Wer einen Hund zuhause hat, kennt das: Der Vierbeiner mag längst nicht alle Artgenossen, sondern hat Lieblingskumpels. Aber ist das tatsächlich Freundschaft?
Stefan Troendle im Gespräch mit Karsten Brensing, Meeresbiologe, Tierschützer und Autor.
Fledermäuse, Kühe, Delfine: Auch Tiere schließen Freundschaften
Es gibt inzwischen jede Menge Studien, die ganz klar zeigen: Ja, es gibt tiefe Freundschaften unter Tieren. Und zwar auch bei solchen, an die man erstmal gar nicht denkt bei dem Thema, zum Beispiel Fledermäuse. Befreundete Weibchen helfen sich gegenseitig bei der Geburt. Und Vampir-Fledermäuse geben hungrigen Freunden notfalls sogar gesaugtes Blut ab, wie eine Studie zeigt, die in Current Biology erschienen ist.
Enge Freundschaften finden sich auch bei Delfinen. Laut einer Studie, die in Nature Communications veröffentlicht wurde, können die sich mit individuellen Namenspfiffen auch auf weite Strecken gegenseitig rufen. Und sie erkennen ehemalige Gefährten auch noch nach 20 Jahren. Bei klassischen Herdentieren kommt es auf die Art an: Kühe führen häufiger Zweierfreundschaften; Pferde dagegen bilden eher große Cliquen.
Freundschaften unter Tieren haben auch biologischen Grund
In der Evolutionsforschung spielen soziale Bindungen eine wichtige Rolle. Viele Fachleute gehen davon aus, dass Freundschaft am Anfang der Intelligenz steht: das ist die sogenannte "Social Brain Hypothese". Die besagt, dass bestimmte Tiere nur deshalb große, intelligente Gehirne entwickelt haben, um ihr komplexes Sozialleben zu managen.
Grundsätzlich sind Freundschaften nur unter Tieren möglich, die Individuen klar erkennen können und ein langes Gedächtnis haben. Bei Pavianen und Elefanten schließen vor allem die Weibchen Freundschaft miteinander, bei Delfinen sind es meist Freundschaften unter Männchen. Immer spielt dabei das Bindungshormon Oxytocin eine wichtige Rolle: das schütten wir Menschen beim Küssen und Kuscheln genauso aus, wie Tiere, wenn sie ihren besten Freund begrüßen.
Wie Hund und Katz? Auch unterschiedliche Arten schließen Freundschaften
Tiere schließen Freundschaften oft nach dem Motto "Gleich und gleich gesellt sich gern". Das heißt, die Ruhigen suchen sich eher keine hektischen Freunde und umgekehrt. Bei Hunden gehören beste Kumpels oft zur selben Rasse: da passen Spielverhalten und Körpersprache am besten zusammen.
Aber es gibt auch Ausnahmen: Wenn zum Beispiel Dogge und Dackel zusammen aufwachsen, können auch sie ein Herz und eine Seele werden. Jungtiere sind auch offen für Freunde aus anderen Arten: Wenn der Welpe mit einer jungen Katze aufwächst, lernt jeder die Körpersprache des anderen, manchmal entsteht daraus eine jahrelange Freundschaft.
Freundschaften in freier Wildbahn
Doch nicht nur Haustiere schließen zu unterschiedlichen Arten Freundschaften. Einige verblüffende Beispiele: in einem russischen Tierpark fühlen sich ein Tiger und ein Ziegenbock eng verbunden; in einem dänischen Zirkus sind Kamel und Elefant unzertrennlich.
Neben solchen Einzelfällen gibt es aber auch klassische Konstellationen in freier Wildbahn: zum Beispiel zwischen Wölfen und Raben. Beide Arten sind Jagdpartner, aber es ist mehr als eine reine Zweckbeziehung: sie spielen auch miteinander und entwickeln gegenseitiges Vertrauen. Die wichtigste artübergreifende Freundschaft bei Tieren bleibt jedoch die zu uns Menschen: für Hunde ist die Bindung an geliebte Besitzer oft noch wichtiger als zu Artgenossen.