Atlantische Meereströmungen haben einen wichtigen Einfluss auf unser Klima. Durch den Klimawandel werden diese Umwälzströme schwächer, die Gefahr von Wetterextremen steigt. Professor Stefan Rahmstorf vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung erklärt die Zusammenhänge.
Der Klimawandel sorgt für mehr Hitzewellen, Trockenheit und extremes Wetter wie Starkregen. Kürzlich gab es dazu noch mal einen alarmierenden Weckruf aus der Wissenschaft. Der Weltklimarat hat seinen neuen Sachstandsbericht vorgestellt. Sogar das Ziel, die Erderwärmung im Mittel auf zwei Grad zu begrenzen, wird nur zu erreichen sein, wenn sofort gehandelt wird und weitreichend CO2 eingespart wird.
Golfstrom wirkt wie eine Wärmepumpe
Parallel dazu kam auch die Meldung, die Meeresströmungen im Atlantik werden schwächer. Dazu gehört auch der Golfstrom. Und der ist wesentlich für unser Klima in Europa verantwortlich. Er sorgt nämlich dafür, dass es bei uns in Europa recht mild ist, wie so eine Art Wärmepumpe. Jetzt könnte man annehmen, schwächerer Golfstrom bringt weniger Wärme, das gleicht bei uns vielleicht dann die Erderwärmung durch den Klimawandel aus. Professor Stefan Rahmstorf vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung erforscht das Klima und unsere Ozeane schon sehr lange. Mit ihm sprach SWR2 Impuls darüber, wie das alles zusammenhängt.
In Mathe hat man ja gelernt: Minus mal Minus ergibt Plus. Das ist aber bei der Erderwärmung und dem Golfstrom vermutlich eher nicht zu erwarten? Oder könnten sich die beiden Effekte irgendwie ausgleichen?
Prof. Stefan Rahmstorf: Nein, die gleichen sich nicht aus, weil die Erderwärmung durch das CO2 wirkt weltweit, das CO2 wärmt um den ganzen Globus herum. Das Golfstromsystem, also die atlantische Umwälzzirkulation, wie wir das nennen, bringt punktuell Wärme in den nördlichen Atlantik, wo sie dann an die Luft abgegeben wird. Und wenn sich diese Zirkulation abschwächt, wird es dort punktuell kühler. Und das beobachten wir auch. Der nördliche Atlantik ist die einzige Weltregion, die sich in den letzten hundert Jahren nicht erwärmt, sondern etwas abgekühlt hat.
Wie funktioniert das mit dem Golfstrom? Wie beeinflusst er die Wärme und die Strömungen?
Das ist ganz einfach: An der Oberfläche des Atlantiks strömt das Wasser nach Norden – und das geht vom Südatlantik von Südafrika an quer den ganzen Atlantik hoch, bis nach Norden. Dort kühlt sich das Wasser ab, gibt seine Wärme also an die Luft ab. Das ist diese wärmende Wirkung auf die Atmosphäre. Dabei wird das Wasser dann kalt und dadurch schwerer und sinkt in die Tiefe ab und strömt in einer Tiefe von ca. 2.000 bis 3.000 Meter als tiefer Randstrom nach Süden zurück. Und das funktioniert wie eine Heizung, also warmes Wasser fließt zu uns hin, kaltes Wasser fließt wieder weg.
Video: Wie das Meer unser Wetter macht
Und das beeinflusst das Klima punktuell?
Zunächst mal wärmt das die gesamte Region um den Nordatlantik herum, übrigens auch die gesamte Nordhalbkugel, weil dieser Wärmetransport auch über den Äquator hinweggeht im Atlantik. Das ist der Hauptgrund, warum die Nordhalbkugel etwas wärmer ist als die Südhalbkugel.
Was würde passieren, wenn der Golfstrom immer schwächer wird oder sogar ganz zusammenbricht?
Das ist natürlich ein Extremszenario, dass es zusammenbricht, und zwar nicht der eigentliche Golfstrom, der ja vor der amerikanischen Küste entlangläuft, sondern diese Umwälzströmung, die diese riesigen Wärmemengen nach Norden bringt.
