Der ehemalige Präsident des Robert Koch-Instituts für Seuchenbekämpfung wird für seine herausragende Rolle bei der Bekämpfung der Corona-Pandemie geehrt. Aber er sorgte auch für Konfliktpotential. Eine Übersicht über seinen Werdegang und öffentliche Resonanz.
Die Corona-Pandemie machte Lothar Wieler schlagartig der deutschen Öffentlichkeit bekannt. Der Tierarzt und Mikrobiologe war von 2015 bis 2023 Präsident des Robert Koch-Instituts (RKI), das in Deutschland für die Bekämpfung von Infektionserkrankungen zuständig ist.
Ein Tierarzt als Chef des RKI?
Die Frage, ob Lothar Wieler als Tiermediziener die richtige Besetzung für das Amt des RKI-Präsidenten sei, beantwortet er kurz nach seiner Amtsübernahme in einem SWR Interview so:
Pandemiebeginn: Wieler erst zögerlich, dann konsequent
In der Laufbahn des vielfach mit Preisen ausgezeichneten Wissenschaftlers ist das Management der Corona-Pandemie die herausragende Aufgabe. Gelobt wird er vor allem für die kontinuierliche, unaufgeregte und verständliche Kommunikation zum Verlauf der Pandemie und zum Krisenmanagement.
Aber es gibt auch Kritik: Vor allem zu Beginn der Pandemie habe Wieler den Ernst der Lage nicht erkannt und deshalb zu zögerlich reagiert. So erklärt er im Januar 2020:
Wenige Monate später schätzt der damalige RKI-Chef die Lage deutlich dramatischer ein. Er spricht sogar von einer nationalen Notlage.
Wieler ruft zu sozialem Verhalten auf
In der Krisenkommunikation von Lothar Wieler fällt auf, dass er nicht nur wissenschaftliche und medizinische Aspekte thematisiert, sondern auch Hinweise zum sozialen Verhalten gibt. Im März 2020 appelliert er an die Bürger, sich umeinander zu kümmern: „Gehen Sie Einkaufen für ältere Nachbarn oder Menschen, die chronisch krank sind und lieber zuhause bleiben möchten. Kümmern Sie sich um ihre Freunde, Bekannte, Kollegen, wenn die unter Quarantäne gestellt werden. Sie können sie anrufen oder ihnen Nachrichten schicken oder ihnen ein gutes Buch in den Briefkasten legen“.
Lothar Wieler sorgt auch für Konfliktpotential
Für Impfgegner und Corona-Leugner wird der RKI-Chef zur Hassfigur. Es gibt sogar Morddrohungen.
Nach dem Regierungswechsel im Dezember 2021 kommt es wiederholt zu Konflikten zwischen Gesundheitsminister Lauterbach und dem Mediziner - so auch als Wieler entgegen Lauterbachs Plänen zu Weihnachten 2021 strenge Kontaktbeschränkungen fordert. Oder als Wieler in einer umstrittenen Entscheidung quasi über Nacht den Status der Corona-Genesenen von 180 auf 90 Tage verkürzt. Wieler und Lauterbach vermeiden zwar öffentlichen Streit, doch ihr Verhältnis gilt als belastet.
Wieler gesteht Fehler beim Krisenmanagement ein
Rückblickend gesteht der ehemalige Präsident des Robert Koch-Instituts, dass beim Krisenmanagement auch Fehler gemacht wurden. So sei die Öffentlichkeit mit zu viel Informationen überlastet worden, sagt er im April 2023 gegenüber dem SWR: „Wir sprechen heute in Fachkreisen von einer Infodemie – also zu viel Information und auch zu viel falsche Information. Das ist sicher schade gewesen, weil dadurch viele Menschen verunsichert wurden und nicht mehr wussten, was sie noch für bare Münze nehmen können.“
Abkehr vom RKI
Im Januar 2023 kündigt der Mikrobiologe überraschend an, das Amt des RKI-Chefs im April niederzulegen. Seitdem arbeitet Lothar Wieler als Sprecher der Forschungsgruppe Digitale Gesundheit am Hasso Plattner- Institut in Potsdam.