Forschende aus Stuttgart entwickelten eine neue, grüne Methode, um aus Biomüll Wasserstoff herzustellen.

Erneuerbare Energien

Grüner Wasserstoff aus Biomüll? - Forschende entwickeln neues Verfahren

Stand
Autor/in
Susanne Henn
Onlinefassung
Lilly Zerbst
Portraitbild der Reporterin Lilly Zerbst.

Teams der Universität Stuttgart und Siemens ist es im Labor gelungen, aus Biomüll von zum Beispiel Fruchtsaftherstellern Wasserstoff zu gewinnen - eine "grüne Alternative" zu bisherigen Verfahren?

Grüner Wasserstoff gilt als der große Hoffnungsträger, wenn es um die Frage geht, wie wir in Zukunft unseren Energiebedarf decken. Das Problem ist nur – um Wasser in Sauerstoff und grünen Wasserstoff zu spalten, braucht man viel Energie aus erneuerbaren Quellen.

Mit Biomüll gefütterte Purpurbakterien produzieren Wasserstoff

Aber es gibt auch andere Wege, um an sauberen Wasserstoff zu kommen. So können zum Beispiel auch Purpurbakterien Wasserstoff erzeugen – im Dunkeln und mit ganz geringem Energieaufwand. Purpurbakterien leben überall dort, wo es nur ein wenig feucht ist und sie haben ihren Namen von ihrer rötlichen Färbung.

Purpurbakterien färben See rot ein.
Auch in der freien Natur kommen Purpurbakterien vor - sind sie in großen Mengen vorhanden, erkennt man eine Verfärbung, wie bei diesem See.

Neue Herstellungsmethode von grünem Wasserstoff noch im Versuchsstadium

Noch befindet sich die mögliche Zukunft der deutschen Wasserstoffproduktion in mehreren Glaskolben in einem kleinen Raum im Fraunhofer Institut IPA in Stuttgart. Halb gefüllt mit einer roten Flüssigkeit – Purpurbakterien in einer Nährlösung. Sieht unspektakulär aus, aber Professor Robin Ghosh ist zuversichtlich:

Ganz grob denken wir, dass wir damit in Zukunft 10 Prozent des gesamten Energiebedarfs Deutschlands decken können.

Ghosh leitet das vom Bundeswirtschaftsministerium geförderte RhoTech-Projekt, bei dem erforscht wird, unter welchen Bedingungen und in welchem Umfang Purpurbakterien Wasserstoff produzieren können. Dazu brauchen sie erstens Nahrung.

Tresterabfälle sind ideales Futter für Purpurbakterien

Purpurbakterien ernähren sich gerne von bestimmten Zucker- und Säurearten, zum Beispiel von Abfällen wie sie bei Saftherstellern, Molkereien, Winzern oder auch in Brauereien anfallen. In diesem Trester sind noch genug zuckerhaltige Reste enthalten, um daraus eine Nährlösung zu gewinnen. Damit werden die Bakterien überfüttert:

„Die Bakterien bekommen aus Nährsubstrat sehr viele Elektronen in ihr System und diese müssen sie loskriegen. Und am besten kriegen sie sie los, wenn sie die Elektronen auf Protonen übertragen und dann entsteht Wasserstoff. Das ist eine Stressreaktion“, erklärt Dr. Caroline Autenrieth vom Stuttgarter Fraunhofer Institut. Auch sie gehört zum RhoTech-Team.

RhoTech-Projektleiter Professor Robin Gosh und Dr. Caroline Autenrieth von der Abteilung Nachhaltige Wertschöpfungssysteme am Fraunhofer Institut haben gemeinsam an der grünen Methode zur Herstellung von Wasserstoff gearbeitet.
RhoTech-Projektleiter Professor Robin Gosh und Dr. Caroline Autenrieth von der Abteilung Nachhaltige Wertschöpfungssysteme am Fraunhofer Institut haben gemeinsam an der grünen Methode zur Herstellung von Wasserstoff gearbeitet.

