Klingt eklig, aber ein neuer Ansatz eines finnischen Forschungsteams könnte Babys nach einem Kaiserschnitt helfen. Das Team gab dazu Stuhlproben der Mutter in die Muttermilch.
Stuhltransplantationen sind noch immer eine Nische in der Medizin. In Deutschland werden sie zur Behandlung einzelner Darmerkrankungen testweise eingesetzt.
Ein finnisches Forschungsteam hat nun getestet, ob Stuhlproben in der Muttermilch Neugeborenen nach einem Kaiserschnitt zugute kommen können. Das Verfahren ist durchaus umstritten.
Stuhlprobe soll natürliche Geburt simulieren
In der Studie gaben 36 Mütter kleine Stuhlproben ab. Ihre Neugeborenen erhielten diese Stuhlproben dann aufgelöst in der Muttermilch. So soll für Neugeborene nach einem Kaiserschnitt eine natürliche Geburt simuliert werden - zumindest ein Stück weit.
Ähnliche Experimente gibt es auch mit dem Sekret aus der Vagina. So soll das Kind mit Bakterien der Mutter trotz Kaiserschnitt in Kontakt kommen - ganz ähnlich wie bei der spontanen Geburt.
Kaiserschnitt verhindert Kontakt zu Bakterien der Mutter
Der erste Kontakt mit Bakterien findet während der Geburt im Geburtskanal statt. Diese Bakterien kommen aber nicht nur in der Vagina, sondern auch im Darm der Mutter vor, erklärt die Immunologin Stephanie Ganal-Vonarburg von der Universität Bern. Deswegen mache es ihr zufolge durchaus Sinn, dass man sowohl Vaginalsekret als auch Stuhl der Mutter verwendet, um diesen Kontakt zu den Bakterien, die beim Kaiserschnitt nicht stattfinden kann, nachzuahmen.
Werden Neugeborene mit und ohne Kaiserschnitt verglichen, unterscheidet sich das Mikrobiom, also die Zusammensetzung der Mikroben zum Beispiel im Darm und auf der Haut. Das veränderte Mikrobiom wird in früheren Studien mit einem erhöhten Risiko für spätere Krankheiten wie Asthma, Diabetes oder Allergien in Verbindung gebracht.
Wie das Mikrobiom unsere Gesundheit beeinflusst
Effekt des Kaiserschnitts auf die Gesundheit bleibt umstritten
Es gibt noch viele Wissenslücken. Wie stark und ob sich eine veränderte Mikroben-Zusammensetzung nach einem Kaiserschnitt langfristig auswirkt, ist in der Fachwelt durchaus umstritten, sagt Christiane Sokollik, Kinderärztin und Gastroenterologin am Universitätsspital Bern.
“Große epidemiologische Studien (...) haben vielleicht ein kleines Signal, dass es von Nachteil sein kann. Geht man aber auf kleinere Populationen oder sogar auf das einzelne Kind zurück, so scheint sich das da zu minimieren oder der Effekt wirklich vernachlässigbar zu sein”, so Sokollik. Die Studien kommen also zu sehr unterschiedlichen Ergebnissen.
Klar ist aber, dass der Kaiserschnitt und der damit verbundene Einfluss auf das Mikrobiom der Kinder nicht überbewertet werden sollte, sagt die Immunologin Stephanie Ganal-Vonarburg: "Der Kaiserschnitt ist jetzt nicht der Risikofaktor, der dazu beiträgt, dass das Kind vielleicht später weniger gesund sein wird. Das ist wirklich ein Faktor von sehr vielen, die sich im Laufe des Lebens akkumulieren.”
Andere Faktoren seien zum Beispiel die Vergabe von Antibiotika im ersten Lebensjahr, so Sokollik. Auch dabei würde sich die Zusammensetzung der Bakterien vor allem im Darm entscheidend verändern.
Studienerfolg: Muttermilch-Mix verändert das Mikrobiom
Was sich hingegen eindeutig beobachten lässt, ist der unmittelbare Effekt, wenn Neugeborene nach einem Kaiserschnitt nachträglich mit Mikroben der Mutter in Kontakt kommen – also durch Vaginalsekret oder Stuhlproben, sagt Ganal-Vonarburg: “Die Studien haben bisher gezeigt, (...) dass das Mikrobiom sehr ähnlich aussieht. Ob es jetzt wirklich langfristige gesundheitliche Vorteile hat, konnten die Studien bisher nicht zeigen.”
Bevor Stuhlproben in der Muttermilch oder nachträgliches Einschmieren mit Vaginalsekret im klinischen Alltag ihren Platz finden können, müssen erst langfristige gesundheitliche Vorteile nachgewiesen werden. Und potentielle Risiken wie das Übertragen von Krankheiten müssen ausgeschlossen werden.
"Kacka-Milch" bleibt Grundlagenforschung
Das Verfahren selbst ist jedenfalls vermutlich weniger eklig als es sich anhört - nur eine geringe Stuhlproben-Menge wurde im Rahmen der aktuellen Studie in der Muttermilch aufgelöst, erklärt Ganal-Vonarburg: “In der Studie wurden 3,5 Milligramm gegeben. Das entspricht einer Menge, die kleiner ist als ein Reiskorn.”
Eine winzige Stuhlprobe, die in der Fachwelt für Diskussionen sorgt. Noch ist der Muttermilch-Mix nur Teil von Grundlagenforschung – auch weil Neugeborene nach einem Kaiserschnitt bisher keine gesicherten langfristigen Nachteile haben.
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