Am 12. April ist Internationaler Tag der bemannten Raumfahrt. Warum wir trotz Roboter und KI Astronaut*innen brauchen. Ein Gespräch mit ESA-Generaldirektor Josef Aschbacher.
Am 12. April ist der Internationale Tag der bemannten Raumfahrt. Vor genau 63 Jahren flog der sowjetische Kosmonaut Juri Gagarin als erster Mensch in den Weltraum.
Seitdem sind Generationen von Astronauten zu Missionen gestartet und spätestens seit Inbetriebnahme der Internationalen Raumstation (ISS) vor mehr als 20 Jahren hat eine gewisse Routine eingesetzt. Wozu brauchen wir heute noch die sehr teuren bemannten, also astronautischen Raumfahrtprogramme? Wo ist der Mehrwert? Dazu haben wir mit dem Generaldirektor der Europäische Weltraumorganisation (ESA), Josef Aschbacher, gesprochen.
Das Streben zum Mond
SWR Wissen: Wie wichtig ist in der heutigen Zeit die astronautische Raumfahrt?
Josef Aschbacher: Die astronautische Raumfahrt erlebt gerade eine Renaissance. Die USA streben noch in dieser Dekade an, wieder zum Mond zu fliegen und dort Fußabdrücke zu hinterlassen. Aber es gibt auch Initiativen von anderen Ländern. So hat China erklärt, bis zum Jahr 2030 Taikonauten auf den Mond zu bringen. Indien hat neulich durch Premierminister Modi auch ein Statement veröffentlicht, dass Indien bis 2040 einen Astronauten auf den Mond bringen will. Das heißt, es tut sich sehr viel.
SWR Wissen: Die ESA verfügt weder über eine passende Rakete noch über ein Raumschiff, um zum Mond zu fliegen. Wann und wie werden europäische Astronaut*innen starten?
Josef Aschbacher: Wir haben keine konkreten Zusagen, wann eine europäische Astronautin oder Astronaut zum Mond fliegt. Wir haben aber ein sehr starkes Partnerschaftsabkommen mit der NASA, um Astronauten über das Artemis-Mondprogramm zum sogenannten Gateway zu bringen. Das Gateway ist eine Raumstation, die um den Mond kreist und von dort fliegen die Astronauten dann zum Mond. Es gibt aber heute noch kein vereinbartes Datum, wann das für Europa so weit sein wird.
Wir sind durch unsere Beiträge am Artemis-Programm der wichtigste internationale Partner für die NASA. Wir liefern das European Service Modul, das ist sozusagen der Antrieb des Orion-Raumschiffs, regelt aber auch die Temperatur und Sauerstoffzufuhr. Ohne unseren europäischen Beitrag kann die NASA keine Astronauten zum Mond bringen. Darum haben wir bislang drei Flüge von der NASA zugesprochen bekommen, zwei zum Gateway mit Artemis IV und V, der dritte Flug wird noch verhandelt.
Ohne Menschen ist Monderkundung unmöglich
SWR WISSEN: Warum müssen eigentlich Astronauten zum Mond fliegen. Reicht es nicht, wenn man Sonden zur Erkundung hochschickt?
Josef Aschbacher: Der Mensch ist unersetzlich. Natürlich werden wir gemeinsam mit Robotik und künstlicher Intelligenz auch die Mondoberfläche erkunden. Das steht außer Zweifel. Aber es braucht eine gute Kombination aus beidem.
Ein Mensch, der beispielsweise auf dem Mond das Gelände erkundet, kann mehr sehen als ein Roboter mit allen erdenklichen Sensoren und Kameras. Er denkt sehr viel weiter, viel holistischer, also ganzheitlicher als alle Software und Roboter, die wir programmieren können. Abgesehen davon kann eine Astronautin oder ein Astronaut viel größere Strecken zurücklegen, um Gebiete zu erforschen, als ein Rover.
Astronaut*innen sind Botschafter*innen
SWR WISSEN: Wie wichtig sind Astronautinnen und Astronauten als "Botschafter"?
Josef Aschbacher: Sehr wichtig. Sie kommunizieren, was sie gesehen haben. Sie drücken ihre Gefühle aus, die Freuden, die Ängste, die Spannung. Das können nur Menschen. Und das sieht man ja auch gerade in Deutschland mit den beiden exzellenten Astronauten Alexander Gerst und Matthias Maurer, die sehr präsent sind.
Ich kann mich noch gut erinnern, als ich neulich mit Alexander Gerst gesprochen habe und ihn gefragt habe: Was war denn so beeindruckend für dich, als du da aus der Raumstation runter geschaut hast auf die Erde? Da sagte er: Josef, du wirst lachen. Ich bin Geophysiker, so wie du auch. Und natürlich weiß man, dass die Erde rund ist. Aber wenn man dann diese Krümmung der Erde sieht, aus dem Weltraum, das ist einfach faszinierend, da wird einem einfach klar, wie die Erde aufgebaut ist, auch wie fragil unsere Atmosphäre ist und wie verletzlich unser Planet Erde ist. Solche Eindrücke können natürlich nur Astronautinnen und Astronauten liefern.
