Die soziale Herkunft von Kindern spielt in Deutschland immer noch eine große Rolle. Kinder aus armen Familien oder mit Migrationsgeschichte haben weniger Erfolg in der Schule.
Wer arme Eltern hat, wird mit großer Wahrscheinlichkeit selbst auch arm. Das ist seit Jahrzehnten bekannt, doch geändert hat sich bis heute nicht viel daran. Professor Klaus Klemm forscht seit Jahren über den Zusammenhang zwischen Herkunft und Bildungschancen:
Bildungsungleichheit ist grundgesetzwidrig
Klaus Klemm spricht lieber von Bildungsungleichheit statt von Bildungsgerechtigkeit. Denn gerade diese starke Ungleichheit zwischen den Menschen in diesem Land sei grundgesetzwidrig.
Um Bildungsgerechtigkeit zu messen, wird oft die Zahl derer herangezogen, die einen Hochschulabschluss machen. Das sind derzeit ungefähr 70 Prozent Absolventen aus Akademikerhaushalten und rund 30 Prozent Absolventen aus sozial schwächeren Familien. Hier besteht ein deutliches Ungleichgewicht.
Warum Akademikerkinder im Vorteil sind
Es gibt einige Gründe, warum Akademikerkinder am oberen Ende der Bildungskette tatsächlich in der Mehrheit sind:
- Es geht los mit der Frage: Bekomme ich einen Krippenplatz oder nicht. Der Krippenplatz ist besonders wichtig für Kinder mit Migrationshintergrund, denn da wird im sprachlichen Bereich schon gefördert. Dann geht es weiter mit dem Kindergarten und dann kommt die nächste Stufe: Schule.
- Ganz gravierend verantwortlich für meine Bildungschancen ist auch der Wohnort, in dem ich aufwachse. Ob ich zum Beispiel im Ruhrgebiet in einer Stadt im Süden aufwachse, wo es bürgerlich geprägt ist oder im Norden, wo früher die Bergarbeiter und heute mehrfach die Zugewanderten wohnen, das entscheidet schon über meinen Bildungsweg.
- In Akademikerfamilien erhalten Kinder mehr Hilfe von zu Hause. Für sie ist es zu Beispiel nicht so schlimm, wenn der Unterricht mal ausfällt. Die Eltern können das auffangen. In Familien, in denen das nicht stattfinden kann, haben die Kinder Nachteile.
Das Bildungssystem verstärkt vorhandene Ungleichheit noch
Klemm kritisiert, dass unser Bildungssystem vom Kindergarten bis zum Schulabschluss die vorhandene Ungleichheit noch befördert:
Schule darf Ungleichheit nicht verstärken
Klemm räumt ein, dass das Schulsystem allein die Mängel der Gesellschaft nicht beheben kann. Er fordert jedoch: Die Schule darf die Ungleichheit aber nicht verschärfen. Sie darf nicht verhindern, dass Kinder den Weg gehen, den sie gehen könnten. Genau das tut sie aber, wenn Kindern mit der gleichen Leistung unterschiedliche Empfehlungen für die weiterführende Schule ausgestellt werden- je nach Herkunft.
Kann die Gemeinschaftsschule helfen?
Bildungspolitiker propagieren häufig die Gemeinschaftsschule als Heilmittel. Dort können Schülerinnen und Schüler aus allen sozialen Schichten und über unterschiedliche Lernniveaus hinweg länger zusammen lernen.
Doch hinter dem Begriff Gemeinschaftsschule verbirgt sich in jedem Bundesland etwas anderes. In Baden-Württemberg ist es ein Schultyp, die neben Realschulen, neben den Gymnasien und neben den Werkrealschulen existieren. Bildungsexperte Klemm warnt, in Baden-Württemberg seien Gemeinschaftsschulen in der Regel relativ kleine Schulen, in denen kaum gymnasial geeignete Kinder lernten. Deshalb zieht er das Fazit:
Bildungsungleichheit fängt schon bei der Verteilung von Krippenplätzen an
Klemm fordert statt dessen viel früher anzusetzen. Bereits bei der Verteilung der Krippenplätze. Denn derzeit erhielten Kinder aus sozial schwächeren Familien viel seltener einen Krippenplatz als Kinder aus besser gestellten Milieus.