Seit dem 3. April sind viele der Corona-Schutzmaßnahmen weggefallen. So gilt beispielsweise in den meisten Bundesländern beim Einkaufen und in Schulen keine Maskenpflicht. Sind diese Lockerungen wissenschaftlich vertretbar?
In fast allen Bundesländern sind nun nach mehr als zwei Jahren Pandemie die meisten Corona-Beschränkungen weggefallen. Ob das zum jetzigen Zeitpunkt eine gute Idee ist, darüber streiten sich nicht nur Expert*innen. Besonders kontrovers diskutiert wird der Wegfall der Maskenpflicht.
In den Bundesländern, die nicht als "Hotspot" eingestuft wurden, müssen Masken jetzt nur noch in Bus und Bahn, in Arztpraxen und in Pflegeeinrichtungen getragen werden.
Ladeninhaber, Theater oder Konzertveranstalter können ihr Hausrecht nutzen und weiter auf dem Tragen von Masken bestehen. Und natürlich ist jedem freigestellt, eigenverantwortlich weiter eine Maske zu tragen, wenn sie oder er es für notwendig hält.
Maske tragen schützt
Wer im Supermarkt oder im Kino weiter eine FFP2-Maske trägt, ist damit sehr gut geschützt – auch wenn die anderen im Raum keine tragen. Ein deutsches Forscherteam hat im Dezember 2021 den Schutzeffekt noch einmal untersucht.
Das Ergebnis: Wenn ein infizierter und ein gesunder Mensch mit FFP2-Maske 20 Minuten dicht beieinander waren, war das Ansteckungsrisiko mit 0,1 Prozent sehr gering. Aber nur, wenn die Maske optimal saß - bei einer lockeren Maske stieg die Infektionsgefahr auf vier Prozent. Und bei einer gutsitzenden OP-Maske lag das Risiko bei zehn Prozent.
Allerdings wurden die Testreihen noch mit Viren der Delta-Variante durchgeführt. Die aktuell vorherrschende Variante Omikron ist zwar deutlich ansteckender, laut den Studienautoren könnten Masken bei ihr jedoch effektiver sein, da sich hier die Viren offenbar vor allem in den oberen Atemwegen befinden: Denn Masken seien besonders geeignet um die großen Partikel abzufangen, die aus den oberen Atemwegen stammen.
Das Risiko, sich anzustecken, ist von mehreren Faktoren abhängig:
- Wie lange hält man sich im selben Raum mit einer infizierten Person auf?
- Wie voll es ist?
- Gibt es eine gute Belüftung?
Kritik am Ende der Maskenpflicht
Patientenschützer, Lehrkräfte und Kinderärzte kritisieren das Ende der Maskenpflicht. Burkhard Rodeck, Generalsekretär der Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin schreibt in einer Pressemitteilung:
Demnach seien Tests unzuverlässig und würden häufig erst eine Infektion anzeigen, wenn das betroffene Kind schon andere angesteckt hat, während OP-Masken zuverlässig Infektionen verhindern würden.
In der kürzlich veröffentlichten Stellungnahme zu Entscheidungen, die in einer Pandemie getroffen werden, schreibt der Deutsche Ethikrat, dass Chancen und Gefahren von Schutzmaßnahmen offen und umfassend diskutiert werden müssen.
Allerdings sei eine Maskenpflicht auch eine “vergleichsweise geringe Beeinträchtigung”. In einem Statement bezüglich der Veröffentlichung des Berichts schreibt Andreas Lob-Hüdepohl, zweiter Vorsitzender des Ethikrats, eine solidarische Gesellschaft sei eine wesentliche Voraussetzung, um individuelle Freiheiten zu behalten oder wiederzuerlangen.
Spätestens im Herbst könnten einige Maßnahmen wieder zurückkommen
Im Freien ist das Ansteckungsrisiko insgesamt eher gering. Im “Coronavirus- Update” des NDR empfielt die Frankfurter Virologin Prof. Sandra Ciesek, weiterhin im Privaten in den Situationen eine Maske zu tragen, in denen es erforderlich sei. Das gelte beispielsweise für Innenräume, in denen Abstände nicht eingehalten werden könnten oder die schlecht belüftet würden. Ciesek empfiehlt, unbedingt auch im öffentlichen Nahverkehr weiter eine Maske zu tragen.
Christian Drosten, Chefepidemiologe der Berliner Charité, geht davon aus, dass wir im Herbst noch einmal die Corona-Schutzmaßnahmen bekommen werden. Aber dass es möglicherweise auch der letzte Herbst ist, in dem wir in Innenräumen Masken tragen werden, um uns und andere vor der Infektion zu schützen.
In den europäischen Nachbarländern sind fast überall die Corona-Beschränkungen weggefallen
Auch wenn viele Expert*innen das Ende vieler Maßnahmen eher kritisch sehen, im europäischen Ausland ist ein Großteil der Corona Beschränkungen bereits gefallen. Österreich bildet hier eine Ausnahme: Dort wurde am 24. März die Maskenpflicht in nahezu allen Innenräumen wieder eingeführt. Österreich hatte bereits am 6. März alle Corona-Vorsichtsmaßnahmen gelockert.
Doch die Regierung hat zurückgerudert, als das Personal in den Kliniken Alarm schlug und die Infektionszahlen wieder rapide anstiegen. So musste der grüne Gesundheitsminister Johannes Rauch im ORF eingestehen, die Lockerungen seien zu früh gekommen.
In der Schweiz sind die meisten Corona-Schutzmaßnahmen bereits Mitte Februar beendet worden. Auch Dänemark, Schweden, Norwegen, Island und Finnland haben nach und nach ihre Beschränkungen aufgehoben. Als Gründe werden einerseits die hohen Impfzahlen genannt, wie auch die milderen Krankheitsverläufe bei einer Omikron-Infektionen.
In Großbritannien läuft das öffentliche Leben ebenfalls wieder ohne Einschränkungen. Nicht einmal nachweislich Infizierte müssen sich noch isolieren. Auch in Frankreich fielen bereits Mitte März die meisten Corona-Beschränkungen wie zum Beispiel die Maskenpflicht in Innenräumen außer in Verkehrsmitteln.
In Spanien sind ebenfalls fast alle Corona-Einschränkungen aufgehoben worden. Nur in öffentlichen Innenräumen und in Bussen und Bahnen gilt noch die Maskenpflicht. Und jüngst hat auch Italien am 31. März den Corona-Ausnahmezustand beendet und damit die meisten Restriktionen abgeschafft.