Die Wasserstoffproduktion kann nur unter anaeroben Bedingungen stattfinden, das heißt ohne Sauerstoff. Dann funktioniert sie sogar im Dunkeln und mit sehr wenig Energie: „Wir brauchen nur die Energie für den Computer, der das System steuert und um ein bisschen zu Temperieren und zum Rühren. Also das ist sehr energiesparend.“ - vor allem im Vergleich zu Wasserstoff, der aus Elektrolyse gewonnen wird, so Caroline Autenrieth weiter.

Neue Methode zur Herstellung von grünem Wasserstoff ist "extrem kostengünstg"

Und auch das Futter verursacht keine Kosten, denn der Trester ist ein Abfallprodukt. „Das ist ein extrem kostengünstiger Prozess und er nutzt Mittel, die sonst weggeworfen werden müssten“, betont Robin Gosh.

Aus rund 200 Tonnen Trester, so die Forschenden, lässt sich eine Tonne Wasserstoff gewinnen. Aber in Deutschland fällt so viel Trester an, dass sich Schätzungen der RhoTech-Gruppe zufolge rund 10 Prozent des deutschen Energiebedarfs decken lassen.

Zapfsäule mit Wasserstoff - Es gibt bereits Autos und sogar kleine Flugzeuge, die einen Wasserstoff-Antrieb haben.
Es gibt bereits Autos und sogar kleine Flugzeuge, die einen Wasserstoff-Antrieb haben. Es ist eine mögliche, grüne Alternative zum Verbrennermotor.

Wasserstoff-Projekt wird in BW getestet

Ende des Jahres startet die nächste Phase. Dann kommt ein kleiner Bioreaktor zum Einsatz, der gerade in einem Raum des Fraunhofer-Instituts lagert und dessen Schalteinheit von Siemens bis dahin noch komplett umgebaut wird.

Bei einem Safthersteller im baden-württembergischen Ditzingen soll er dafür sorgen, dass zumindest aus einem kleinen Teil des Tresters Wasserstoff produziert wird. Der wird dann mit Hilfe einer Brennstoffzelle dafür sorgen, dass der Verkaufsraum der Safterei umweltfreundlich beleuchtet wird.

In der nächsten Phase soll die Herstellung von Wasserstoff mit Purpurbakterien in einem solchen Bioreaktor in einem Betrieb in Baden-Württemberg getestet werden.
In der nächsten Phase soll die Herstellung von Wasserstoff mit Purpurbakterien in einem solchen Bioreaktor in einem Betrieb in Baden-Württemberg getestet werden.

Können aber alle Tresterabfälle, die in Deutschland anfallen, genutzt werden, so Caroline Autenrieth, ist viel, viel mehr drin: Wir stellen uns vor, dass dezentral die Firmen, bei denen diese Fruchtabfälle anfallen, größtenteils autark zumindest ihren Energiebedarf decken können, also über Brennstoffzellen ihren Strombedarf oder über Wasserstoff für ihren Fuhrpark. Und dass vielleicht auch noch Energie für die Umgebung übrig bleibt.

Ende nächsten Jahres soll das Projekt so weit sein, um abschließend zu klären, ob die Produktion von grünem Wasserstoff das hält, was die Versuche bisher versprechen. Aber Robin Ghosh ist zuversichtlich: „Wir denken in vier Jahren werden wir in wesentlich größeren Dimensionen sein.“

Nicht nur Wasserstoff - Purpurbakterien können auch Bioplastik herstellen

Ungefähr drei bis vier Wochen können die Purpurbakterien voraussichtlich Wasserstoff erzeugen, aber auch danach sind sie noch für die Menschen nützlich. Auch die Produktion von Bioplastik ist mir ihrer Hilfe möglich und dann gibt es da auch noch die Karotinoide, die während des Prozesses anfallen und die im medizinischen Bereich nützlich sind.

Karotinoide sind gut für Augen, sie können auch vorbeugend gegen Krebs wirken und man kann sie zum Beispiel Vitaminpräparaten beimischen. Das alles spricht für eine große Zukunft der sehr kleinen Purpurbakterien.

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