Es gibt hier zwei große Medikamentengruppen: Das eine sind die nicht-opioiden Schmerzmedikamente wie Aspirin, Ibuprofen, Paracetamol. Das andere sind die Opioid-Schmerzmedikamente – also Morphin und seine Verwandte.
Morphin verursacht keine Organnebenwirkungen
Die große Überraschung: Morphin und verwandte Substanzen sind die einzigen Schmerzmedikamente, die auch in der Langzeitanwendung über Jahre oder Jahrzehnte keinerlei Organnebenwirkungen verursachen. Das heißt, diese Medikamente könnte man 100 Jahre lang schlucken, ohne dass Leber, Nieren oder etwas anderes zerstört wird.
Körperlich oder psychisch: Bei Abhängigkeit und Sucht muss man differenzieren
Es gibt zwei Formen der Abhängigkeit: Die eine ist die körperliche Abhängigkeit und die andere ist die psychische Abhängigkeit, bei der wir auch von Sucht sprechen.
Die körperliche Abhängigkeit wird von vielen Substanzen und Medikamenten verursacht. Das bedeutet: Wenn ich eine Substanz über lange Zeit nehme und schlagartig absetze, beschwert sich der Körper, weil er das, was er kennt, wieder haben möchte. Wenn man das Medikament irgendwann nicht mehr möchte oder nicht mehr braucht, kann man das Medikament mit dem Arzt verantwortungsvoll ausschleichen. So ist das eigentlich kein Problem mehr.
Betrachtet man die psychische Abhängigkeit, die man auch Sucht nennt, ist das Risiko besonders groß durch schnell anflutende Medikamente, die sehr rasch sehr hohe Wirkstoffspiegel im Blut erzeugen. Das heißt: schnell und kurz wirksame Substanzen. Dem sollte man als Arzt begegnen, indem man verzögert wirksame Medikamente als Tabletten oder Pflastersysteme verordnet, die eben nicht rasch anfluten und nicht dieses Gefühl von "Spaß im Kopf" erzeugen. Kommt dieses Gefühl nicht auf, ist das Risiko einer psychischen Abhängigkeitsentwicklung, sprich einer Suchtentwicklung, nahe null.
USA haben den nationalen Opioid-Notstand ausgerufen
In den USA gibt es derzeit ein Problem. Dort ist nämlich genau das passiert – es wurden Menschen schnell und kurz wirksame Medikamente verordnet, zum Teil über wenige Tage. Sie hätten nach einer großen Operation noch ein paar Tage länger diese Medikamente gebraucht in einer anderen Darreichungsform. Stattdessen hat man sie schlagartig wieder abgesetzt. Die Leute haben sich dann auf der Straße Heroin besorgt – was in den USA anders und leichter möglich ist.
Opioide lassen sich fein dosieren
Ich glaube, wenn wir diese opioiden Medikamente verantwortungsvoll einsetzen, haben wir sehr sichere Medikamente, mit denen wir Menschen extrem gut einstellen können. Opioide können wir viel feiner dosieren und damit eine bessere Schmerztherapie durchführen als mit den nicht-opioden Medikamenten. Die wirken nämlich nur über Enzymblockade-Mechanismen, während Opioide über Rezeptoren wirken. Das heißt, wir können eine ganz kleine Dosis reinstreicheln für ein bisschen Wirkung, können aber auch bei Tumorpatienten richtig klotzen.
Diese Medikamente haben keine Dosisobergrenze. Wir haben also auch bei schlimmsten Erkrankungen immer noch eine Bewaffnung und können jedem Menschen sagen: "Wenn du irgendwann das 10- oder 100-Fache brauchst, wirst du es bekommen und es wird wirken."
Das sind keine Medikamente für den banalen Kopfschmerz oder für Kleinigkeiten. Das sind hochwirksame Medikamente, aber in den Händen von erfahrenen Ärzten sind die dann sehr segensreich.
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