Medizin

Schweineherz-Transplantation: Organ war mit Virus infiziert

Stand
Autor/in
Veronika Simon
Onlinefassung
Ralf Kölbel
Stefan Troendle

Einem amerikanischen Ärzteteam war es im Januar 2022 erstmals gelungen, ein genetisch verändertes Schweineherz erfolgreich in einen Menschen zu transplantieren. Er verstarb allerdings nach zwei Monaten - vermutlich weil das Schweineherz mit einem Virus infiziert war.

Die Schlagzeile im Januar war riesig: Einem schwerkranken Menschen in den USA wurde das erste Mal ein Schweineherz implantiert. In den letzten Jahren gab es immer wieder Berichte über die Fortschritte der Xenotransplantation, also der Transplantation von Organen einer anderen Tierart, in diesem Fall von einem Schwein.

Schweineherz-Transplantation war alternativlos

Am Anfang war der Jubel groß, der amerikanische Patient überlebte – doch etwa zwei Monate nach der Operation verstarb er. Nun ist mehr über eine mögliche Todesursache bekannt – mit einem bitteren Beigeschmack.

Man hätte es wissen können. Mit etwas mehr Sorgfalt hätte der erste Empfänger einer Schweineherz-Transplantation vielleicht nicht so schnell sterben müssen. Vielleicht. Die Ausgangslage war so: Ein 57-jährige Mann in den USA war schwer herzkrank, es gab keine Therapiemöglichkeiten mehr für ihn, auch für eine normale Herztransplantation kam er nicht Frage – möglicherweise war sein Zustand schon zu schlecht dafür.

Schweineherz-Transplanatation gilt als großer Fortschritt in der Xenotransplantation.

Sehr wahrscheinlich wäre er bald gestorben. Und so entschieden sich Patient und Ärzte gemeinsam, alles auf eine Karte zu setzen: Sie transplantierten ihm ein Schweineherz, extra herangezüchtet und genetisch an den Menschen angepasst.

Und der spektakuläre Versuch klappte: Das Herz wurde nicht abgestoßen, es schlug fast zwei Monate lang im Körper des Patienten. Das werten Expertinnen und Experten auf der ganzen Welt als einen enormen Erfolg, als einen großen Fortschritt in der Xenotransplantation.

Auf diesem von der University of Maryland School of Medicine zur Verfügung gestellten Foto macht Dr. Bartley Griffith (l) im Januar 2022 ein Selfie mit dem Patienten David Bennett.
Auf diesem von der University of Maryland School of Medicine zur Verfügung gestellten Foto macht Dr. Bartley Griffith (l) im Januar 2022 ein Selfie mit dem Patienten David Bennett.

Porzines Cytomegalovirus ist ein trickreiches Virus

Doch es gibt einen Haken in der Geschichte. Und dieser Haken heißt „Porzines Cytomegalovirus“ oder PCMV. Das ist ein in der Xenotransplantation bekanntes Schweinevirus, das einige Zeit nach der Transplantation bei dem US-Patienten nachgewiesen wurde.

Bekannt ist das Virus deshalb, weil es mit über den Erfolg der Transplantation entscheidet: Denn infizierte Organe überleben deutlich kürzer im Empfänger-Körper. Das weiß man zum Beispiel aus Versuchen an Pavianen, die in Deutschland durchgeführt wurden.

Vor einer Transplantation muss man also sicherstellen, dass das Schwein und damit seine Organe PCMV-frei sind. Theoretisch hat das die Firma, die das Spenderschwein gezüchtet hatte, auch garantiert. Doch PCMV ist ein trickreiches Virus.

Schweine können Viren übertragen.
Schweine können Viren wie das Porzine Cytomegalovirus“ (PCMV) in sich tragen. Das sollte vor einer Xenotransplanatation unbedingt mit geeigneten Verfahren getestet werden.

PCMV schlummert im Gewebe

Denn ähnlich wie sein naher Verwandter, der Herpes-Erreger, kann PCMV in eine Art Stand-by-Modus gelangen. Dann schlummert es zwar noch im Gewebe, bleibt aber inaktiv und ist so sehr schwer nachweisbar.

Wahrscheinlich war das auch in dem Spender-Schwein in den USA der Fall. Denn vor der Transplantation wurden bei dem Tier Nasenabstriche durchgeführt, die Ergebnisse für PCMV waren negativ.

Kritik am Testverfahren

Laut dem Leiter der Sektion Xenotransplantation der Technischen Universität München, Konrad Fischer, liegt der Fehler in der Art des durchgeführten Tests: Nasenabstriche reichten bei inaktiven Viren nicht aus - um die Viren auch im Ruhezustand sicher aufzuspüren, gebe es weitaus genauere Tests, die seien in Deutschland bei Versuchen mit Xenotransplantationen auch bereits etabliert.

Hier würden PCR- oder Antikörper-Tests durchgeführt, so der Experte aus München. Seiner Meinung nach sollten die jetzt auch in den USA angewendet werden. Besonders aufwändig sei die Einführung dieser Methoden nicht.

Übertragung der Schweine-Viren wäre vermeidbar gewesen

Und auch Joachim Denner erklärt: Man hätte verhindern können, dass die Schweine-Viren übertragen werden, wenn man die in Deutschland vorhandenen Nachweismethoden angewendet hätte. Denner ist Leiter der Arbeitsgruppe Virussicherheit der Xenotransplantation an der Freien Universität Berlin. Das heißt: Man hätte die Viren entdecken können und dieses spezielle Schweineherz wäre nie transplantiert worden – die Technik dafür ist da.

Am Ende kann man nicht genau sagen, woran der Mann mit dem transplantierten Schweineherz gestorben ist. Offenbar gab es auch Komplikationen bei der Operation, dazu kommen die schwerwiegenden Vorerkrankungen. Dass er überhaupt zwei Monate lang überlebt hat, gilt weiterhin als großer Erfolg. Klar ist mittlerweile aber: Das übertragene Herz war infiziert und das hätte verhindert werden können.

Das Schweineherz wurde genetisch modifiziert. Das soll dabei helfen, Abstoßreaktionen zu vermeiden.
Das Schweineherz wurde genetisch modifiziert. Das soll dabei helfen, Abstoßreaktionen zu vermeiden.

Massentauglich für alle möglichen Organe?

Auch durch diese Operation hat das Forschungsfeld der Tier-zu-Mensch-Transplantationen erneut einen Rückschlag erlitten, aber eben nicht nur - in dem Bereich gibt es auch große Fortschritte. Und es gibt etliche Ansätze: Da geht es um Gewebe aus der Schweine-Bauchspeicheldrüse zum Beispiel, aber auch um Nieren, Lungen oder Hornhaut aus dem Schweineauge. Mit Herzklappen aus genveränderten Schweinen hat man auch schon gute, klinische Erfahrungen gemacht.

Das langfristige Ziel dieser Forschung ist, den weltweiten Mangel an Spenderorganen zu beheben, weil politische Ansätze nicht funktionieren. Auch bei uns sind die nämlich momentan noch undenkbar, aber: In der Schweiz sind sie jetzt Realität.

Künftig müssen Schweizerinnen und Schweizer widersprechen, wenn sie ihre Organe nicht spenden möchten. Das haben sie im Mai 2022 in einer Volksabstimmung entschieden. Auch in Deutschland und in Europa wird diese Widerspruchslösung langfristig sicher die einzig nachhaltige Möglichkeit sein, genug Spenderorgane für alle zur Verfügung zu haben. Ob und wann es dazu kommt? Wir wissen es nicht.

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Veronika Simon
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Ralf Kölbel
Stefan Troendle