RKI-Präsident Lothar Wieler warnt, dass die dritte Corona-Welle bereits angelaufen sei. Dafür gebe es klare Anzeichen. Auch Deutschlands Intensivmediziner sind besorgt.
Schon seit längerem steigen die Corona-Infektionszahlen in Deutschland langsam, aber sicher wieder an. Zuletzt war der Sprung nach oben (Stand: 11. März 2021) mit mehr als 14.000 bestätigten Fällen besonders deutlich.
Angela Merkel und Karl Lauterbach haben den Start der dritten Welle schon vor einer Weile verkündet – nun zieht auch RKI-Präsident Lothar Wieler nach. „Ich bin sehr besorgt“, sagte er gegenüber Journalisten. Besonders die deutlich ansteckendere britische Mutante macht Wieler nervös. In Deutschland gehen derzeit schon 55 Prozent der Ansteckungen auf das Konto dieser Virusform. Eine aktuelle Studie im British Medical Journal legt nahe, dass die Variante nicht nur ansteckender, sondern wohl auch tödlicher ist.
Impfkamapagne als Wettlauf gegen das mutierende Virus
Wieler sieht die Impfkampagne als Wettlauf gegen das mutierende Virus. Aber er macht auch Hoffnung, denn die Ziellinie sei in Sicht: Bis zum Herbst könnten 80 Prozent der Bevölkerung immun sein. Dann könnten alle Maßnahmen aufgehoben werden. Allerdings nur, wenn es keine Unterbrechungen beim Impfen gibt – etwa wegen Produktionsausfällen oder aus anderen Gründen. Trotz Impfungen bleibe es wichtig, Maske zu tragen und Abstand zu halten, so Wieler.
Wann aber werden sich die Impfungen endlich positiv bemerkbar machen und den drohenden Anstieg bei den Infektionen bremsen? Dazu haben sich am 10. März Intensivmediziner:innen und andere Experten in einem Pressegespräch des Science Media Center geäußert. Die Prognose: Frühestens Ende Mai oder im Juni könnten in Deutschland genug Menschen geimpft sein, um die Pandemie auszubremsen. Und auch das nur, wenn alle Lieferungen eintreffen und der Impfstoff schnellstmöglich genutzt wird.
Schwerere Verläufe auch bei jüngeren Menschen zu befürchten
Die besonders gefährdeten Menschen über 80 werden zwar schon deutlich früher breit geimpft sein. Das führt aber keineswegs automatisch dazu, dass die Intensivstationen sich leeren. Auch in der ersten Welle war nur ein Viertel der Intensivpatienten über 80. Und wenn sich jetzt die infektiösere und vermutlich auch gefährlichere britische Variante immer stärker verbreitet, ist auch bei mehr jüngeren Menschen mit schweren Verläufen zu rechnen.
Wenig Entspannung auf den Intensivstationen
Noch ist die Lage unter Kontrolle, aber es könnte die Ruhe vor dem Sturm sein. Zwar hat sich auf den ersten Blick die Lage auf den Intensivstationen entspannt: Derzeit liegen dort nur noch halb so viele Covid-19 Patienten wie Anfang Januar. Das ist aber kein Grund zum Aufatmen.
„Der Druck im Kessel ist immer noch hoch“, warnt Prof. Christian Karagiannidis, wissenschaftlicher Leiter des Intensivregisters Divi. Derzeit liegen rund 2.800 Covid-Kranke auf Intensivstation – nur bei der Grippewelle 2018 habe es ähnlich viele Fälle wegen einer Viruserkrankung gegeben. Der Lungenspezialist ist vor allem deshalb besorgt, weil die Zahlen seit einer Weile nicht mehr sinken. Dieses Plateau sei beunruhigend.
Und noch eine Entwicklung macht Intensivmediziner nervös: Es gibt zwar bundesweit weniger Corona-Infektionen als Ende Dezember – eigentlich hätten dadurch mehr Intensivbetten frei werden müssen. Das ist aber nicht passiert: Weil es einen großen Rückstau an Operationen gab, landen jetzt verstärkt Patienten nach komplizierten Eingriffen auf Intensivstation. Wer dort arbeitet, bleibt also im Dauerstress.
Sollten nun immer mehr Corona-Beschränkungen schon vor April gelockert werden, sehen die Intensivmediziner schwarz: Dann würden die Fallzahlen rasch wieder explodieren und die Kliniken ans Limit kommen. Allerdings können die Modelle nicht im Detail voraussagen, welche Öffnungsschritte sich wie auswirken.