Extremwetter

Neuer Index soll Gefahr durch Sturzfluten anzeigen

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Stefan Troendle
Stefan Troendle, Reporter und Redakteur bei SWR Wissen aktuell und SWR Kultur Impuls.
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Lilly Zerbst
Portraitbild der Reporterin Lilly Zerbst.

Die kürzlichen Hochwasser zeigen: Extremwetterereignisse wie Starkregen nehmen zu. Forschende an der Uni Freiburg entwickeln derzeit einen Index, der die Gefahren von Sturzfluten einordnen soll.

Sturzfluten auch außerhalb von Flussgebieten eine Gefahr

Schon lange gibt es zur Einschätzung von Gefahren durch Hochwasser sogenannte Hochwasserkarten. Doch bei denen gehe es um typische Flusshochwasser, sagt Markus Weiler, Professor für Hydrologie an der Uni Freiburg. Der neue Sturzflutindex soll aber auch abfließendes Wasser außerhalb von Flussgebieten berücksichtigen:

Von Hängen läuft bei solchem Gewitter Wasser herunter, durch den Niederschlag. Es überflutet Straßen, gerade wo noch nie ein Gerinne war. Diese in kleineren Gebieten vorhandenen Überflutungen wird der Sturzflutindex spezifisch lokalisieren und vorhersagen.

Sturzflutindex berücksichtigt lokale Bodenbeschaffenheit

Mit der Sturzflut von Braunsbach östlich von Heilbronn vor sechs Jahren hat zum Beispiel niemand gerechnet. Der Sturzflutindex von Markus Weiler und seinem Team an der Uni Freiburg und anderen Forschungseinrichtungen bezieht neben Wettervorhersage und Niederschlag auch die Eigenschaften der jeweiligen Gebiete mit ein – zum Beispiel, ob es viele versiegelte Flächen wie Parkplätze, Straßen oder Industrieanlagen gibt. Oder, ob der Boden schon nass und mit Wasser gesättigt ist.

Bei den Ereignissen Anfang Juni hatte es schon Tage und Wochen immer mal wieder geregnet, 20 bis 30 Millimeter am Tag. Die Böden waren somit sehr feucht.

Bei den kürzlichen Überschwemmungen in Süddeutschland mussten zahlreiche Anwohner evakuiert werden.
Bei den kürzlichen Überschwemmungen in Süddeutschland mussten zahlreiche Anwohner evakuiert werden.

Aber es muss nicht immer nur feucht sein, so Weiler. Auch wenn die Böden sehr trocken sind, kann das Wasser schlechter eindringen und sehr hohe Menge Oberflächenabfluss bilden, erklärt er. Die Eigenschaft der Böden ist einer der wichtigsten Faktoren:

Da stellt sich die Frage: Wie gut kann das Wasser infiltrieren? Orte, an denen sich ein Oberflächenabfluss bildet und zusammenfließen kann, sind gefährdet.

Auch die Geografie entscheidet über die Sturzflut-Gefahr

An manchen Stellen könne das Wasser natürlich zurückgehalten werden. Die Sturzflut würde dann geringer ausfallen, so Weiler.

Zur Gefahreneinschätzung ist es wichtig zu wissen, wie schnell und direkt das Wasser zusammenfließt, sodass sich die Sturzflut bilden kann. Und vor allem: Wohin das Wasser fließt, wie hügelig das Gebiet ist, ob dort weitere Gewässer sind und letztlich welche Bereiche das Wasser überfluten würde.

Wenn die Überflutungen so stark sind, dass sie eine Gefährdung darstellen, dann würden wir das flächenmäßig beschreiben. Wir haben das definiert über Zustände wie "Autos schwimmen weg" oder "Personen können nicht mehr über eine Straße laufen“. Diese Anteile sind in diesem Sturzflutindex definiert.

Analyse aktueller Hochwasser soll Index verbessern

Ein Bild, das sich beim Hochwasser von Braunsbach vielen eingebrannt hat: das wegschwimmende Feuerwehrauto, bei dem das Blaulicht noch eingeschaltet war. Markus Weiler und sein Team überprüfen den Sturzflutindex gerade anhand von früheren und aktuellen Wetterkatastrophen:

Wir sind gerade dabei, die aktuellen Ereignisse zu überprüfen. Wir haben noch zusätzliche Aufnahmen gemacht und wollen diese jetzt nutzen, um den Index möglicherweise zu verbessern.

Zerstörung nach der Hochwasser-Katastrophe in Braunsbach
Zerstörung nach der Hochwasser-Katastrophe in Braunsbach.

Sturzflutindex könnte eines Tages Leben retten

Denn Sturzfluten sind gefährlich, oft auch lebensgefährlich. Vor allem dann, wenn Wasser schnell fließt oder hoch ist. Und weil viele Menschen gar nicht wissen, dass sie gefährdet sind.

Aber: die Vorhersage von Starkregen ist kompliziert. Von dieser Vorhersage hängt der neue Sturzflutindex ab – daher sind mehr als ein paar Stunden Vorwarnzeit nicht möglich. Auch bis das System flächendeckend funktioniert, wird es noch dauern.

Momentan wählen die Freiburger Testgemeinden aus, um den vom Bund geförderten Sturzflutindex weiterentwickeln zu können. Eine Voraussetzung: in den letzten 15 Jahren muss die Gemeinde schon einmal von Starkregen getroffen worden sein.