Nach fast vier Wochen im All ist die unbemannte Raumkapsel Orion der Nasa-Mondmission Artemis 1 zur Erde zurückkehrt: Sie landete sicher im Pazifik. Längerfristiges Ziel des Artemis-Programms ist es, eine dauerhafte Präsenz auf dem Mond aufzubauen.
Das Artemis-Programm der NASA soll zum ersten Mal seit mehr als 50 Jahren Menschen auf den Mond bringen: Jetzt wurde die neue NASA-Mondrakete namens SLS (Space Launch System) zum ersten Mal erfolgreich getestet.
Erfolgreiche Landung im Pazifik
Nach knapp 26 Tagen im All landete die unbemannte "Orion"-Kapsel der Nasa-Mondmission "Artemis 1" planmäßig am 11. Dezember 2022 im Pazifik vor der Küste Mexikos. Nasa-Chef Bill Nelson erklärte stolz, das sei ein "historischer" Tag. Die Testmission Artemis 1 gilt nämlich als wichtiger Schritt für die Rückkehr von Menschen auf den Mond. Fernziel ist eine Reise zum Mars.
Auf spektakulären Live-Bildern der US-Raumfahrtbehörde Nasa war zu sehen, wie die Kapsel, von Fallschirmen gebremst, im Meer aufsetzte. "Orion" sei, so die NASA, dabei 1,4 Millionen Meilen durch den Weltraum gereist, habe den Mond umflogen und wichtige Daten gesammelt.
Auch der deutsche Astronaut Alexander Gerst sieht das als einen historischen Moment und "Meilenstein der Raumfahrt".
Der Start der Mondmission Artemis I stand zunächst unter keinem guten Stern: Er musste mehrmals verschoben werden. Auch am 16. November 2022 musste der Start erneut um 44 Minuten verschoben werden. Ein Leck in der Leitungsverbindung zu den Tanks des Space Launch Systems (SLS) und der Ausfall einer Netzwerkverbindung mussten erst behoben werden. Beide Reparaturen waren erfolgreich.
Um 7:48 Uhr morgens (MEZ) war es dann so weit: Die Rakete startete. Für die NASA und auch die Europäische Weltraumagentur ESA ein wichtiger Erfolg.
- Was ist das Ziel des Artemis-I - Flugs?
- Was ist das Space Launch System?
- Wie verläuft ein Flug des SLS?
- Welche Artemis-Flüge sind geplant?
- Wieviele Triebwerke hat das SLS?
- Das SLS fliegt mit Wasserstoff – ist es also umweltverträglich?
- Ist der hochexplosive Wasserstoff als Treibstoff nicht gefährlich?
- Stimmt es, dass sehr wichtige Bauteile des SLS aus Europa kommen?
- Wenn die Orion aus dem tiefen Weltall Richtung Erde zurückfliegt – wie schnell wird sie dabei?
Was ist das Ziel des Artemis-I-Flugs?
Der Artemis-I-Flug führt das SLS weit um den Mond herum und ist der letzte Check bevor Männer und Frauen an Bord von Artemis-II und folgenden Missionen tief ins All fliegen sollen. Während dieser Mission, die bis zu 42 Tage dauern kann, wird das Zusammenspiel der vielen Komponenten getestet.
Bei ihrem Erstflug besteht die Besatzung der Orion aus drei Testpuppen, von denen zwei im Deutschen Zentrum für Luft und Raumfahrt hergestellt wurden. Sie tragen Sensoren, um die Strahlenbelastung im All zu messen. In so einer großen Entfernung zur Erde ist der Schutz durch das Erdmagnetfeld vor harter Strahlung aus dem All nicht mehr ausreichend. Ob dann die Orion anstelle des Erdmagnetfelds ihre Besatzung ausreichend vor der schädlichen Strahlung schützt, soll mit diesen Testpuppen herausgefunden werden.
Bei der umfangreichen Testmission sind die beiden Astronautinnen-Phantome Helga und Zohar des Experiments MARE mit an Bord. Mit MARE soll erstmals die Strahlenbelastung auf den weiblichen Organismus außerhalb der Umlaufbahn der Internationalen Raumstation ISS gemessen werden.
Was ist das Space Launch System?
