Auch im Betäubungsschlaf reagieren die Hirnzellen von Mäusen auf Geräusche – allerdings anders als im Wachzustand. Das zeigt eine aktuelle Studie aus Frankreich.
Unter Vollnarkose werden Teile des Gehirns gezielt ausgeschaltet: Bei einer Operation hat man so weder Schmerz- noch Druckempfinden und fällt in einen tiefen Betäubungsschlaf. Doch bekommt man unter Vollnarkose wirklich gar nichts mehr mit?
Hirn bleibt bei Narkose aktiv
Tatsächlich wird unser Hirn nicht einfach ‚abgeschaltet‘. Es ist daueraktiv, selbst unter Narkose. Das zeigte ein deutsch-japanisches Forschungsteam bereits vor wenigen Jahren in einer Studie. Die Zellen bleiben in Aktion. Doch sie verändern die Art und Weise, wie sie Reize verarbeiten und somit auch die menschliche Wahrnehmung während einer Anästhesie.
Neue Studie zeigt: Wahrnehmung verändert sich unter Narkose
Wie Forschende der Universität Paris-Saclay jetzt herausgefunden haben, beeinflusst eine Narkose wohl auch die Wahrnehmung von Geräuschen. Das Team um Anton Filipchuk hat dazu ein Experiment an Mäusen durchgeführt: Den Mäusen wurde eine Folge von 50 vorab festgelegten Tönen vorgespielt. Ein Teil der Mäuse befand sich im Wachzustand, der andere stand unter dem Einfluss von Narkosemitteln.
Die Forscherinnen und Forscher wollten herausfinden, wie die Neuronen der Mäuse einerseits im wachen Zustand und andererseits unter Narkose auf die Töne reagieren.
Um die Reaktion der Tiere zu messen, hat sich das Forschungsteam den auditiven Kortex der Mäuse genauer angeschaut. Das ist der Bereich der Großhirnrinde, der Gehörreize verarbeitet. Auch die Aktivität im Thalamus wurde untersucht. Dies ist das Zentrum im Zwischenhirn, das eng mit der Großhirnrinde verknüpft ist und für die Weiterleitung der Stimuli sorgt.
Mithilfe einer speziellen Aufzeichnungstechnik konnte das Team die Aktivität der Neuronen sichtbar machen und messen.
Kreative Muster im Wachzustand
Wenn man im Wachzustand ein Geräusch hört, bilden die Neuronen im Gehirn klangspezifische Muster, um das Gehörte zu verarbeiten. Laut der Forschenden aus Frankreich unterschieden sich die kreativen Aktivitätsmuster bei jedem Ton und waren in jedem Mäusehirn ganz individuell. Die Neuronenaktivität, die als Reaktion auf die Töne entstand, hob sich in der Studie klar von der normalen Daueraktivität des Gehirns ab.
Narkose blockiert spezifische Reaktion auf Töne
Die Studie zeigt, dass der auditive Kortex der Mäuse selbst unter Narkose auf die Töne reagiert. Die Reize werden vom Thalamus zunächst ganz normal an die Großhirnrinde weitergeleitet. Dort werden sie dann aber bei einer Anästhesie ganz anders verarbeitet als im wachen Zustand.
Die Neuronen bildeten nicht die kreativen Muster, die im Wachzustand zu beobachten waren. Reaktionen auf die Geräusche war zwar sichtbar, sie unterschieden sich jedoch hinsichtlich der einzelnen Töne nicht.
Unter Narkose greift das Gehirn auf bereits bestehende Neuronenverbände zurück, anstatt neue zu bilden. Die neuronale Reaktion auf die Geräusche hob sich in der Studie kaum von der Daueraktivität des Gehirns ab.
Im Wachzustand werden viel mehr Informationen über die Geräusche im Gehirn verarbeitet. Das zeigen die vielseitigen Neuronenverbindungen, die als Reaktion auf die Töne entstehen.
Laut der Forscherinnen und Forscher könnte das eine Erklärung dafür sein, weshalb Menschen Geräusche unter Narkose nicht richtig einordnen können.
Anders ist es im Schlaf. Auch in Tiefschlafphasen ist die Weckschwelle hoch. Nicht alle Geräusche werden zum Kortex weitergeleitet. Wir können aber prinzipiell jederzeit aufgeweckt werden. Bei einer Narkose hängt dies von der Medikamentenwirkung ab.
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