Andrea Kuhnert rät Vätern oder Müttern, das Thema mit ihren Kindern anzuschneiden. Sie rät aber vor allem auch dazu, das Kind freizulassen und es auch zu ermutigen, Kontakte zu knüpfen, abends mal ein bisschen länger draußen zu bleiben, in Gruppen unterwegs zu sein.
Wer ist besonders anfällig für Pornos?
Andrea Kuhnert betont, dass es keine Frage der gesellschaftlichen Schicht sei, dass man anfällig für exzessiven Pornokonsum wird. Betroffen sind ihrer Einschätzung nach vor allem Jugendliche, die nicht viel Körperkontakt und zwischenmenschlichen Kontakt erfahren haben. Das könne es auch sehr gut in akademischen Familien geben.
Exzessiver Pornokonsum hat auch körperliche Folgen
So haben auch immer mehr jüngere Männer Erektionsprobleme, die erst bei echtem Kontakt mit einem Geschlechtspartner auftreten. Das Gehirn sei dann, so Kuhnert, nach diesem vielen Pornokonsum einfach auf härtere Trigger getrimmt. Die schönen Körper, die wir aus Pornos kennen, bekommen wir in der Realität oft nicht geboten.
Das betreffe auch ältere Paare, wenn Männer in Pornos mit den Bildern junger Frauen beschäftigt sind. Dann erleben die Ehefrauen oder Partnerinnen: Die Männer ziehen sich zurück und merken tatsächlich auch, dass sie keine Erektion mehr zustande bringen.
Pornokosum ein Massenphänomen - Was können Eltern tun?
Andrea Kuhnert findet es gut, wenn sich Eltern über digitale Sperrmöglichkeiten Gedanken machen. Andererseits gebe es gerade in asiatischen Ländern einen vermehrten Pornokonsum, wo die Sexualität aus dem Alltag ausgesperrt werde, wo sehr viel Kontrolle sei und wenig Körper, Zugewandtheit.
Was sich Eltern fragen sollten
Dazu gehört zum Beispiel: die Tür abschließen, bei Verhütungsfragen behilflich zu sein. Diese Dinge seien, so Kuhnert, eigentlich normal.