Das Space Launch System, kurz SLS, besteht aus einer Rakete und einem Raumschiff an deren Spitze. Es handelt sich dabei um die leistungsstärkste Rakete, die jemals konstruiert wurde, und um das Raumschiff, das mit Besatzung weiter als alle anderen bislang gebauten Raumschiffe in den Weltraum vordringen kann.
Das SLS soll es den USA ermöglichen, bemannte Missionen ins tiefe Weltall durchzuführen – weit hinaus über die Erdumlaufbahn, in der sich die internationale Raumstation ISS befindet.
Wie verläuft ein Flug des SLS?
Beim Start zünden zeitgleich mit der Hauptstufe die seitlich angebrachten Booster-Raketen. Sie bringen den Schub, der es dem SLS überhaupt erst ermöglicht, vom Erdboden abzuheben. Nach Abtrennen der Booster feuern die Triebwerke der Hauptstufe weiter – insgesamt über acht Minuten lang – und bringen das SLS in eine Erdumlaufbahn.
Nach einer Erdumkreisung zündet die Oberstufe und beschleunigt das Raumschiff nochmals. Es hat nun ausreichend Schwung, um sich aus dem Anziehungsfeld der Erde heraus auf den Weg zum Mond zu begeben. Fast 4.000 Kilometer von der Erde entfernt trennt sich die Oberstufe ab. Sie entlässt danach noch ein paar Schuhkarton-kleine Minisatelliten ins All, die eigenständig zum Mond fliegen, um ihn auf unterschiedlichste Weise zu erforschen.
Nach dem Abtrennen der Oberstufe fliegt das neue Mondschiff auf sich allein gestellt zum Mond. Seine Typenbezeichnung: Orion. Es erreicht eine Mond-Umlaufbahn, auf der das Schiff bis auf 100 Kilometer an die Mondoberfläche heranfliegt, dann aber von der Gravitation des Mondes über den Mond hinaus ins Weltall geschleudert wird. Bereits beim ersten Flug ist das Orion-Raumschiff tausendmal weiter entfernt von der Erde unterwegs, als das bei der ISS der Fall ist.
Welche Artemis-Flüge sind geplant?
Mit Artemis-I wird nun das Space Launch System SLS getestet. Während der Mission Artemis-II wird es dann zum ersten Mal Menschen transportieren. Die Besatzung von Artemis-III soll dann den Mond betreten. Die NASA hat bereits 13 mögliche Landeregionen am Südpol des Mondes identifiziert. Dort sollen 2025 die erste Frau und die erste Person of Color auf dem Mond landen. Die Apollo-Astronauten aus den 1960er Jahren bildeten nicht die Vielfalt der Gesellschaft in den Vereinigten Staaten ab. Das soll sich nun ändern.
Zuvor werden Rover landen und das Gelände erkunden. Unbemannte Mondlander werden Ausrüstung und wissenschaftliche Geräte zum Mondsüdpol bringen. An Bord von einer der Missionen Artemis-IV bis -VI wird möglicherweise auch ein Europäer oder eine Europäerin den Mond erreichen. Diese Missionen dienen auch dem Aufbau des Lunar Gateway, einer kleinen Raumstation, die den Mond umkreisen soll und als Zwischenstation zur Mondoberfläche gedacht ist.
In den 2030er Jahren könnte am Mondsüdpol eine kleine Mondbasis entstehen. Auf der Mondrückseite könnte ein superhochauflösendes Radioteleskop errichtet werden, das mit seinen Aufnahmen die Infrarotbilder des James Webb Teleskops ergänzt.
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Wieviele Triebwerke hat das SLS?
Das SLS besitzt insgesamt 55 Raketentriebwerke. Die größten der 55 sind die vier Triebwerke der Erststufe. Sie stammen noch aus dem Space Shuttle Programm, das die NASA 2011 beendet hat. Diese Triebwerke haben über die Jahre in verschiedenen Shuttles als Antrieb gedient. Sie sind mit dem wiederverwendbaren Shuttle immer wieder zurückgekehrt zur Erde und können wiederverwendet werden. Das SLS ist jedoch nicht auf Recycling ausgerichtet. Bei einem Flug stürzen die Triebwerke mit der Erststufe zur Erde zurück und werden dabei zerstört.
Für die Zündung der beiden Feststoffbooster werden kleine Raketenmotoren verwendet. Kleinere Triebwerke sind am Rettungssystem in der Spitze des SLS verbaut und weitere 33 Triebwerke werden dafür eingesetzt, um das Raumschiff auf seinem Flug zum Mond in alle Richtungen und in alle Fluglagen steuern zu können.
