Gesundheit

Atemwegserkrankung RSV füllt Kinderkliniken

Stand
Autor/in
Ulrike Till
Onlinefassung
Lilly Zerbst

Schnupfen, Husten, hohes Fieber und schwere Atmung – diese Symptome deuten auf eine Infektion mit dem RS-Virus hin. Auch wegen Corona-Lockerungen ist RSV bei Kindern dieses Jahr früher und in ungewöhnlich hohem Maße im Umlauf.

Ärzte mit erwachsenen Patienten beschäftigt derzeit vor allem das Corona-Virus. Kinderärzte aber treibt ein anderer Erreger ans Limit: das Respiratorische Synzytial-Virus, kurz: RSV. Es ist kein neues Virus, und es grassiert jeden Winter wieder. Übertragen wird das Virus meist per Tröpfcheninfektion - es ist normal, dass Kinder sich damit infizieren.

In diesem Jahr ist die Lage aber anders: erste RSV-Fälle gab es schon im August, sonst startet die Welle erst im November. Inzwischen warnen Kinderärzte deutschlandweit vor einem Versorgungsengpass, weil sie mehr Kinder denn je wegen RSV behandeln müssen. In Baden-Württemberg seien die Fallzahlen infektkranker Kinder auf 160 bis 180 Prozent gestiegen. Dabei würden ungewöhnlich viele Kleinkinder wegen starker Atemnot in die Kinderkliniken eingewiesen, meldet der Pädiater Dr. Thomas Kauth im Namen des Berufsverbands Kinder- und Jugendärzte und der Kassenärztliche Vereinigung Baden-Württemberg auf einem Fachigipfel.

Gefahr für Frühgeborene

Die meisten Kinder machen in den ersten zwei Lebensjahren eine Infektion mit dem RS-Virus durch. Der Erreger befällt vor allem die Atemwege und verursacht Schnupfen, Husten und oft auch Fieber. Schwere Verläufe sind glücklicherweise die Ausnahme.

Ein Baby wird mit einem Stethoskop abgetastet.
Für Frühgeborene kann das RS-Virus bedrohlich werden.

Für Frühgeborene, Kinder mit Lungenkrankheiten und Herzproblemen kann RSV allerdings bedrohlich werden. Wenn sich zu viel Schleim in den Bronchien sammelt, landen die kleinen Patienten im Krankenhaus.  

 „Es gibt eben die Komplikation, dass Apnoe auftritt, Atemaussetzer oder Atemstillstände. Die Ursachen sind nicht so gut erforscht. Da ist dann mindestens eine Überwachung kleiner oder von Kindern mit besonders erhöhtem Risiko zu erwägen.“ 

Kinder holen Infekte nach

Im Klinikum Stuttgart mussten in den vergangenen sechs Wochen mehr Kinder mit RSV behandelt werden als sonst in fünf Monaten. Das hängt mit der Corona-Pandemie zusammen. Denn die strikten AHA-Regeln, flächendeckenden Lockdowns und Schulschließungen haben fast alle Atemwegserkrankungen in Schach gehalten, erklärt Jan Steffen Jürgensen. Viele Kleinkinder haben die Infektion daher noch nicht durchgemacht und keine Immunität aufbauen können. Der starke Anstieg der Fallzahlen aufgrund der Rücknahme von Corona-Maßnahmen sei also als eine Art Nachholeffekt zu verstehen, so Jürgensen.

Junges Mädchen hält OP-Maske vor sich.
Corona-Maßnahmen haben auch andere Atemwegserkrankungen wie RSV eingedämmt. Mit den Lockerungen nehmen diese nun wieder zu.

Kinderärzte schlagen Alarm

Dieser Nachholeffekt füllt die Kinderkliniken und sorgt bei vielen niedergelassenen Kinderärztinnen und -ärzten für Stress. Bei einem Fachgipfel mit dem baden-württembergischen Gesundheitsminister Lucha am 18. November 2021 haben Ärztevertreter Alarm geschlagen. Rheinland-Pfalz und weitere Bundesländer melden ebenfalls Engpässe wegen des RS-Virus.

Ansteckung per Tröpfcheninfektion

Der hochansteckende Erreger gehört zur selben Virenfamilie wie Masern und Mumps. Übertragen wird RSV meist per Tröpfcheninfektion, das Virus hält sich aber auch auf Oberflächen und auf der Haut. Es scheint unmöglich, Kleinkinder davor zu schützen. Das ist bei ansonsten gesunden Kindern über drei Monate aber auch nicht nötig.

Colorierte Mikroskopaufnahme des Respiratory Ssyncytial Virus (RSV)
Das RS-Virus wird meist per Tröpfcheninfektion übertragen. Auch auf Oberflächen und auf der Haut kann das Virus lauern.

Oft sind Eltern oder Geschwister Überträger – sie merken die eigene Infektion meist nur als harmlose Erkältung. Was also tun, wenn die ganze Familie schnieft, und das Kleinkind hustet und fiebert?

Diese Symptome deuten auf eine Infektion bei Kindern

Alarmzeichen sind eine schnelle, angestrengte Atmung. Oft bewegt sich der Brustkorb dabei nach innen – dann sollte das kranke Kind rasch zum Arzt. Auch wenn das Fieber länger als drei oder vier Tage anhält oder sehr hoch steigt, sollten Eltern ihr Kind in die Praxis bringen.

Schwere Verläufe treten laut Robert Koch-Institut aber nur bei fünf von 1000 Kindern im ersten Lebensjahr auf. Das RKI rät zu Labortests auf den Erreger: so können Ärzte sicher feststellen, ob hinter den Symptomen wirklich das RS-Virus steckt. Zusätzlich kann ein PCR-Test auf Corona sinnvoll sein – denn auch hier beginnt die Infektion oft mit Husten, Schnupfen oder Fieber. 

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