Schon Ärzte der Antike kannten Diabetes – eine wirksame Therapie aber wurde erst vor 100 Jahren entwickelt: Am 23. Januar 1922 gelang die erste erfolgreiche Behandlung eines Zuckerkranken mit Insulin.
Der kanadische Mediziner Frederick Banting und sein Doktorand Charles Best schrieben mit der Insulintherapie Medizingeschichte – Banting wurde dafür schon ein Jahr später mit dem Nobelpreis ausgezeichnet.
Diabetes verläuft ohne Insulinbehandlung tödlich
Mehr als 8,5 Millionen Menschen in Deutschland leiden an Diabetes, in rund fünf Prozent der Fälle handelt es sich um den angeborenen Typ 1 Diabetes. Bei dieser Form der Zuckerkrankheit greift der Körper schon in jungen Jahren die insulinproduzierenden Zellen in der Bauchspeicheldrüse an – sie können kein Insulin mehr produzieren. Der Körper kann infolgedessen Zucker und andere Kohlenhydrate nicht mehr verwerten.
Bis vor hundert Jahren war das noch ein Todesurteil. Vor der Entwicklung der Insulintherapie versuchte man erkrankte Menschen durch eine zucker- und kohlenhydratfreie Kost am Leben zu erhalten. Doch das habe meistens nicht länger als ein Jahr geklappt, so Prof. Andreas Fritsche, Vizepräsident der Deutschen Diabetesgesellschaft.
Vor hundert Jahren gelang die erste Insulintherapie
Schon Ende des 19. Jahrhunderts war klar, dass die Inselzellen in der Bauchspeicheldrüse eine Schlüsselrolle bei der Entstehung des Diabetes spielen – dort entsteht das Hormon Insulin. Im Sommer 1921 gelang zwei kanadischen Medizinern der erste entscheidende Schritt: Frederick Banting und Charles Best isolierten Insulin aus der Bauchspeicheldrüse eines Hundes. Ein halbes Jahr später kam dann der Durchbruch: Am 23. Januar 1922 wurde erstmals ein Diabetiker erfolgreich mit Insulin behandelt.
Komplikationen durch verunreinigtes Insulin
Der Durchbruch gelang erst im zweiten Anlauf: Bei der ersten Spritze am 11. Januar gab es Komplikationen; der 13-jährige Patient Leonard Thompson hat die Behandlung nur knapp überlebt. Denn das Insulin war verunreinigt. Thompson hatte infolge der ersten Verabreichung einen Abszess bekommen.
Banting und Best zogen den Chemiker James Collip zu Rate – mit seiner Hilfe gelingt die Reinigung des Insulins. Als Leonard Thompson dann am 23. Januar 1922 mit diesem reinen Präparat behandelt wurde, schlug die Therapie endlich an. Der Blutzuckerspiegel des Jungen sank, dank regelmäßiger Spritzen konnte er wieder ein normales Leben führen. Schon ein Jahr später kam das erste kommerziell hergestellte Insulin auf den Markt.
Insulinbehandlung wurde immer unkomplizierter
Doch die Behandlung blieb kompliziert: Die Insulindosis muss an den aktuellen Blutzuckerspiegel und an die Menge verzehrter Kohlenhydrate angepasst werden. Deswegen ist die Dosis höchst variabel, erklärt Andreas Fritsche vom Institut für Diabetesforschung der Uniklinik Tübingen.
Für die individuelle Insulin-Dosierung braucht man eine Blutzuckermessung. Früher mussten Diabetikerinnen und Diabetiker dafür zum Arzt, heute können sie sich jederzeit selbst testen.
Auch das Spritzen ist längst kein Problem mehr: Dafür gibt es heute sogenannte Insulinpens. Sie sehen wie ein dicker Kugelschreiber aus und können mit Insulinpatronen aufgefüllt werden. Früher musste man noch Spritzen mit Insulin aufziehen und täglich auskochen.
Insulinherstellung ist wie Bierbrauen
Große Fortschritte hat auch die Herstellung des Insulins gemacht: Lange Zeit wurde das Medikament aus Bauchspeicheldrüsen von Rindern und Schweinen gewonnen – die Pharmaindustrie nutzte dafür Schlachtabfälle. Riesige Mengen waren für die Insulinproduktion nötig.
Seit 1982 kommt aber gentechnisch hergestelltes Humaninsulin zum Einsatz – letztlich ist das nicht komplizierter als Bierbrauen, erklärt der Tübinger Diabetologe Andreas Fritsche:
Wird die Insulinbehandlung bald abgelöst?
Für Patientinnen und Patienten mit Diabetes vom Typ 1 führt an Insulin immer noch kein Weg vorbei. Aber bei Zuckerkranken mit Typ 2 Diabetes, dem klassischen Altersdiabetes, gibt es in einigen Fällen bessere Alternativen. Die werden aber nicht immer genutzt, kritisiert der Tübinger Diabetologe Andreas Fritsche.