Raumfahrt als wirtschaftliche Zukunftsdomäne
SWR WISSEN: Warum wollen überhaupt so viele Länder zurück zum Mond? Und warum will sich Europa an dem "Hype" beteiligen?
Josef Aschbacher: Mit der Mondexploration entwickeln sich in der Zukunft ganz neue Wirtschaftszweige. Es werden Bodenschätze abgebaut werden. Auf dem Mond gibt es Eis, das kann man umwandeln in Raketentreibstoff oder Sauerstoff für Astronauten. Es geht darum, ein Camp aufzubauen, in dem man Forschung betreibt. Forschung und ökonomische Aspekte werden Hand in Hand gehen.
Wir wissen heute noch nicht, was der Mond zu bieten hat. Deshalb wollen wir uns natürlich auch an der Exploration beteiligen. Solche Pläne existieren schon heute. Es steht auf dem Spiel, wie sich Europa positioniert in den nächsten zehn, 20 Jahren, als Kontinent, der Technologie entwickelt.
Wir haben exzellente Technologien im Automobilsektor, im Maschinenbau, in vielen anderen Bereichen und die Raumfahrt wird eine Zukunftsdomäne sein. Das heißt, wenn Europa hier nicht aktiv ist und anerkannt wird als eine treibende Kraft, dann werden wir auch international in vielen anderen Bereichen einfach nicht mehr wettbewerbsfähig sein.
Abgesehen davon wird die Technologie, die entwickelt wird, für die astronautische Raumfahrt und die Flüge zum Mond, auch in vielen anderen Bereichen Eingang finden, ob in der pharmazeutischen Industrie oder in der Energiewirtschaft.
ESA liefert Technologie und Informationen über die Erde
SWR WISSEN: Raumfahrt ist kostspielig und lebt von öffentlichen Geldern. Wie verteilt sich das ESA-Budget?
Josef Aschbacher: Die astronautische Raumfahrt ist DAS Symbol für Exploration. Aber man darf nicht vergessen, dass die ESA etwa die Hälfte ihres Geldes für Erdbeobachtung, Navigation und Telekommunikation ausgibt. Unser Fokus liegt auf dem Planeten Erde. Die NASA hat den Fokus mehr auf Exploration, also auf astronautische Raumfahrt ausgerichtet, zum Mond und zum Mars. Hier sieht man die etwas unterschiedlichen Prioritäten der Raumfahrtagenturen.
Wenn Sie das Budget der ESA dividieren durch die Anzahl der Menschen, die in den ESA-Mitgliedsländern wohnen, bedeutet das: Unser Budget beträgt dieses Jahr etwa 7,8 Milliarden Euro, dividiert durch die Anzahl der Bevölkerung, ergibt das in etwa ein Budget von 14 € pro Person pro Jahr. Bei 14 Euro mag man sagen, dass das viel Geld ist, aber es ist doch relativ moderat und vielleicht so viel, wie man für einen Kaffeehaus-Aufenthalt ausgibt oder für ein Kino Ticket. Die ESA macht sehr gutes Kino für diese 14 Euro. Wir liefern sehr viel Technologie und auch sehr viel Informationen über unseren Planeten, aber auch über das Universum und unsere Existenz.
Sonden und Satelliten der ESA
SWR WISSEN: Im vergangenen Jahr landete eine indische Sonde auf dem Mond, in diesem Jahr bereits eine japanische und zum ersten Mal eine Sonde eines privaten US-Unternehmens. Wann ist Europa dran?
Josef Aschbacher: Die ESA entwickelt eine Sonde, die "Argonaut" heißt und auf dem Mond um das Jahr 2031 landen wird. Eine Mission, die übrigens von Deutschland geführt wird, innerhalb des Rahmens der ESA. Wir werden Fracht von der Erde zum Mond bringen - relativ große Fracht - 1,5 Tonnen an Fracht wird auf dem Mond landen.
Ein anderes Programm, das wir 2022 beschlossen haben, ist "Moonlight", eine Konstellation aus Navigations- und Telekommunikationssatelliten, die um die Mondumlaufbahn kreisen werden, um auf dem Mond Navigation und Telekommunikation zu ermöglichen. Ähnlich, wie dies heute auf der Erde möglich ist. Sie können sich vorstellen, dass dies noch sehr zukunftsorientiert ist und noch einige Jahre dauern wird, aber es hat durchaus Potential für die zukünftige Mondwirtschaft.
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22.10.1969 | Nachdem im Juli 1969 erstmals Astronauten den Mond betreten haben, bringen sie auch Material von der Mondoberfläche zur Erde mit. Dieser Mondstaub wird nicht nur bei der Nasa in Houston analysiert, sondern vor allem in Mainz, am Max-Planck-Institut für Chemie. Aus den 250 Gramm Mondstaub versuchen die Forscher etwas über die Entstehung des Mondes herauszufinden, und ob Erde und Mond einen gemeinsamen Ursprung haben. Am 22. Oktober 1969 – drei Monate nach der Mondlandung – gibt Prof. Heinrich Wänke die ersten Auskünfte im Südwestfunk.