Fischverzehr – nachhaltig und ohne schlechtes Gewissen. Ein deutsches Startup erzeugt Fisch im Labor. Aber wie funktioniert das eigentlich?
2020 gründete der Zellbiologe Sebastian Rakers gemeinsam mit einem Partner in Lübeck das Startup „Bluu Biosciences“ . Das Ziel: als erstes europäisches Unternehmen wollen sie zellbasierten Fisch auf den Markt bringen – in zwei bis drei Jahren soll es so weit sein. Laborversuche mit Zellen von Lachs, Karpfen und Forelle sind laut Rakers vielversprechend.
Wie stellt man Fisch im Labor her?
Der Schlüssel zur künstlichen Herstellung von Fleisch und Fisch sind Stammzellen. Dem Fisch werden sie gemeinsam mit Muskelzellen entnommen, ohne das Tier dabei zu töten. Stammzellen sind in der Lage, sich massenhaft zu vermehren und frisches Gewebe zu bilden.
Damit das gelingt, regt das Tier die Zellteilung auf natürliche Weise an. Im Labor müssen die Signale aufwendig nachgeahmt werden. Dazu wird so genanntes fetales Kälberserum benötigt, das schwangeren Kühen auf Schlachthöfen entnommen wird. Sebastian Rakers und sein Team arbeiten aber an pflanzlichen Alternativen zum Kälberserum.
Vorteile der künstlichen Fischproduktion
Obwohl zur Herstellung momentan noch auf tierische Produkte zurückgegriffen werden muss, entlastet das künstliche Erzeugnis die Ökosysteme. Kultivierte Tierprodukte könnten den Nahrungsbedarf der wachsenden Bevölkerung nachhaltig stillen, ohne Massentierhaltung und Überfischung auf ein Maximum zu treiben.
Das hat auch positive Auswirkungen auf Klima und Gesundheit, so Wirtschaftsexperte Nick Lin-Hi. Denn Fisch ist zunehmend von gesundheitsschädlichem Mikroplastik belastet. Und die Fleischproduktion ist CO2 aufwendig.
Das sich wandelnde Klima sorgt außerdem für Planungsunsicherheiten in anderen Nahrungsmittelsektoren. Die Fleisch- und Fischproduktion im Labor gilt als zuverlässiger und könnte Versorgungsengpässe ausgleichen.
Hoher Energieverbrauch bei der Produktion im Labor?
Bis kultivierter Fisch die Nahrungsversorgung großflächig unterstützt, ist es aber noch ein weiter Weg. Viele Faktoren sind noch ungewiss, beispielsweise der Energieverbrauch. Denn noch findet die Produktion in kleinem Stil statt. Sollte sich das Verfahren etablieren, könne der Energieaufwand, den der konventionellen Landwirtschaft deutlich übersteigen. Darauf macht die Technikphilosophin Silvia Woll vom Karlsruher Institut für Technologie aufmerksam.
Ist kultivierter Fisch zukunftstauglich?
Klar ist: künstliches Fleisch und kultivierter Fisch sollen dem Original möglichst nahekommen – Geschmack und Struktur sollte stimmen. Das versuchen die Entwickler momentan zu optimieren. Aber finden Fleisch und Fisch aus dem Labor auch Abnehmer? Und kann man sich das überhaupt leisten?
Bisher hält sich die Begeisterung in Grenzen. Für viele wirkt das künstliche Tierprodukt abstoßend. Das könnte sich aber ändern, sobald die Produkte auf dem Markt landen und sich etablieren, so Technikphilosophin Silvia Woll. Beim Analog-Käse sei das schon geschehen.
Auch wenn die Produktion von „in vitro“ Fleisch und Fisch momentan noch kostspielig ist, zeigt sich Rakers zuversichtlich, dass sein Produkt irgendwann sogar günstiger als herkömmliche Fisch sein wird.