Das SLS fliegt mit Wasserstoff – ist es also umweltverträglich?
Der Treibstoffverbrauch der vier Triebwerke der Erststufe ist enorm. Sie verbrennen jede Minute 360.000 Liter, das entspricht etwa der Tankfüllung von 6.000 PKW. Verbrannt wird aber kein Benzin, sondern Wasserstoff und Sauerstoff. Als Verbrennungsprodukt entsteht Wasserdampf. Für die Umwelt ist dieser Antrieb recht verträglich.
Die beiden Booster sind jedoch Feststoffraketen; sie erzeugen den Großteil des notwendigen Schubs des SLS. Der Abbrand dieser Booster ist alles andere als umweltfreundlich.
Ist der hochexplosive Wasserstoff als Treibstoff nicht gefährlich?
An der Startrampe, unterhalb der großen vier Raketentriebwerke, sind vier weitere Raketenmotoren installiert. Sie sind nicht Teil des SLS. Denn dort könnte sich vor dem eigentlichen Zünden der Triebwerke hochexplosiver Wasserstoff sammeln, der schon vor dem Zünden durch die Pumpen der Triebwerke ins Freie strömt. Eine hochexplosive Wasserstoffblase unter zündenden Triebwerken wäre sehr gefährlich.
Die vier kleinen Raketenmotoren sprühen deshalb in den letzten Sekunden vor dem Start glühende Metallspäne unter die Rakete. Falls sich dort Wasserstoff angesammelt haben sollte, verbrennt er vor dem Zünden der Triebwerke kontrolliert an den Glühspänen.
Stimmt es, dass sehr wichtige Bauteile des SLS aus Europa kommen?
Orion bietet deutlich mehr Platz als die Apollo-Raumschiffe vor 50 Jahren. Bis zu vier Personen und etwas Fracht passen in die Kapsel. Die Besatzung benötigt Atemluft, Wasser, Elektrizität, angenehme Temperaturen im Inneren und Steuerdüsen außen am Raumschiff. Zum ersten Mal verlässt sich die NASA beim Bau eines solch kritischen Teils eines Raumschiffs komplett auf eine andere Raumfahrtagentur: Die Europäische Raumfahrtagentur ESA. Montiert werden diese sogenannten European Service Module der Orion-Raumschiffe in Bremen.
Die Entwicklung des SLS war teuer. Es wurden jedoch nicht alle Komponenten neu entwickelt, sondern es wurde auch bereits vorhandene, bewährte Technik modifiziert und wiederverwendet. Ein Beispiel: Wie schon bei den Apollo-Flügen wird das SLS aufrecht zum Startplatz gerollt und dafür wird auch heute noch ein sogenannter Crawler, ein Riesentransporter, aus den 1960er Jahren genutzt.
Würde der Crawler über eine asphaltierte Strecke rollen, könnten seine Vibrationen die Rakete beschädigen und bei Richtungsänderungen würde der Asphalt unter dem Gewicht des Riesencrawlers stumpf oder sogar klebrig. Deshalb rollt der Raketentransporter nicht auf Asphalt, sondern auf genau acht bis zehn Zentimeter großen Flusskieseln.
Wenn die Orion aus dem tiefen Weltall Richtung Erde zurückfliegt – wie schnell wird sie dabei?
Die Eintrittsgeschwindigkeit in die Erdatmosphäre ist bei einem Mondflug viel höher als bei einem Rückflug von der ISS. Statt 27.000 Kilometer pro Stunde werden es bis zu 40.000 Kilometer pro Stunde. Am Ende der Mission, vor dem Wiedereintritt in die Erdatmosphäre, wird das europäische Modul abgetrennt, es stürzt in die Erdatmosphäre und verglüht.
Im Rahmen der Artemis-I Mission wird das weltweit größte Hitzeschutzschild verwendet und getestet. Denn: Je höher die Geschwindigkeit, umso stärker die Reibung an der Luft beim Wiedereintritt in die Erdatmosphäre und umso höher die Temperaturen, die das Hitzeschild von der Besatzung im Inneren der Kapsel fernhalten muss. Ohne den Schutz durch ein zuverlässiges Hitzeschild ist es unmöglich, die Rückreise aus dem tiefen Weltall lebend zu überstehen.