Die gerade gestartete "Hera"-Sonde wurde vom deutschen Raumfahrt- und Technologiekonzern OHB gebaut. SWR Wissen hat mit dem OHB-Vorstandsvorsitzenden Marco Fuchs gesprochen.
Die europäische "Hera"-Sonde ist jetzt erfolgreich ins All gestartet. Entwickelt und zusammengebaut wurde die Sonde vom deutschen Raumfahrt- und Technologiekonzern OHB; viele Unternehmen aus den ESA-Mitgliedsstaaten und Japan haben Bauteile zugeliefert. Ute Spangenberger hat mit dem OHB-Vorstandsvorsitzenden Marco Fuchs über den Satelliten, den Schutz vor Asteroiden und die Bereitschaft der Politik gesprochen, in Raumfahrtprojekte zu investieren.
SWR Wissen: Warum ist diese "Hera"-Mission so wichtig?
Marco Fuchs: Asteroideneinschläge sind in der Erdgeschichte schon öfter passiert und gehören zu den fundamentalen Gefahren, denen die Erde ausgesetzt ist. Einschläge größerer Asteroiden auf die Erde sind wirkliche Katastrophen. Vor 60 Millionen Jahren hat ein Asteroid etwa zum Aussterben der Dinosaurier geführt. Nach solch einem Einschlag können sich Tiere und Pflanzen erst über lange darwinistische Zyklen sozusagen adaptieren und den neuen Bedürfnissen anpassen.
Kleines Zeitfenster für den Start von "Hera"
SWR Wissen: Hätte sich der Start von "Hera" aus technischen oder wetterbedingten Gründen verschoben, hätte man nur bis zum 27. Oktober starten können. Danach nicht mehr, warum?
Marco Fuchs: Genau. Wir haben ein relativ enges, sogenanntes Launch Window, also Startfenster, weil wir zu einem Asteroidenpärchen fliegen, das sich ebenfalls bewegt und gerade jetzt von der Erde aus gut zu erreichen ist. Wenn wir erst nach dem 27. Oktober hätten starten können, müssten wir zwei Jahre warten, erst dann öffnet sich wieder ein gutes Startfenster.
Außerdem passt jetzt auch die Konstellation zwischen Erde und Mars. Der Satellit muss am Mars vorbeifliegen, um dort einen sogenannten "Swing by" zu machen, ein Manöver, um im Vorbeiflug Schwung zu holen. Man nutzt sozusagen die Schwerkraft des Mars wie bei einer Schleuderbewegung.
SWR Wissen: Die Arbeit am Satelliten "Hera" wurde ja begonnen, bevor klar war, dass die Vorgängermission der NASA überhaupt glücken wird. Wie sehr haben Sie die Daumen gedrückt?
Marco Fuchs: Sehr natürlich. Das ist ja eine Kooperation zwischen den Amerikanern und Europäern. Es war immer klar, dass "Hera" erst startet, wenn die NASA-Sonde erfolgreich auf dem Asteroid Dimorphos eingeschlagen ist. Jetzt soll "Hera" die Eigenschaften des Asteroiden und vor allem den Einschlagsort der NASA-Sonde untersuchen und vermessen. Ohne den Einschlag der NASA-Sonde hätte es die europäische Mission so nicht gegeben.
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Marco Fuchs: Finanzierung des Satelliten "Hera" war schwierig
SWR Wissen: Sie hatten relativ wenig Zeit für den Bau des Satelliten, weil der Ministerrat der Europäischen Weltraumagentur (ESA) erst 2019 das Geld für die Mission bewilligt hat. Beim Ministerratstreffen 2016 war die Finanzierung von den Politikern noch verweigert worden.
Marco Fuchs: Diese ESA-Konferenzen finden immer im Dreijahreszyklus statt und dort geht es darum, dass immer große Beträge von Steuergeldern für Projekte freigegeben werden. Obwohl es damals auch viel Unterstützung für die Mission gab, überwogen die Stimmen, die sagten, dass das alles doch Science Fiction sei und weder funktioniert noch gebraucht wird.
Doch nun hat die Vorgängermission der NASA gezeigt: Es hat geklappt und ich bin froh, dass wir durchgehalten haben. Jetzt ist die Sonde fertig, wir haben alles termingerecht geschafft, obwohl es viel Skepsis gab, dass vier Jahre zu wenig Zeit seien, um eine solche Sonde zu entwickeln und zu bauen. Aber wirklich gelungen ist die Mission natürlich erst, wenn wir an dem Asteroiden angekommen sind und Messungen gemacht haben.
SWR Wissen: Wie schwierig ist es hier in Europa, Politiker von der Sinnhaftigkeit und damit auch der Finanzierung von Raumfahrtmissionen zu überzeugen?
Marco Fuchs: Es ist oft schwierig, Raumfahrt zu finanzieren, weil es natürlich das Bewusstsein gibt, dass es um Steuergelder geht und die will man nicht für Schnickschnack ausgeben und schon gar nicht für irgendwelche Spielerei und Neugier. Das muss schon wirklich fundierten Nutzen bringen auf der Erde.
Und da ist man immer sehr schnell bei diesen klassischen Applications, also den nützlichen Anwendungen für die Erde. Man will mit Satelliten Erdbeobachtung machen, um Klimaforschung zu betreiben, man will Navigation machen, damit dann Verkehrsströme optimiert werden oder man will Kommunikation machen, damit man davon einen Nutzen auf dem Boden hat.
Das ist die klassische Denke. Wenn es um Exploration des Weltraums geht, um Wissenschaft also oder wenn es um astronautische Raumfahrt geht, denkt die Öffentlichkeit hier oft, das hört sich nach Hollywood an und so etwas brauchen wir nicht.
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USA: Raumfahrt ist Gesamtverantwortung für die Welt
SWR Wissen: Ist das in den USA anders? Hat man dort mehr Verständnis für die Erforschung des Weltraums?
Marco Fuchs: Auch dort sind die Entscheider skeptisch, das ist in Amerika strukturell nicht anders. Auch über NASA-Missionen wird hart gerungen. Es gibt immer mehr Ideen als Geld und das ist auch gut so. Insofern ist auch bei der NASA der Auswahlprozess wirklich rigide. Was Amerika vielleicht anders macht als Europa: Dort traut man sich größere Risiken zu.
Amerika sieht sich eher in der Gesamtverantwortung für die Welt. Und im Fall von "Hera" heißt das, zu lernen, wie wir die Welt vor einem Asteroiden schützen können. Viele in Europa denken: Ach, lasst uns lieber erstmal unsere Tagesprobleme lösen, bevor wir uns um so was kümmern. Da wird schon der liebe Gott Erbarmen haben und die Asteroiden an uns vorbeifliegen lassen.
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