Vorratsschädlinge wie Getreidemotten und Reiskäfer breiten sich auch in Deutschland aus. Das könnte die Versorgungssicherheit mit Getreide, Bohnen und Trockenobst gefährden.
Erzwespen spüren Larven auf
Wer schon einmal Lebensmittelmotten hatte, kennt sie vielleicht: Schlupfwespen. Diese kann man als Alternative zu Klebefallen oder der Chemiekeule einsetzen, um die lästigen Schädlinge wieder loszuwerden. Biologische Schädlingsbekämpfung wird auch im industriellen Vorratsschutz eingesetzt, zum Beispiel gegen den Kornkäfer. Hier kommen vor allem Lagererzwespen der Art Lariophagus distinguendus zum Einsatz.
Das Weibchen der Lagererzwespe sucht im gesamten Getreide nach den Körnern, die mit den Larven des Kornkäfers belegt sind, erklärt Dr. Cornel Adler, wissenschaftlicher Direktor am Julius Kühn-Institut, dem Bundesforschungsinstitut für Kulturpflanzen in Berlin. Sie spürt die Kornkäferlarve anhand ihrer Kotspuren auf. Lagererzwespen sind dadurch sehr gute "Detektive" und können befallene von unbefallenen Körnern unterscheiden.
Doch die Larve ist zusätzlich im Korninneren versteckt. Die parasitäre Wespe durchbohrt also mit ihrem Legebohrer das Getreidekorn, so Adler, und lähmt die Larve. Sie legt dann ihr eigenes Ei an der Käfernlarve ab. Der Nachwuchs der Lagererzwespe ernährt sich von der Larve, wodurch die Kornkäfer nach und nach verschwinden.
Biologische Schädlingsbekämpfung reicht nicht aus
Diese Art der Schädlingsbekämpfung funktioniert gut, solange die Nützlinge früh genug ausgebracht werden und den Schädlingen zahlenmäßig überlegen sind. Das Problem ist aber: Insbesondere bei Lagern mit vielen 100 Tonnen Getreide können eine Landwirtin oder ein Lagerhalter häufig nur schwer einschätzen, wie viele Körner befallen sind. Deswegen reicht biologische Schädlingsbekämpfung alleine nicht aus.
Das Problem: Forschung im industriellen Vorratsschutz wurde in den letzten Jahrzehnten aber europaweit vernachlässigt. Jahrelang hatte man sich auf dem Siegeszug der chemischen Bekämpfungsmittel ausgeruht. Das Wissen über Vorratsschädlinge und angemessene Bekämpfungsmethoden ist in der Landwirtschaft deshalb weitgehend verloren gegangen. Die gute Nachricht ist:
Bestes Mittel ist Prävention
Insgesamt gibt es nur noch sehr wenige Stoffe, die in dem Bereich zugelassen sind. Es gibt noch physikalische Methoden, um Insekten zu bekämpfen. Das Einfrieren oder Erhitzen von großen Mengen kann jedoch schnell teuer werden und wird deshalb eher ungern praktiziert.
Das beste Mittel ist die Prävention. Also, wenn die Insekten gar nicht erst ins Getreide gelangen. Doch das gelingt nicht immer. Wir hätten eigentlich weltweit keine gute Lösung, wie man Getreide so lagern kann, dass wir keine Schädlingsprobleme bekommen, sagt Adler.
Das betreffe gerade die großen Mengenprodukte, also Körner, Schüttgüter, wie eben Bohnen oder Getreidekörner. Diese würden so gelagert, erklärt Adler, dass sie gut durchlüftet sind. Aber wenn sie gut durchlüftet sind, kommen auch Insekten rein. Und wenn die Insekten drin atmen, dann werde es feucht und warm und dann kommen die Schimmelpilze dazu und wir haben überall Probleme mit Mykotoxinen, so der Forscher.
Moderne Läger mit geeignetem Lüftungssystem wären eine Lösung für das Problem. Doch niedrige Getreidepreise haben Investitionen in dem Bereich lange unrentabel gemacht. Mittlerweile sind die Preise wieder gestiegen und eine Investition würde sich lohnen. Dafür muss jedoch die Dringlichkeit deutlich werden.
Adler rechnet damit, dass der Schädlingsbefall bei Vorräten in Zukunft wegen der Erderwärmung zunehmen wird: Bei höheren Temperaturen fühlen sich die Insekten besonders wohl. Im Rahmen der letzten weltweiten Tagung von Fachleuten im Bereich Vorratsschutz, im Jahre 2018, konnten die Forschenden ein weiteres Problem feststellen:
Erderwärmung verschärft Schädlingsproblem
Dass Schädlinge in Deutschland also bereits vor der Ernte in der Ähre des Korns vorkommen, lässt sich auf die Klimakrise zurückführen: Das kann nur passieren, wenn es trocken genug wird und lange stehen bleibt. So ein Phänomen kennt man sonst nur aus den Tropen.
Um dem zunehmenden Schädlingsdruck zu begegnen, müsste man zunächst wissen, wie hoch die Verluste überhaupt sind. In Afrika gibt es mit dem African Postharvest Losses Information System, kurz APHLIS, ein funktionierendes Netzwerk um Vorratsverluste zu beziffern.
Vorratsschutz in Europa mangelhaft
Sowas könnten wir in Europa eigentlich auch machen, sagt Adler. Dann könnte man von Südafrika bis nach Norwegen feststellen: Wie hoch sind denn unsere Verluste? Aber so etwas gebe es leider nicht. Auch an der Überwachung und Beratung der Betriebe mangelt es:
Insgesamt sei es um den Vorratsschutz in Europa nicht sehr gut bestellt, schildert Adler. In den letzten Jahrzehnten haben etwa Frankreich, Dänemark und Großbritannien Institute geschlossen, die sich mit dem Thema beschäftigt haben. Aus Ersparnisgründen wird an der Lagerung und dem Qualitätserhalt von trockenen Grundnahrungsmitteln vielerorts nicht länger geforscht. In Zeiten des Klimawandels ist das eine fatale Entwicklung.