Motorräder haben keine Knautschzone wie Autos - das macht sie für die Fahrer und Fahrerinnen gefährlicher. Können Motorrad-Airbags schwere oder sogar tödliche Verletzungen verhindern? Das wurde wissenschaftlich untersucht.
Bei einem Motorradunfall drohen oft schwerste, häufig auch tödliche Verletzungen - trotz Schutzanzug und Helm. Pro Jahr gibt es allein in Deutschland rund 25.000 Verkehrsunfälle mit Beteiligung von Motorrädern, knapp 500 davon enden tödlich.
Airbag-Westen sind ein Weg, um für mehr Schutz auf dem Motorrad zu sorgen. Aber was bringen sie? Zum Start der Motorradsaison erklären wir, wie der Airbag zum Anziehen funktioniert, was er kann und was nicht.
Motorrad-Airbags bieten mehr Sicherheit bei Stürzen
Thomas Burfeind ist sicher eine Ausnahme: Er hat schon zwei Motorradunfälle überstanden. Dank einem Extra-Schutzsystem ohne Verletzungen an Brust und Rücken. Thomas Burfeind hat bei beiden Crashs eine Airbag-Weste getragen.
Sicherheit von Motorrad-Airbags wird in unabhängigen Crashtests getestet
Immer mehr Hersteller bieten Airbag-Westen an. Die Fachzeitschrift "Motorrad" wollte herausfinden, ob sie überhaupt etwas bringen. In einem eigens aufgebauten Versuchslabor beim Airbaghersteller Autoliv in Schweden fand der erste unabhängige Crashtest für Motorrad-Airbags statt.
Im Vergleich zu Brustprotektoren - speziellen Schutzplatten vorne in den Motorradjacken - schützen die besten Westen den Brustkorb um ein Drittel besser gegen Quetschungen und damit vor Rippenfrakturen oder anderen Verletzungen - so das Testergebnis.
Airbag-Hersteller Autoliv geht davon aus, dass die Schutzvorrichtungen in den kommenden Jahren noch viel wichtiger werden. In zehn Jahren könnte die Airbagtechnologie beim Motorradfahren eine relevante Anwendung sein, erwartet Cecilia Sunnevång, Vizepräsidentin Forschung bei Autoliv. "Vielleicht nicht der Standard, aber etwas, das die Leute wirklich wollen, weil sie es zu schätzen wissen, dass man das haben kann als zusätzlichen Schutz."
Motorrad-Airbags im Praxistest
Aber: Wie praktikabel sind die Westen heute schon? Die Schwarzwaldhochstraße ist eine der Motorradstrecken in Deutschland überhaupt. Der richtige Ort für eine Testfahrt mit den Original-Westen aus dem Crashtest. Eine steife Weste über der Motorradkombi - wie fühlt sich das an? Wie eine Ritterrüstung? Kann sich eine Fahrerin oder ein Fahrer damit überhaupt noch bewegen? Und in Zeiten von Klimawandel nicht ganz unwichtig: Wie heiß wird es im Sommer?
Wiederaufladbare Batterie und Gaskartusche. Alle Westen funktionieren ähnlich - und kosten auch ähnlich viel: zwischen rund 700 und 1.000 Euro. Nach einer Auslösung kann man sie sogar weiterverwenden.
Je nach Bauart haben die Motorrad-Airbags vorne, hinten und am Rücken noch Luftkörper. Manche Unterjackenwesten haben noch eine Luftblase, die sogar bis in den Oberarm hineinreicht.
Was ist besser? Eine dicke oder eine dünne Lederjacke oder ein Plastiksack. "Das dickere Material wird immer besser schützen", urteilt Robert Glück, Ressortleiter Service bei "Motorrad".
Motorrad-Airbags können die Gefahr tödlicher Unfälle verringern
Fachleute sehen das ähnlich. Norbert Jutt ist Notarzt. Bei seinen Einsätzen sieht er immer wieder Verkehrsunfälle mit Motorradfahrern - auch auf der Schwarzwaldhochstraße:
"Der Motorradfahrer hat keine Knautschzone und prallt direkt auf." Er habe nur seine Schutzkleidung und eine Airbag-Weste könne die Knautschzone erweitern, "indem nochmal ein zusätzlicher Puffer Energie aus diesem Unfall-Mechanismus rausnimmt", sagt Notarzt Jutt.
Bei Sankt Michaelisdonn in Schleswig-Holstein zeigt uns Thomas Burfeind die Stelle im Wald, wo ihm der Airbag das Leben gerettet hat. Wildwechsel. Bei eigentlich gemütlichen 80 Kilometern pro Stunde. Ein Reh - direkt ins Vorderrad.
"Ich habe eigentlich nur noch den Knall von meiner Airbag-Weste gehört und bin dann geflogen und habe dann irgendwann halt auf einer Straße gelegen", erzählt Thomas Burfeind.
Dann seien auch schon die ersten Helfer bei ihm gewesen - unter anderem ein Autofahrer. "Dem danke ich heute noch von Herzen", sagt Thomas Burfeind. Der Autofahrer habe gesehen, dass er gestürzt war und auf der Fahrbahn lag und habe reagiert, indem er "mir ausgewichen ist und dann das Auto gegen Baum gelenkt hat."
Wenn sein Bein verheilt ist, will Thomas Burfeind wieder Motorrad fahren. Aber: Nur mit Airbag-Weste.
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Polizei: Motorradunfälle könnten zunehmen
Erik Hippchen arbeitet im Bereich Verkehr beim Polizeipräsidium Westpfalz. Er ist häufig mit dem Polizei-Motorrad unterwegs und hat viele Motorrad-Unfälle gesehen.
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Die Motorradsaison geht wieder los. Deshalb lädt das Polizeipräsidium Trier am Samstag, den 1. April zu einem internationalen Motorradsymposium ein. Besonders im Blick habe man dieses Mal die sogenannten "Silver Ager", sagt Marc Fleischmann von der Polizei in Trier. "Das ist die Altersgruppe Ü45, die leider in der Unfallstatistik immer stark vertreten ist." Der Grund sei, "dass viele Fahrerinnen und Fahrer in diesem Alter Wiedereinsteiger oder Neueinsteiger sind." Oft würden die eigenen Fähigkeiten überschätzt. Gleiches gelte, wenn die Biker auf ein leistungsfähigeres Motorrad umsteigen würden. Deshalb biete man auf dem Symposium Fahrübungen an, "um sich mit der eigenen Maschine vertraut zu machen, damit man sicher unterwegs ist."
Was der Polizist von einer Fahrprüfung für Wiedereinsteiger hält, die viele Jahre lang kein Motorrad mehr gefahren sind, sagt er im Gespräch mit SWR Aktuell-Moderatorin Jenny Beyen.