Das muss man immer ein bisschen kompliziert erklären, weil der Golfstrom Teil dieser Umwälzströmung ist, andererseits aber auch teilweise windgetrieben ist und nur die durch Dichte-Unterschiede angetriebene Strömung kann tatsächlich abreißen und hat das in der Erdgeschichte unter bestimmten Bedingungen auch immer wieder getan. Zum Beispiel, wenn es zum Eintragen von großen Schmelzwassermengen in den Nordatlantik kam. Wenn das passiert, das haben wir in der Erdgeschichte gesehen, dann hat das sehr drastische Auswirkungen auf das Klimasystem.
Das hat natürlich eine starke Abkühlung im ganzen Nordatlantik-Raum zur Folge. Die macht sich dann nicht so wie jetzt nur draußen über dem Ozean bemerkbar, sondern auch auf den angrenzenden Kontinenten. Es bringt aber auch die atmosphärische Zirkulation durcheinander. Die Windgürtel und damit auch die Niederschlagsgürtel verändern sich dadurch. Und natürlich verändert sich das Ökosystem im Meer dadurch komplett, weil das sehr stark durch diese Strömungsverhältnisse geprägt ist. Und es hat auch starke Auswirkungen auf den Meeresspiegel.
Es ist relativ offensichtlich, dass diese Veränderung der Temperaturverhältnisse Auswirkungen haben muss, weil sowohl die Meereszirkulation, aber auch die Winde in der Atmosphäre durch Teperatur-Unterschiede angetrieben werden. Und diese Unterschiede verstärken sich natürlich, wenn es sich draußen über dem Atlantik abkühlt, sich die Kontinente rundherum aber stark erwärmen. Das hat Auswirkungen auf den Jetstream.
Zum Beispiel gibt es eine Studie, die gezeigt hat, dass der Jetstream dann tendenziell öfter mal so südlich um diese Kälteblase im Atlantik herum führt. Und dann wird Europa aus Südwesten angeströmt von den Winden und das verstärkt Hitzewellen im Sommer; zum Beispiel dieser Jahrhundertsommer 2003 oder die Hitzewelle 2015 sind damit in Verbindung gebracht worden.
Jetzt wurde festgestellt, dass die Strömung sich etwas verlangsamt. Können wir das denn noch stoppen?
Der Weltklimarat hat gesagt, dass sich die Strömung aufgrund der zu erwartenden weiteren Erderwärmung sehr wahrscheinlich weiter abschwächen wird im Verlauf dieses Jahrhunderts. Aber das Ausmaß dieser Abschwächung können wir eben beeinflussen, es liegt ja in unserer Hand, ob wir die Erwärmung bei anderthalb Grad oder zwei Grad stoppen oder ob wir sie bis zu drei oder gar noch mehr Grad weiterlaufen lassen.
Welche Effekte haben denn diese atlantischen Strömungssysteme in anderen Teilen der Welt? Wie wirkt sich das woanders aus?
Wir sehen das an den Beispielen aus der Erdgeschichte während der letzten Eiszeit, wo diese Strömung mehrfach zum Erliegen gekommen ist durch große Eisabrutschungen und den damit verbundenen Süßwassereintrag. Das hat auch auf den ganzen Tropengürtel Auswirkungen gehabt, weil sich dieser tropische Niederschlagsgürtel weiter nach Süden verschoben hat. Diese Niederschläge entstehen in den Tropen, dort, wo es am wärmsten ist, dem sogenannten thermischen Äquator. Und der liegt nördlich vom geographischen Äquator, weil die Nordhalbkugel wärmer ist. Deswegen ist die wärmste Zone eben nicht direkt auf dem Äquator.
Wenn aber diese Strömung abreißt, dann kühlt sich die Nordhalbkugel relativ ab, und diese Niederschlagsgürtel verlagern sich nach Süden. Und dann gibt es eben Dürre in Regionen, wo es vorher üppige Niederschläge gab und Starkregen in Zonen, die vorher trocken waren.
Könnte man also sagen, dass dieser Effekt, den wir jetzt in den atlantischen Strömungen beobachten, dass sie sich verlangsamen, eher noch den Effekt des Klimawandels und der Erderwärmung verstärken?
Ich würde auf jeden Fall davon ausgehen, dass das die Problematik des Klimawandels verschlimmert, weil sich dadurch die Strömungsverhältnisse in der Atmosphäre auch stark verändern werden. Und das führt zu mehr Extremwetter. Denn extrem ist ja immer das, was man nicht gewöhnt ist. Und das heißt: Jede starke Veränderung in der Dynamik unserer Atmosphäre führt eben dann zu einem nicht gewohnten Klima. Was dann wirklich eben Extreme bedeutet.