Vor allem Zimmerpflanzen hilft ein bisschen Zuspruch. Denn dabei bekommen sie eine Extradosis CO₂. Und: Tomaten und Wein „hören“ offenbar gerne Musik. Aber haben Pflanzen auch Gefühle?
Im Forschungsgewächshaus der Universität Hamburg gedeihen unter anderem Raps, Kohl und Bohnen. Den Pflanzen geht es offenbar bestens. Und das ohne, dass jemand etwas gesagt hätte. Auf das Gemüse einreden – das klingt auch erstmal ziemlich komisch. Aber die Biologin Julia Kehr weiß:
Eine Zimmerpflanze hat dabei sicherlich mehr vom Smalltalk als das Stiefmütterchen im Balkonkasten, wo der Wind das begehrte CO2 schnell in Luft auflösen kann.
Wein mag Mozart
Es gibt auch wissenschaftliche Studien, die belegen sollen, dass zum Beispiel Wein und Tomaten gerne Musik hören. Demnach hat ein Winzer in Florenz seinen Ertrag gesteigert und den Geschmack seiner Trauben verbessert, indem er seinen Pflanzen Aufnahmen von Mozart, Mahler und Vivaldi vorspielte. Andere Weinbauer berichten von ähnlichen Erfahrungen.
Rote Tomaten fahren dagegen angeblich auf Pop-Musik von Simply Red ab. Schöne Geschichten. Sie haben laut Biologin Julia Kehr allerdings alle einen kleinen Haken:
Haben Pflanzen Gefühle?
Schallwellen, die das Wachstum fördern, Kohlendioxid, das bei der Photosynthese hilft – das klingt alles erstmal ganz schön nüchtern und emotionslos. Und nicht danach, dass Pflanzen tatsächlich Gefühle haben. Tatsächlich hat das Grünzeug keine Neuronen und kein Gehirn, was Reize verarbeiten kann. Trotzdem sind Pflanzen keineswegs einfach gestrickt, betont Julia Kehr:
Professor Frantisek Baluska von der Uni Bonn hat da so seine Zweifel. Er ist davon überzeugt, dass sich Pflanzen, Tiere und Menschen sehr viel ähnlicher sind, als es die klassische Biologie lehrt. Deshalb hält er es für möglich, dass auch Pflanzen Gefühle haben könnten:
Umstrittene Neurobiologie
Pflanzen-Neurobiologie heißt seine Forschungsrichtung, die innerhalb der Wissenschaft sehr umstritten ist. Pflanzliche Zellen seien demnach den Nervenzellen von Tieren und Menschen, den sogenannten Neuronen, sehr ähnlich. Denn, so Frantisek Baluska:
Gewisse Ähnlichkeiten zwischen Pflanzen, Tieren und Menschen sieht auch Julia Kehr von der Universität Hamburg. Ein Beispiel sind die Wurzelnetzwerke im Wald. Wird ein Baum zum Beispiel von Käfern befallen, sendet er Botenstoffe aus. Die werden über das unterirdische Netzwerk verbreitet und wirken wie ein Warnsignal für Nachbarbäume. Ob die Bäume das allerdings absichtlich tun, ist unklar.
Dürfen wir Pflanzen essen?
Das sieht auch Frantisek Baluska von der Uni Bonn so. Trotzdem hält er Pflanzen für so komplexe Organismen, dass das Verspeisen von Kohlrabi, Knoblauch und Co einen gewissen Beigeschmack haben könnte…
„Wir müssen etwas Lebendes essen. Und ob das bei Pflanzen jetzt so schmerzhaft ist wie bei Tieren oder Menschen, das ist immer die Frage. Aber ich vermute, die haben da schon ein Problem irgendwie…“
Julia Kehr sieht das dagegen wie die meisten Wissenschaftler*innen deutlich gelassener:
„Pflanzen können ganz tolle Sachen. Aber man muss nicht versuchen, eine Pflanze einem Tier gleichzusetzen. Sie müssen nicht warten, bis die Früchte reif vom Baum fallen. Man kann durchaus auch ohne ein schlechtes Gewissen Salatblätter essen oder Mohrrüben oder anderes Gemüse. Pflanzen sind keine Tiere und keine Menschen!“