Gespräch

Enormer Datenpool soll Klimaschutz für Korallen erleichtern

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Interview
Jochen Steiner im Gespräch mit Christian Voolstra, Professor am Limnologischen Institut an der Universität Konstanz.
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Lilly Zerbst

Der Klimawandel zerstört Korallenriffe, die Heimat von einem Drittel aller im Meer lebenden Arten. Wie die Daten der Tara-Expedition dabei helfen sollen, Korallen besser zu verstehen und vor dem Klimatod zu retten, erklärt Meeresbiologe Christian Voolstra.

Über zwei Jahre segelte das Forschungsschiff Tara durch den Pazifik. Dabei haben die Forschenden an Bord mehr als 50.000 Wasser- und Korallenproben aus knapp hundert Korallenriffen entnommen und so die bisher größte Datenkollektion von Korallenriffen erstellt. Erste Ergebnisse der Probenanalysen wurden jetzt im Fachmagazin Nature Communications veröffentlicht. Der Meeresbiologe Professor Christian Voolstra von der Universität Konstanz gehört zu den Koordinatoren der Expedition und war für insgesamt 80 Tage an Bord der Tara.

Weltkarte mit eingezeichneter Route des Expeditionssschiffs "Tara".
Auf ihrer Pazifik Expedition legte die "Tara" über 100.000 Kilometer zurück und machte an fast 100 Korallenriffen halt.

Der Klimawandel hinterlässt seine Spuren

Jochen Steiner, SWR: Sie sind selbst viel getaucht. Wie sahen die Korallenriffe denn aus? Sind die noch intakt?

Christian Voolstra, Professor für Genetische Adaption in aquatischen Systemen: Ich war an einem Riff, an dem man die höchste Korallendichte hat, die ich jemals gesehen habe. Aber viele dieser Korallen waren gebleicht. Das ist dieses Phänomen, mit dem ich mich wissenschaftlich beschäftige und mit dem wir auch leider zu kämpfen haben.

"Man kann nur das schützen, von dem man weiß, dass es existiert"

Jochen Steiner: Man dachte ja, man würde schon viel über Korallen wissen. Aber das ist wohl nicht so, denn Sie haben ganz viele Proben gesammelt. Welche Art von Proben haben Sie gesammelt?

Christian Voolstra: Es ging darum, mit dieser Expedition eine Art Inventur von Korallenriffen zu schaffen. Diese Expedition ist im Zusammenhang mit der enormen Anzahl genommener Proben wirklich einmalig.

Wir haben zum einen ausgesuchte Spezies über den kompletten Pazifik hinweg gesammelt. Mit diesen Proben können wir erfahren, wie variabel bestimmte Korallenspezies sind.

Wir haben aber auch mit dem Ziel, die Diversität abzubilden, gesammelt. Wir haben an bestimmten Riffen so viel verschiedene Korallen wie möglich gesammelt. Denn wie viel verschiedene Arten es gibt, muss ständig nach oben korrigiert werden.

Das Forschungsschiff Tara im Hafen
Die Tara ist ein 36 Meter langes französisches Segelschiff. In ihrer pazifischen Forschungsexpedition von Mai 2016 bis Oktober 2018 legte sie über 100.000 Kilometer zurück und machte an knapp hundert Korallenriffen halt.

Langjährige Analysen liefern erste Ergebnisse

Jochen Steiner: Was ist denn mit den Proben nach der Expedition, die ja seit einer Weile abgeschlossen ist, passiert?

Christian Voolstra: Generell ist es so, dass verschiedene Proben an verschiedene Labore gesendet wurden, entweder zur Bearbeitung oder zur Analyse. Jetzt, fünf Jahre nach Ende der Expedition, kommen die ersten Ergebnisse.

Meine Expertise liegt in diesen kleinen Algenzellen, die man in jeder Koralle findet. Wir können die gut typisieren. Anhand der Alge kann man sagen, um welche Art von Koralle sich es handelt.

Luftaufnahme des Great Barrier Reefs in Australien.
Insgesamt 70 Forschende aus acht Ländern waren an der Tara-Expedition im Pazifik beteiligt. Christian Voolstra war zwei Mal für je 40 Tage an Bord. Dabei tauchte er im Great Barrier Reef in Australien (siehe Bild) und in der Inselgruppe Ducie im Pazifik.

Bakterien helfen, die Gesundheit der Korallen zu prüfen

Jochen Steiner: Es wurde herausgefunden, dass es mehr Mikroorganismen im Pazifik gibt als bislang gedacht. Was bedeutet dieses Ergebnis für das Ökosystem dort?

Christian Voolstra: Was wir finden konnten, ist, dass es viel mehr Bakterien gibt als angenommen und dass diese Bakterien sehr wahrscheinlich auch wichtige Aufgaben übernehmen.

Da Bakterien relativ einfach zu untersuchen sind und relativ gut darauf hindeuten, ob es einem Ökosystem oder einer Koralle gut geht, hat man dadurch auch ein System, mit dem man herausfinden kann, welchen Gesundheitsstatus ein Korallenriff hat.

Das ist heutzutage sehr wichtig. Der Klimawandel hat die Korallenriffe stark angegriffen. Wenn man ein System hat, um zu sagen, welchen Korallenriffen es gut oder schlecht geht, hat man viel mehr Handhabe, an diesen Umständen etwas zu ändern.

"Es wird erstmal sehr viel schlimmer, bevor es besser wird"

Jochen Steiner: Die ersten Ergebnisse, die Sie haben, helfen dabei, die Korallen besser zu verstehen und in Zukunft besser schützen zu können. Glauben Sie auch, dass die Korallen vielleicht in Zeiten des Klimawandels doch noch eine Chance haben, weltweit zu überleben?

Christian Voolstra: Es wird erstmal sehr viel schlimmer, bevor es besser wird. Wir werden viele Korallen verlieren. Aber es wird immer Korallenriffe geben, die überleben und deren Schutz auch wichtig ist.

Wissenschaftlich will man herausfinden, welche Korallenriffe besonders schützenswert sind, weil sie eine hohe Artenvielfalt haben oder weil sie besonders resistent oder resilient sind. Diese Korallen oder Korallenriffe muss man dann unter besonderen Schutz stellen. Die sind dann im Prinzip das Reservoir, von dem die Korallenriffe wieder zurückfinden können, nachdem wir hoffentlich klimaneutral sind in den nächsten Jahrzehnten.

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