Videospiele enthalten oft explizite Gewaltdarstellungen. Immer wieder werden Sorgen geäußert, dass solche Spiele ihre Nutzerinnen und Nutzer gegenüber Gewalt abstumpfen lassen und sie an Mitgefühl verlieren. Eine neue Studie zeigt, dass das wohl nicht der Fall ist.
Videospiele und gerade solche, die Gewaltdarstellungen enthalten, findet man heute in vielen Wohn- und Kinderzimmern. Ob solche Spiele, wie oft kontrovers diskutiert wird, negative Auswirkungen auf die Empathie ihrer Spielenden haben, hat ein internationales Forschungsteam der Universität Wien und des Karolinska-Instituts in Stockholm untersucht.
Mehrwöchiges Experiment mit Erwachsenen
Das Forschungsteam um die Wiener Neurowissenschafter Claus Lamm und Lukas Lengersdorff wollte herausfinden, ob gewalttätige Videospiele tatsächlich die Hemmschwelle für echte Gewalt herabsetzen könnten. Für ihre Studie haben sie 89 männliche Erwachsene über mehrere Wochen hinweg wiederholt das im Handel erhältliche gewalttätige Videospiel Grand Theft Auto V spielen lassen.
Zunächst wurde vor der Spielephase anhand von Gehirnscans erfasst, wie die Teilnehmenden der Studie darauf reagieren, wenn einer zweiten Person schmerzhafte Elektroschocks verabreicht werden. In der darauffolgenden Videospiel-Phase sollten die Spielerinnen und Spieler sieben Mal für jeweils eine Stunde im Forschungslabor eine besonders gewalttätige Version des eingesetzten Videospiels spielen.
Dabei sollten sie durch die Spielwelt laufen und möglichst viele andere Charaktere umbringen. Dabei floss im Spiel sichtlich Blut, was nicht unüblich für derartige Spiele sei, erklärt Lengersdorff im Interview mit SWR2-Impuls. In einer Kontrollgruppe spielten die Teilnehmenden eine gewaltfreie Version desselben Videospiels und sollten lediglich Fotos der anderen Figuren im Spiel machen.
Abschließend wurden wie zu Beginn der Untersuchung Gehirnscans angefertigt und analysiert, ob sich die empathischen Reaktionen der Spielerinnen und Spieler verändert hatten. Als Empathie wird nach Lengersdorff ganz allgemein das Teilen und Mitempfinden der Gefühle einer anderen Person definiert.
In der Studie ging es speziell um Schmerz-Empathie, wobei die Schmerzen anderer Person zu einem gewissen Anteil mitgefühlt werden und dieselben Gehirnreaktionen aktiviert werden, wie wenn die beobachtende Person selbst Schmerzen zugefügt bekommen würde.
Videospielgewalt hatte keine erkennbaren Effekte auf Empathie
Ein Vergleich der empathischen Reaktionen der Versuchsgruppe mit extremen Gewaltdarstellungen und der Kontrollgruppe ohne diese zeigte keine statistischen Unterschiede. Ebenso gab es keine nennenswerten Unterschiede in der Aktivität der mit Empathie assoziierten Gehirnregionen. Die Forschenden schlossen daraus: Die Videospielgewalt hatte keinen erkennbaren Effekt auf die empathischen Fähigkeiten der Versuchspersonen.
Die Autorinnen und Autoren der Studie raten jedoch ausdrücklich von vorschnellen Schlüssen ab. Nach Lengersdorff beweise die Studie nicht, dass gewalttätige Videospiele grundsätzlich harmlos seien und auch nach hunderten Spielstunden keine Effekte auf das Empathievermögen hätten.
Vielmehr liege der Wert der Studie darin, dass sie einen neuen Blick auf frühere Studienergebnisse ermöglicht. Aus diesen ging hervor, dass bereits einige Minuten Spielzeit negative Effekte hätten. Dem widerspricht die neue Studie nach Lengersdorff eindeutig. Der Unterschied liege vermutlich darin, dass in den meisten früheren Studien das Spielen des gewalttätigen Videospiels unmittelbar vor der Datenerhebung stattfand.
Außerdem wurden dabei oft Personen, die schon gewalttätige Videospiele gespielt haben mit anderen verglichen, die das nicht haben. Das ist nach Lengersdorff ist das eine wichtige Limitation dieser früheren Studienergebnisse:
Zukünftige Studien zu Gewalt in Videospielen auch in hinsichtlich Kindern und Jugendlichen
Letztlich ist die Studie nach Co-Autor Claus Lamm ein Schritt in Richtung eines neuen methodischen Standards für die zukünftige Erforschung der Effekte gewalttätiger Videospiele.
Wichtig sei dann auch der Blick auf die Effekte bei Kindern und Jugendlichen, deren Gehirn sehr viel mehr von wiederholten Gewaltdarstellungen beeinflusst werden könnte als das von Erwachsenen. Wie sich das experimentell untersuchen ließe, wirft jedoch auch ethische Fragen auf.