Zur Eindämmung der Corona-Pandemie haben sich viele mittlerweile an Hygieneregeln wie Maske tragen und Abstand halten gewöhnt. Aber fehlt unserem Immunsystem dadurch das Training?
Einige Praxen in Deutschland melden zur Zeit außergewöhnlich viele Atemwegserkrankungen. Auch Länder wie England, Israel, Neuseeland, Australien und die USA melden vermehrte Infektionen, insbesondere unter Kindern. Wegen RSV, dem respiratorischen Syncytial-Virus, müssen einige sogar ins Krankenhaus. Laut Expert*innen könnte die Häufung durch die Corona-Pandemie verursacht worden sein.
Liegt es am Maske tragen, dass es jetzt mehr Atemwegsinfektionen gibt?
Tatsächlich ist da etwas dran. Es liegt aber nicht einfach nur an den Masken, sondern an allen Anti-Coronamaßnahmen, also zum Beispiel auch am vermehrten Händewaschen und vor allem dem Abstand halten oder generellen Meiden von Treffen mit anderen Personen. Denn dadurch waren wir insgesamt weniger Viren ausgesetzt. In Deutschland ist letzten Winter zum Beispiel die Grippesaison nahezu ausgeblieben. Und auch mit anderen Erregern gab es vielerorts deutlich weniger Infektionen als sonst. So konnte unser Immunsystem weniger trainieren.
In den letzten Wochen sind die Anti-Coronamaßnahmen stark gelockert worden. Wir gehen wieder mehr unter Leute und nehmen es mit den Hygienemaßnahmen nicht mehr ganz so ernst. Dadurch wird unser Körper auch wieder mehr Viren ausgesetzt und es steigt die Chance, sich zu infizieren. Das resultiert jetzt eher in einer Erkrankung, weil viele von uns im letzten Jahr keine entsprechende Immunisierung durchlaufen haben.
Ist das Immunsystem durch die Pandemie schwächer geworden?
Das kann man so nicht sagen. In erster Linie geht es darum, dass viele Menschen Infektionen jetzt quasi nachholen, die sie im letzten Jahr eben nicht hatten. Unter Kindern grassiert gerade in vielen Ländern das sogenannte RS-Virus. Das klingt zwar beunruhigend, weil zum Teil sehr viele Kinder auf einmal betroffen sind und sie teilweise deswegen auch ins Krankenhaus müssen.
Die Krankheit an sich ist aber nicht ungewöhnlich. Im Gegenteil: Fast jedes Kind macht eine RSV-Infektion in den ersten zwei Lebensjahren einmal durch. Weil viele Kinder im letzten Jahr aber darum herumgekommen sind, haben es jetzt – wo viele Vorsichtsmaßnahmen gefallen sind – umso mehr. Das ist also erstmal kein Grund zur Sorge.
Es ist sogar so, dass die Krankheit bei etwas älteren Kindern leichter verläuft als in den ersten Lebensmonaten. Von daher könnte der RSV-Aufschub sogar eine eher positive Auswirkung haben.
Auf Dauer ist aber wichtig, dass unser Immunsystem – und gerade das von Kindern – nicht zu sehr "verhätschelt" wird. Nur so kann es ein Immungedächtnis ausbilden und uns für potenzielle künftige Erreger wappnen.
Wie unterscheide ich eine Erkältung von Covid-19?
Das ist tatsächlich gar nicht so leicht. Der ursprüngliche Wildtyp des Virus und auch die Alpha-Mutante riefen als Symptome vor allem Fieber und Husten hervor. In Deutschland kursiert jetzt aber vor allem die Delta-Variante des Coronavirus und da ist das anders: Delta ruft vor allem Symptome hervor, die typisch für eine Erkältung sind. Also zum Beispiel eine laufende Nase und Halsschmerzen.
Wer Symptome bei sich feststellt, die entweder einer Grippe oder einer Erkältung ähneln, sollte sich also unbedingt testen lassen und bis zu einem negativen Ergebnis von anderen Menschen fernhalten.