Motorik

Warum gibt es mehr Rechtshänder als Linkshänder?

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Autor/in
Gábor Paál
Gábor Paál

An den alten Rittersleuten liegt die Linkshändigkeit nicht

Hierzu gab es schon alle möglichen Theorien. Zum Beispiel, dass die Linkshändigkeit ein Überbleibsel aus der Ritterzeit wäre, als die Ritter in der rechten Hand das Schwert führten, während sie mit der linken Hand mit dem Schild ihr Herz schützten.

Die Theorie gilt längst als überholt, weil Archäologen anhand prähistorischer Werkzeuge und Faustkeile herausgefunden haben, dass schon unsere Vorfahren vor zwei Millionen Jahren mehr mit der rechten Hand gearbeitet haben. Die hatten aber noch keine Schwerter. Allerdings trugen auch sie das Herz auf der linken Seite

Das Mutterherz führt nicht zur Lösung

Wegen dieser Position des Herzens gibt es einen weiteren Erklärungsversuch, der weniger mit Rittern als mit Müttern zu tun hat: Möglicherweise haben damals Mütter ihre Säuglinge mehr auf der linken Seite getragen, damit die Babys näher am Herzen sind und sich vom Herzschlag beruhigen lassen. Die Mütter hätten dann die rechte Hand frei gehabt, die sich dann immer mehr als Arbeitshand durchgesetzt hat. Aber auch das ist Spekulation.

Auch Hirnforschung steht vor Rätsel

Leider hilft auch die Hirnforschung nicht wirklich weiter. Aus der Hirnforschung wissen wir, dass unsere beiden Gehirnhälften jeweils die gegenüberliegenden Organe steuern: Die linke Gehirnhälfte steuert die rechte Hand und den rechten Fuß und umgekehrt. Gleichzeitig befindet sich bei den meisten Menschen in der linken Gehirnhälfte auch das Sprachzentrum sowie generell die Hirnareale, die stärker für rationales, analytisches und logisches Denken verantwortlich sind. Aus dieser Spezialisierung der linken Hirnhälften könnte also die Spezialisierung der rechten Hand folgen.

Allerdings stellt sich da die Frage: Warum sollten Sprache und logisches Denken beeinflussen, mit welcher Hand wir lieber einen Ball werfen? Man könnte höchstens eine Verbindung herstellen indem man sagt: Sprache ist Kommunikation und mit den Händen haben unsere Vorfahren auch kommuniziert. Aber ob das als Erklärung reicht?

Das zweite Problem mit dieser Erklärung ist, dass es zwar tatsächlich Linkshänder gibt, bei denen die Gehirnhälften andersherum spezialisiert sind, aber das ist eine Minderheit. Zwei Drittel der Linkshänder haben ihr Sprachzentrum genau wie die Rechtshänder auf der linken Seite.

Viele Linkshänder im Spitzensport

Es ist auch fraglich, ob die Rechtshändigkeit überhaupt mit einem evolutionären Vorteil erklären kann. Denn weder sind die Linkshänder ausgestorben, noch scheinen sie irgendwelche Nachteile im Kampf ums Überleben zu haben. Es gibt sogar unter erfolgreichen Spitzensportlern überdurchschnittlich viele Linkshänder, vor allem bei Zweikampfsportarten. Das wird damit erklärt, dass sich Linkshänder besser in einen rechtshändigen Gegner hineinversetzen können als umgekehrt.

Ein Linkshänder und ein Rechtshänder bei eineiigen Zwillingen

Obwohl es so ein alltägliches Phänomen ist, hat die Wissenschaft noch keine Ahnung, warum sich die rechte Hand durchgesetzt hat. Und sie weiß noch nicht einmal, wie man überhaupt zum Linkshänder wird. Klar scheint zumindest: Kurz nach der Geburt steht bereits fest, ob jemand Links- oder Rechtshänder ist. Aber es ist bisher kein Linkshänder-Gen identifiziert worden, sondern im Gegenteil kommt es vor, dass von zwei eineiigen Zwillingen einer ein Rechts- und einer ein Linkshänder ist.

"... und alle Fragen offen"

Andererseits: Wenn beide Eltern Linkshänder sind, ist die Wahrscheinlichkeit zumindest leicht erhöht, dass ihre Kinder es auch sind. Aber die Gene spielen wohl nur eine untergeordnete Rolle.

Möglicherweise wird die Händigkeit auch von Hormonen im Mutterleib beeinflusst. Und es scheint einen Zusammenhang mit den Umständen der Geburt zu geben: Frühchen mit einem Geburtsgewicht von unter 1000 Gramm werden überdurchschnittlich häufig zu Linkshändern, ebenso Mehrlingskinder. Und im Sommer werden aus irgendeinem Grund mehr Linkshänder geboren als im Winter. Niemand weiß warum.

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